Predigt von Nuntius Eterovic am 11. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 16. Juni 2024

(Ez 17,22-24; Ps 92; 2 Kor 5,6-10; Mk 4,26-34)

Das Reich Gottes „gleicht einem Senfkorn“ (Mk 4,31).

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Hebräerbrief lesen wir, dass „das Wort Gottes, wirksam (ist) und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr 4,12). Im Licht der Lesungen dieses elften Sonntags im Jahreskreises können wir diesem Lobpreis hinzufügen, dass das Wort Gottes dynamisch ist, wie es uns die beiden Gleichnisse von den Samenkörnern und der Dynamik ihres Wachstums lehren. Denn es heißt: „In Eile läuft sein Wort dahin“ (Ps 147,15) und lässt sich keine Fesseln anlegen (vgl. 2 Tim 2,9). Die zweite Lesung aus dem zweiten Korintherbrief des heiligen Paulus erinnert uns außerdem daran, dass das Wort Gottes eine Quelle des Vertrauens auf Gott ist, der nicht nur die Geschicke des Menschen lenkt, sondern auch die der Kirche und des ganzen Kosmos. So lehrt uns der heilige Paulus, „immer zuversichtlich“ zu sein (2 Kor 5,6). Die Initiative ergreift der gute und barmherzige Gott, der uns die Gabe des Glaubens schenkt. Doch Er erwartet unsere Mitwirkung bei dieser anspruchsvollen und zugleich anregenden Mission, nämlich authentische Jünger Jesu Christi und eifrige Zeugen Seines Evangeliums zu sein.

„Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät“ (Mk 4,26).

Im Abschnitt des heutigen Evangeliums verwendet der Herr Jesus Begriffe aus dem bäuerlichen Umfeld, die seine Zuhörer schnell erfassen konnten. Im ersten Gleichnis spricht Jesus Christus vom Samen und seinem inneren Wachstum, was die Menschen nicht in seiner Tiefe erkunden können. Der Sämann sät Samen in die Erde, doch „dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie“ (Mk 4,27). Doch die Menschen beobachten die Entwicklung, die aus dem Samenkorn erwächst, „zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre“ (4,28), das für die Ernte bereit ist.

Auch das zweite Gleichnis über das Senfkorn unterstreicht das Phänomen des Wachstums. Eines der kleinsten Samenkörner wie eben das Senfkorn. Wenn es ausgesät ist, „geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse“ (Mk 4,32), so dass die Vögel in den Zweigen nisten können.

Mit diesen beiden Gleichnissen lehrt uns der Herr Jesus, dass das Reich Gottes eine dynamische Wirklichkeit ist. So wie auch das Wort Gottes, das, wenn es ausgesät ist, nach der eigenen Dynamik wächst, die Gott in es hineingelegt hat. Das Bild könnte man auf die ganze Kirche übertragen, die nach dem Willen Gottes wachsen und sich über die ganze Erde ausbreiten soll (vgl. Mt 16,15-18). Trotz widriger Umstände und Verfolgungen, welche die kleine kirchliche Gemeinschaft zu Beginn heimsuchte, hat sie sich entwickelt, wuchs nach der von Gott gewollten Dynamik, gleichsam ein Same, der in jeder sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Lage wachsen kann. Wir kennen in einigen Teilen der Welt aber auch kirchliche Gemeinschaften, die einstmals blühten und dann einen Niedergang erlebten, so dass nur noch eine kleine Herde übriggeblieben ist, die sich ihrer einst glorreichen Geschichte erinnert. Dieses Phänomen gibt es auch in anderen Teilen der Welt, wie beispielsweise in Europa, wo sich die Zahl der Christen drastisch verringert. Das geschieht aus unterschiedlichen Gründen, die hier nicht aufgezählt werden. Diese Tatsache sollte für uns Christen vielmehr ein starker Impuls sein, sich der Gnade des Heiligen Geistes zu öffnen und für die Kirche zu beten, dass dort authentische Christen erwachsen, die nicht durch schlechte Beispiel die innere Entwicklung des Samens des Wortes Gottes behindern oder das Wachstum aufhalten wollen, was den Samen daran hindert, die erhoffte Frucht zu bringen.

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, hilft uns zwei Haltungen zu entdecken, die einen Christen grundlegend auch in unserer säkularen Welt charakterisieren, der gerufen ist, ein lebendiges Glied der Kirche zu sein, die vom Herrn Jesus gewollt ist.

-Demut ist eine grundlegende Tugend des christlichen Lebens. Der Christ erkennt, dass er alles vom dreieinen Gott empfangen hat und ist sich seiner Kleinheit gegenüber der Größe Gottes bewusst. Diesbezüglich warnt der heilige Paulus die Gemeinde in Korinth mit folgenden Worten vor anschwellendem Hochmut: „Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7). Schon der Prophet Ezechiel hat offenbart, dass Gott die demütigen Menschen im Gegensatz zu den Hochmütigen bevorzugt. „Dann werden alle Bäume des Feldes erkennen, dass ich der Herr bin. Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen Baum mache ich hoch. Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten Baum lasse ich erblühen“ (Ez 17,24). Diese Worte erinnern uns der Worte der seligen Jungfrau Maria, die Gott gepriesen hat, denn „er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind“ (Lk 1,51). Gott schenkt den Demütigen die Würde der Kindschaft Gottes, welche sie annehmen und leben, indem sie sich den Ansprüchen dieser hohen Berufung anpassen.

-Vertrauen ist ein anderes Charakteristikum der Christen, die sich Gott und seiner Liebe in der Gewissheit anvertrauen, dass er mit der Hilfe von Vater, Sohn und Heiligem Geist alle Hindernisse und alle Versuchungen, die ihnen im Leben begegnen, überwinden können, so dass sie ruhig „vor dem Richterstuhl Christi treten werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat“ (2 Kor 5,10). Der heilige Paulus ermahnt uns sodann, „immer zuversichtlich“ zu sein (2 Kor 5,6), auch wenn wir Gott noch nicht von Angesicht zu Angesicht sehen (vgl. 1 Kor 12,13), was uns erst im Himmel gewährt werden wird. Vertrauen ist die Bedingung, unter die Christen in dieser Welt leben, „denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende“ (2 Kor 5,7).

Liebe Schwestern und Brüder, das Wort Gottes erinnert uns, dass Gott die Initiative in unserem christlichen Leben, wie auch im Leben der Kirche ergreift. Er braucht jedoch unsere Mitwirkung. Das sehen wir auch im Gleichnis vom Samenkorn, wo es der Mensch ist, der den Samen auf den Acker aussät (vgl. Mk 4,26). Gott zählt auch beim Aussäen des Wortes Gottes, bei der Evangelisierung auf unseren Beitrag bei der Verkündigung des Evangeliums, welche die ganzheitliche Förderung der menschlichen Person im Blick hat. Das setzt den Einsatz vor allem für jene voraus, die arm und an den Rand gedrängt sind und unsere Hilfe benötigen. Zugleich befreit uns das Wort Gottes von der Angst oder der Erwartung unmittelbaren und sichtbaren Erfolgs nach weltlichen Maßgaben. Es ermuntert uns zu großem Vertrauen in Gott, der allein imstande ist, den Menschen nach dem Wort des Propheten Ezechiel zu verändern: „Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch“ (Ez 36,26). Gläubig erfassen wir: „Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken“ (Lk 3,8), und nach seinem Willen sollen „alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4).

Die selige Jungfrau Maria ist ein gelungenes Beispiel für das, was das Wort Gottes offenbart. Ihrer mächtigen Fürsprache vertrauen wir unsere Überlegungen an, auf dass alle Christen demütig bleiben, offen für die Gnade des Heiligen Geistes, voller Vertrauen in Ihren Sohn und Gott Jesus Christus, damit sie seinen Auftrag erfüllen, das Reich Gottes der Welt zu verkünden, „das einem Senfkorn gleicht“ (Mk 4,31) und dazu bestimmt ist, zu wachsen und zu seiner Zeit Frucht zu bringen. Amen.

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