Predigt von Nuntius Eterovic am 14. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 5. Juli 2020

(Sach 9,9-10; Ps 145; Röm 8,9.11-13; Mt 11,25-30)

„Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!“ (Mt 11,28).

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese Worte des Herrn Jesus ermuntern uns, sich auf Ihn zu verlassen und Ihm unser ganzes Leben auch in den schwierigen Momenten anzuvertrauen. Die wenigen Worte des Evangeliums ermöglichen uns, in das Innere Jesu Christi vorzudringen (I) und seine einzigartige Beziehung mit Gottvater zu entdecken (II), an der wir als Christen und somit Zeugen Christi und seines Heilsevangelium teilhaben können (III).

1. „Ich preise dich, Vater“ (Mt 11,25).

Der Evangelist Matthäus gibt uns einen Einblick in das tief innerliche Gebet Jesu. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Mt 11,25-26). Im biblischen Sprachgebrauch bedeutet „segnen“ (εὐλογεῖν) auch „preisen“ oder „danken“. Jesus preist, das heißt dankt Gottvater in der eher besonderen Situation, nachdem er die Erfolglosigkeit seiner Predigt erlebt hatte. Tatsächlich lehnten die Führer seines Volkes, die Schriftgelehrten, Pharisäer und Priester seine Botschaft ab. Jene, die intellektuell und kulturell gut vorbereitet waren, hatten ihre Herzen der Neuheit der Verkündigung Jesu nicht geöffnet. Die einfachen Menschen dagegen, jene ohne besondere Bildung verstanden die Worte Jesu, haben seine Botschaft gehört und befolgt. Wir sehen also, auch ein pastoraler Misserfolg kann positive Züge tragen. Jesus, der Sohn, entdeckt, daß das Evangelium vor allem den Armen und den Kleinen verkündet werden muss. Den Jüngern von Johannes dem Täufer hatte Jesus dieses Zeichen als Beweis seiner wahren Sendung als Messias angegeben: „Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ (Lk 7,22-23).

Das Evangelium wird daher von den einfachen Menschen angenommen, wie es auch die Apostel waren, die mehrheitlich als Fischer arbeiteten. Diesem Charakteristikum widerspricht jedoch nicht die Tatsache, daß auch viele Gelehrte vorbildliche Christen geworden sind. Denken wir beispielsweise an den Heiligen Paulus, den Völkerapostel. Wir erinnern sodann an zahlreiche Kirchenlehrer. Sie nämlich hatten ein offenes Herz für die Gnade Gottes und nahmen die Neuheit des Evangeliums wie Kinder an. Zwischen Vernunft und Glaube gibt es keinen Widerspruch, insofern es sich um zwei Wege handelt, die zu Gott, dem Schöpfer führen. Johannes Paul II. hat hierzu geschrieben: „Glaube und Vernunft (Fides et ratio) sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt. Das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich ihn selbst zu erkennen, hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt, damit er dadurch, daß er Ihn erkennt und liebt, auch zur vollen Wahrheit über sich selbst gelangen könne“ (Fides et ratio, Segen). Um dieses Gleichgewicht leben zu können, muss der Mensch demütig sein, die Grenzen menschlichen Wissen anerkennen und grundsätzlich für die Weisheit Gottes offen bleiben, welche die menschliche Vernunft übersteigt.

2. „Niemand kennt den Vater, nur der Sohn“ (Mt 11,27).

Die Worte Jesu zielen auf die einzigartige Beziehung ab, die zwischen Ihm und Gottvater besteht. Er hat vom Vater alles empfangen: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“ (Mt 11,27). Jesus kennt den Vater auf eine intime, das heißt tief innerliche Weise. Aber auch der Vater kennt den Sohn gut: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater und niemand kennt den Vater, nur der Sohn“ (Mt 11,27). Aus diesen Worten spricht das sichere Bewußtsein Jesu über seine göttliche Sohnschaft. Diese Wahrheit aber blieb nicht im Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit verschlossen. In der Fülle der Zeit hat Gott das unergründliche Geheimnis seiner Liebe offenbart und seinen Eingeborenen Sohn in die Welt gesandt (vgl. Gal 4,4-9). Jesus lehrt darüber hinaus, daß auch die Gläubigen zu dieser Erkenntnis gelangen können, das heißt jene, denen „es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27).

Danken wir Gott, denn er hat auch uns das Geheimnis seines trinitarischen Leben offenbart. Es ist die Gemeinschaft der Liebe, die in Gott zwischen dem Vater als Quelle der Liebe und dem Sohn, an dem Vater Wohlgefallen hat (vgl. Mt 3,17), und dem Heiligen Geist, „dem Geist Christi“ (Röm 8,9) existiert. Dieser Geist führt uns in die ganze Wahrheit der Liebe Gottes (vgl. Joh 16,13).

3. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“ (Mt 11,28).

Allein in dieser Liebe können wir die Worte des Herrn Jesus erfassen und leben. Er liebt uns und fordert uns auf, mit Ihm unsere Probleme und Schwierigkeiten zu teilen. Wenn die Lebenslast zu schwer wird, haben wir Hilfe im Herrn, der uns Erquickung verspricht: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich werde euch erquicken“ (Mt 11,28). Mehr noch, allein in der Kraft der Liebe Jesu Christi können wir sein Joch auf uns nehmen und entdecken, wie süß und leicht es ist (vgl. Mt 11,29-30). Das Geheimnis für ein solches Verhalten findet sich im Herrn Jesus, der uns ermuntert: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele“. Das Joch Jesu wird leicht, wenn es in Liebe gelebt wird. Die Liebe aber braucht ein demütiges und gütiges Herz, das für die Liebe zu Gott und zum Nächsten offen ist. Diese Liebe blendet den Schmerz, das Leid und das Schicksal des Todes nicht aus, wie uns Jesus durch das Heilsgeheimnis lehrt. Er schließt all das ein, so daß aus Leid Freude, aus Schmerz Fröhlichkeit und aus dem Tod das Leben werden kann. Hierzu lehrt der Heilige Augustinus: „Im Übrigen, wenn du liebst, so kämpfe nicht, oder wenn du kämpfst, dann möge diese Anstrengung geliebt sein“ (De bono viduit 21,26). Zu dieser Aussage gibt es viele Beispiele im täglichen Leben. Eine Mutter zum Beispiel, die sich gerne für ihre Kinder aufopfert und ihnen mit vor allem in Krankheiten beisteht oder wenn sie Hilfe brauchen. Denken wir an die Eltern behinderter Kinder, die ununterbrochen Beistand brauchen. All diese Mühen werden ausgehalten und überwunden mit jener Liebe, die ihre tiefste Wurzel in Gott hat.

Die Einladung Jesu, Ihm unsere Mühen und Lasten anzuvertrauen, tröstet uns. Wir sollten daher in den schwierigen Zeiten des Lebens nicht jammern und murren, sondern uns zum Herrn fliehen und mit seiner Hilfe diese Situationen mit einem gütigen und demütigen Herzen zu leben suchen. So werden auch wir Seinen Segen erlangen und gepriesen werden. Jesus hat nämlich die seliggepriesen, die sanftmütig und gütig sind, und hat ihnen verheißen, daß sie das Land erben werden (vgl. Mt 5,5). Und den Armen und Demütigen verheißt er das Himmelreich (vgl. Mt 5,3).

Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, welche die Seligpreisungen der Milde und Demut beispielhaft gelebt hat. Sie hat außerdem in Liebe die Leiden des Lebens auf sich genommen, vor allem auf dem Kreuzweg ihres Sohnes nach Kalvaria, und sie nahm teil an der Freude seiner Auferstehung. Sie möge für uns bei Gott die Gaben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erflehen, um immer besser die Einladung ihres Sohnes zu befolgen: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!“ Amen.

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