Grußwort von Nuntius Eterovic beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Diplomatische Corps
Schloß Bellevue, Berlin, 14. Januar 2019
Grußadresse
Seiner Exzellenz, des Apostolischen Nuntius
Erzbischof Dr. Nikola Eterović,
Doyen des Diplomatischen Corps,
an Seine Exzellenz,
den Herrn Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Frank-Walter Steinmeier
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Zum zweiten Mal in Ihrer Amtszeit als Bundespräsident laden Eure Exzellenz die Mitglieder des Diplomatischen Corps, die in der Bundesrepublik Deutschland akkreditiert sind, zum Neujahrsempfang ein. Im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Diplomatischen Corps und der Internationalen Organisationen, die in Deutschland ihre Mission erfüllen, habe ich die Ehre, Eurer Exzellenz für diese Einladung zu danken, die uns die Möglichkeit gibt, Ihnen und Ihren Mitarbeitern, sowie allen Einwohnern Deutschlands die besten Wünsche für das Jahr 2019 zu übermitteln.
Im vergangenen Jahr haben 37 Botschafter ihre Mission in Deutschland beendet. Einer von ihnen, Seine Exzellenz Herr Gabriel Rafael Ant José Calventi Gavino, Botschafter der Dominikanischen Republik, ist verstorben. Wir erinnern seiner, vor allem im Gebet, mit Dankbarkeit und Freundschaft. Die Botschafter, die zum ersten Mal zu diesem Anlass hier sind, grüßen Eure Exzellenz in besonderer Weise und bekräftigen ihre Entschlossenheit, die bilateralen Beziehungen ihrer Länder mit der Bundesrepublik Deutschland zu stärken. Es ist darüber hinaus eine gute Gelegenheit, im Namen aller Eurer Exzellenz für die Einladung zu danken, Sie bei der Reise in die Freie Hansestadt Bremen am 27. Juni des vergangenen Jahres zu begleiten. Dabei wurden wir über die geschichtliche, kulturelle und politische Bedeutung Bremens innerhalb der föderalen Struktur Deutschlands informiert.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, diese Begegnung bietet uns die Gelegenheit, einen kurzen Blick auf das vergangene Jahr zu werfen und einige Ereignisse von besonderer Bedeutung zu würdigen.
Die wirtschaftliche Situation des Landes ist weiterhin stabil. Das zeigt unter anderem der Index des Bruttoinlandsproduktes, auch wenn er sich im dritten Quartal um 0,2% vermindert hat. Die Arbeitslosenquote betrug im Dezember 4,9%. Trotz eines leichten Anstiegs im Vergleich zum Vormonat ist es eine der niedrigsten Quoten seit der Wiedervereinigung im Jahre 1990. Im Monat Dezember waren 781.000 offene Arbeitsstellen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet.
Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland gibt es jedes Jahr wichtige Wahlen. Im Jahr 2018 gab es Wahlen in den Bundesländern Bayern (14. Oktober) und Hessen (28. Oktober). Im Jahr 2019 wird in den Bundesländern Bremen (26. Mai), Brandenburg und Sachsen (1. September) und Thüringen (27. Oktober) gewählt werden. Zu den genannten Landtagswahlen kommt die Wahl zum Europarlament hinzu, die in Deutschland am 26. Mai stattfinden wird. Die Wahlergebnisse in den Ländern haben allgemein Auswirkungen auch auf nationaler Ebene, wie wir erst kürzlich erleben konnten. Nach den Bundestagswahlen am 24. September 2017 wurde die Bundesregierung am 14. März 2018 aus den Koalitionsparteien von CDU/CSU und SPD gebildet. Alle drei Parteien haben oder werden neue Vorsitzende haben. Die SPD hat am 22. April gewählt und die CDU am 7. Dezember. Die CSU wählt am 19. Januar 2019 einen neuen Vorsitzenden. Die genannten Wechsel geschehen im Kontext von Kontinuität, was die Stabilität der Regierungen im Bund und in den einzelnen Ländern gewährleistet. Aktuell gibt es international eine gewisse Unsicherheit, daher ist diese Stabilität nicht ohne Bedeutung für die Europäische Union und die übrige Welt.
Im Laufe des Jahres 2018 wurde in Deutschland, wie auch weltweit an das Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) vor 100 Jahren gedacht. Die Vertreter vieler Nationen haben den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit ihrer Länder gefeiert, auch wenn einige von ihnen aus unterschiedlichen Gründen lange Zeit ihre Souveränität verloren hatten. Einige Staaten haben sich nach der Auflösung der Sowjetunion erneut gegründet. Die Erinnerung an das Ende des „Großen Krieges“ macht uns leider bewußt, daß es auch gegenwärtig an vielen Orten in der Welt Krieg und Gewalt gibt. Nach einer Studie von Caritas italiana (vgl. Vatican News, 10. Dezember 2018) gibt es weltweit 378 vergessene Konflikte, wovon 20 Kriege an Intensität zugenommen haben, so in Afghanistan, Syrien, dem Jemen, Libyen, Somalia, im Süd-Sudan und der Ukraine. In diesem Zusammenhang spielt Deutschland im Verbund mit der Europäischen Union und der NATO eine positive Rolle in der Förderung des Friedens, vor allem mit Hilfe des Dialogs.
Das Thema der Flüchtlinge und Vertriebenen ist eines der drängendsten in der Welt und auf dem europäischen Kontinent. Im vergangen Jahr hat Deutschland bis zum Monat November 174.000 Asylanträge entgegengenommen. Darüber hinaus hat Deutschland mit 164 anderen Staaten am 10. Dezember den sogenannten „Vertrag von Marrakesch“ angenommen, den Globalen Pakt der Vereinten Nationen. Man hofft, daß mit der Umsetzung dieses Paktes die grundlegenden Prinzipien einer sicheren, geordneten und regulären Migration umgesetzt werden können.
Die Bundesrepublik Deutschland hat auch aktiv an der Weltklimakonferenz COP 24 vom 3. bis 14. Dezember 2018 in Kattowitz in Polen teilgenommen. Die Konferenz, die im Anschluss an jene in Bonn im vorvergangenen Jahr (17.-24. November 2017) stattfand, suchte nach Vereinbarungen, auch wenn von vielen als Minimallösung betrachtet, wie das Pariser Abkommen von 2015 umgesetzt werden kann, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland setzt ihre Anstrengungen fort, viele Länder auf ihrem Weg der Entwicklung in finanzieller, technischer und personeller Hinsicht zu unterstützen. Ein vielversprechendes Projekt ist der „Marschallplan mit Afrika“, eine deutsche Initiative unter dem Dach der G 20 als „Compact with Africa“. In diesem Zusammenhang ist auch das hochrangige Afrika-Europa- Forum in Wien am 17. und 18. Dezember 2018 unter dem Thema: „Taking cooperation to the digital age“ zu erwähnen.
Verehrter Herr Bundespräsident, am Beginn des Jahres 2019 übermittle ich Ihnen im Namen der Kolleginnen und Kollegen von Herzen die besten Wünsche, damit die Bundesrepublik Deutschland auch weiterhin ihre bedeutende Rolle der Vermittlung, der Verständigung und des Dialogs unter seinen Bürgern, im Schoß der Europäischen Union wie auch in der Weltgemeinschaft, erfüllen kann. Diesbezüglich ist Ihr Wunsch, den Sie in der Weihnachtsansprache formuliert haben, zu beherzigen: „Lassen Sie uns dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft mit sich im Gespräch bleibt!“ (Weihnachtsansprache, 25. Dezember 2018). Im Verlauf des Jahres 2019 möge dieser Dialogprozess auf nationaler Ebene bei drei bedeutsamen Ereignissen hilfreich sein: beim 70. Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat am 8. Mai 1949 und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949, sowie bei der Erinnerung an den Mauerfall in Berlin vor 30 Jahren. Auf internationaler Ebene hat Deutschland einen nicht ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die weltweiten Herausforderungen sind enorm: es genügt daran zu erinnern, daß das Völkerrecht zu respektieren ist, der Ruf nach Frieden und ebenso eine größere Gerechtigkeit zwischen den armen und reichen Ländern drängend bleiben, außerdem gibt es die dringende Herausforderung zum Umweltschutz, zur Bewahrung der Schöpfung, unser aller gemeinsames Haus. In der Hoffnung, daß diese Vorhaben im Laufe des Jahres 2019 zu einem guten Teil erfüllt werden mögen, wünsche ich Eurer Exzellenz und über Sie den Einwohnern in Deutschland alles Gute und rufe über die Menschen in diesem Land und überall den Segen Gottes herab, der die Quelle des Friedens, der Solidarität, der Eintracht und der universalen Verständigung ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.