Predigt von Nuntius Eterovic 1. Fastensonntag
Berlin, 1. März 2020
(Gen 2,7-9.3,1-7; Ps 51; Röm 5,12-19; Mt 4,1-11)
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4).
Liebe Schwestern und Brüder!
An diesem ersten Fastensonntag lädt uns die Kirche ein, über die Versuchungen Jesu nachzusinnen. Versuchungen gehören zu den Erfahrungen eines jeden Christen (I). Im Gegensatz zu unseren Stammeltern Adam und Eva besiegt Jesus den Versucher und gibt so ein Beispiel und die Kraft für jeden von uns, die Versuchungen zu überwinden (II). Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, damit wir die Aktualität des Wortes Gottes, das verkündet worden ist, entdecken.
1. „Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden“ (Mt 4,1).
Nach seiner Taufe und vor dem Beginn seines öffentlichen Wirkens führte der Geist Jesus in die Wüste, um dort versucht zu werden. Wir verweilen nicht bei der Bedeutung der Wüste, einem Ort der Einsamkeit und besonderen Nähe zu Gott, und auch nicht dabei, was die vierzig Tage des Fastens Jesu bedeuten, sondern vielmehr dabei, daß Jesus versucht worden ist. Wenn der Herr, der Mensch und Gott, versucht wurde, heißt das, die Versuchungen sind keine Sünde. Sie haben im Gegenteil eine positive Rolle im geistlichen Leben der Christen. Die Versuchungen Jesu sind daher für uns ein Trost, insofern jeder von uns und jeder Christ diese Erfahrung kennt. Alle wurden und werden wir vom Teufel, vom Diabolos in Versuchung geführt, denn sein Name bedeutet: er ist einer, „der entzweit und durcheinander wirft“, „der Verleumder“, „der Ankläger“, „der Unfrieden sät“. Die Versuchungen sind für Jesus die Gelegenheit zum geistlichen Kampf und zum Sieg über den Satan. Im Gegensatz zu den Stammeltern von Adam und Eva, die in Versuchung gerieten, besiegt Jesus den Diabolos und seine Versuchungen. Daher bieten die Versuchungen dem Menschen die Möglichkeit, seine geistliche Festigkeit zu prüfen und in den Momenten der Prüfung seine Haltung zum dreimal heiligen Gott (vgl. Jes 6,3) zu bedenken.
2. Die Versuchungen Jesu.
Der Evangelist Matthäus beschreibt drei Arten der Versuchung Jesu.
Die erste bezieht sich auf materielle Dinge, auf Nahrung, die der Mensch braucht, vor allem nach vierzig Tagen des Fastens. Jesus aber entlarvt die täuschende Absicht des Teufels mit seiner Verlockung: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird“ (Mt 4,3). Offensichtlich weiß der Teufel vom Zeugnis Gottvaters für Jesus, das er in der Taufe zum Ausdruck gebracht hatte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Jesus war in der Lage, Wunder zu vollbringen, doch tat er sie nicht für sich, aus egoistischen Motiven, sondern um Gott zu loben und den anderen zu dienen. Der Teufel versuchte, daß Jesus durch Wunder seine Sendung erfülle, die zwar die Phantasie beflügeln, ihn aber von seiner wahren Mission abbringen, die den Weg der Erniedrigung und des Kreuzes einschließt. Aus diesem Grund hat der Herr diese materialistische Versuchung mit den Worten abgelehnt: „In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4).
Die Antwort Jesu sollte auch unsere werden angesichts der Versuchung, materiellen Gütern den ersten Platz im Leben einzuräumen. Diese Güter sind notwendig zum Überleben, doch für den Christen sollte das Wort Gottes den ersten Platz einnehmen. Es ist die wesentliche Nahrung des Geistes; es spendet das unverzichtbare Licht zum richtigen Gebrauch der materiellen Güter.
Bei der zweiten Versuchung handelt es sich um einen religiösen Exhibitionismus, um eine Religion der Spektakel. Der Vorschlag des Teufels: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“ (Mt 4,6) drückt den Anspruch aus, Gott zu benutzen und dessen Macht zum eigenen Nutzen zu manipulieren. Jesus widersteht dieser Versuchung: „In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen“ (Mt 4,7). Er will Gott dienen und nicht vom Vater bedient werden. Jesus Christus vermag Wunder zu tun, wie er es während seines öffentlichen Wirkens gezeigt hat. Aber er wirkt Wunder nicht aus reinem Exhibitionismus, sondern um Menschen in Not materielle oder spirituelle Hilfe oder Heilung an Leib und Seele zu gewähren. In der Pädagogik Jesu sind die Heilungen des Leibes auf die Heilung der Seele ausgerichtet. So zum Beispiel beim von der Lepra geheilten Samariters, dem der Herr sagt: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 17,19).
Auch die Christen müssen darauf achten, nicht in die Versuchung zu fallen, Gott auf die Probe zu stellen und Wunder zu erwarten, wo sie nicht hilfreich sind. Zum Beispiel angesichts einer schweren Krankheit muss man mit allen menschlichen Mitteln suchen, einen Kranken zu heilen. Natürlich vertraut der Gläubige Gott, der ein Wunder vollbringen kann, weil er der Herr des Lebens ist. Aber aus der Erfahrung des Glaubens wissen wir, daß eine Krankheit auch eine Gelegenheit sein kann für die geistliche Heilung eines Menschen, der sich während seines Lebens weit von Gott entfernt hat und nunmehr im Leiden aufs Neue zurückfinden kann und außerdem den christlichen Sinn des Leidens zu entdecken vermag.
Die dritte Versuchung zielt auf die Macht in der Welt. Der Teufel verheißt Jesus, er könne die ganz Welt besitzen, wenn er sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet. Die Antwort des Herrn ist klar und unmissverständlich: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen“ (Mt 4,10).
Die Macht über die Welt, vor allem über Menschen, kann eine große Versuchung sein, insbesondere wenn man sie erringen will, indem man den Teufel und seine Werke anbetet. Zuweilen führt dieser Weg zur Macht über verschiedene okkulte Organisationen, die denen Erfolg verheißen, die sich bestimmten Normen unterwerfen, die mit dem Christentum und der Lehre der Kirche unvereinbar sind. Aber auch im weiteren Sinn müssen wir achtsam bleiben, um nicht in die Versuchung zu geraten, das Geld anzubeten und den Reichtum an die Stelle Gottes zu setzen. Doch nur Gott allein gehört unsere Verehrung und Anbetung.
Liebe Brüder und Schwestern, am Beginn der österlichen Bußzeit greifen wir die Einladung der Kirche auf, Jesus auch in den entscheidenden Momenten der Versuchungen zu folgen. Auf uns allein gestellt können wir den Teufel nicht besiegen, denn er ist intelligenter und hinterlistiger als wir und weiß außerdem genau, wo unsere Schwächen sind. Aber mit der Kraft des Heiligen Geistes und durch die Nähe zu Jesus können wir diese Gnade erringen und den Teufel verbannen. Die ersten, die den Sieg endgültig errungen haben, sind die Heiligen, an die wir uns wenden und um deren Fürsprache wir bitten. Besonders vertrauen wir uns der seligen Jungfrau Maria an, der neuen Eva, die der Welt Jesus Christus gebracht hat, ihren und unseren Erlöser. Sie, die alles in ihrem Herzen bewahrte und erwogen hat, was über ihren Sohn gesagt worden war (vgl. Lk 2,19), möge uns lehren, wie man die Lehre Jesu in die Tat umsetzt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4). Amen.