Predigt von Nuntius Eterovic am 16. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 21. Juli 2019

(Gen 18,1-10; Ps 15; Kol 1,24-28; Lk 10,38-42)

„Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden“ (Lk 10,42).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort an diesem Sonntag ermuntert uns, über die Gastfreundschaft nachzudenken. Die großherzige Gastfreundlichkeit Abrahams wird mit dem Segen Gottes beantwortet (I). Jesus erfährt freundliche Aufnahme im Haus der Schwestern Maria und Marta (II), was auch uns den Wert christlicher Gastfreundschaft lehrt (III). Indem wir uns dem Heiligen Geist öffnen, bedenken wir kurz diese drei Punkte.

1. Abraham „schaute auf, siehe, da standen drei Männer vor ihm“ (Gen 18,2).

Abraham begegnet, ohne daß er weiß, Gott bei der Ankunft jener drei Männer, die zu ihm „bei der Hitze des Tages“ (Gen 18,1) kommen. Er nimmt sie bereitwillig auf und erweist ihnen großzügig Gastfreundschaft, was detailreich beschrieben wird, ohne daß wir dabei verweilen. Wichtig ist die Begegnung Abrahams mit dem Herrn mittels der Gäste. Zu dieser Wahrheit führt uns der Beginn der ersten Lesung, wo es heißt: „Der HERR erschien Abraham bei den Eichen von Mamre, während er … am Eingang des Zeltes saß“ (Gen 18,1). Mit göttlicher Eingebung wendet sich Abraham im Singular an die drei Gäste: „Mein Herr, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, geh doch nicht an deinem Knecht vorüber“ (Gen 18,3). Dieser Umstand hat viele Betrachtungen von Theologen und Gläubigen inspiriert, vor allem in den orthodoxen Kirchen. Sehr bekannt ist beispielsweise die Ikone der Dreifaltigkeit des russischen Mönches Andrej Rublëv, die er in den Jahren zwischen 1420 und 1430 schuf und welche „die Gastfreundschaft des Abraham“ genannt wird. Sie beeindruckt durch ihre einfache Schönheit und den reichen theologischen und geistlichen Inhalt. Ohne in eine detaillierte Analyse einzutreten, erinnern wir daran, daß die Dreifaltigkeit von drei Engeln dargestellt wird: links sehen wir den Vater, in der Mitte Jesus und zur Rechten den Heiligen Geist. Vor Jesus sehen wir einen Kelch, das Symbol seines eucharistischen Opfers, das zugleich die große Liebe des dreieinen Gottes zu uns Menschen symbolisiert.

Die drei Personen schätzen die Gastfreundschaft Abrahams sehr. Am Mahl nimmt auch seine Frau Sarah teil, die unfruchtbar war. Die Begegnung endet mit dem Segen, was heißt, mit dem größten Geschenk, welches das Paar erwarten konnte, nämlich die Verheißung der Geburt eines Sohne, des Erben. Noch einmal wird der Plural zum Singular und der inspirierte Autor überliefert das Gespräch Abrahams mit den drei Gästen: „Sie fragten ihn: Wo ist deine Frau Sara? Dort im Zelt, sagte er. Da sprach er: In einem Jahr komme ich wieder zu dir. Siehe, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben“ (Gen 18,9-10).

Die Erfahrung des Abraham hatte eine enorme Resonanz auch im Christentum, denn man betrachtete die Gastfreundschaft als Weg der Begegnung mit dem dreieinen Gott. Wie uns das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,25-37) lehrt, ist unser Nächster jeder Mensch, der materielle und spirituelle Hilfe braucht.

2. „Marta nahm ihn gastlich auf“ (Lk 10,38).

Im heutigen Evangelium ist Jesus zu Gast bei Maria und Marta, zweier befreundeter Schwestern, die in dem Dorf Bethanien leben. Das Verhalten der beiden Schwestern ist uns bekannt. Während Marta völlig von äußeren Aktivitäten beansprucht ist, um Jesus gut zu bewirten, ist Maria ganz in das Gespräch mit dem Herrn vertieft. „Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu“ (Lk 10,39). Marta hat dieses Verhalten kritisiert, daß die Schwester sich in ihren Augen zu passiv verhielt, und woraus der Vorwurf entsteht: „Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen“ (Lk 10,40). Jesus hingegen antwortet mit sehr bedeutsamen Worten, die jeder von uns bedenken sollte: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden“ (Lk 10,41-42).

Bei der christlichen Betrachtung der beiden Schwestern werden oft die zwei Modelle des aktiven oder kontemplativen Lebens gesehen. Aber diese Modelle müssen grundsätzlich nicht im Widerspruch stehen, vor allem nicht, wenn man den Akzent auf den spirituellen Aspekt legt. Wenn wir einen Gast empfangen, dann ist wichtig, ihm Aufmerksamkeit zu schenken und ihm etwas zu essen oder zu trinken anzubieten. Aber das ist nur ein Aspekt und nicht der wichtigste. Sehr wichtig ist, ihn gut willkommen zu heißen, bereit zu sein, ihm zuzuhören und in ein Gespräch zu kommen, um seine Sorgen, Nöte und Freuden zu teilen, ihn zu ermutigen und, wenn nötig, Hilfe auf seinem Lebensweg anzubieten. Ohne diese menschliche Dimension bliebe die Gastfreundschaft zu äußerlich und nichtssagend.

3. Jesus in unser Leben aufnehmen.

Wenn das für die Begegnung von Freunden, Familienangehörigen und anderen Menschen gilt, umso mehr gilt das für unsere Beziehung mit dem Herrn Jesus. Wir müssen alles tun, damit er sich in unserer Gegenwart als erwünschter und geliebter Gast wohl fühlt. Sehr wichtig ist es, sich wie Maria zu verhalten, aufmerksam auf jedes Wort zu sein, das aus dem Mund Jesu kommt. Denn Er hat Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68), was wir alle dringend nötig haben.

Liebe Brüder und Schwestern, wir sind versammelt, um die Heilige Messe zu feiern, wo wir eine doppelte Gastfreundschaft erleben. Jesus, der uns als Gäste an dem Tisch seines Leibes und Blutes empfängt, wird wiederum in der Kommunion zu unserem Gast. Jesus heißt uns in jeder Kirche willkommen, er spricht zu uns durch die Liturgie des Wortes und nährt uns mit dem eucharistischen Brot. Um an dieser Gastfreundschaft angemessen teilzuhaben, ist es nötig, sich an einem kultischen Ort wie Maria zu verhalten und nicht wie Marta: alle Aspekte der Organisation der Feier müssen vor der Liturgie geklärt werden. Wir müssen uns vor den Ablenkungen hüten, um mit der erforderlichen Aufmerksamkeit an der Heiligen Messe teilnehmen zu können. Das ist für eine würdige Feier wichtig, doch noch entscheidender ist es, auf das Wort Jesu zu hören und an seinem Opfer teilzunehmen, das in jeder Eucharistiefeier auf unblutige Weise erneuert wird. Auf der anderen Seite will Jesus, der uns willkommen heißt, bei uns aufgenommen werden. Er möchte in unser Herz nicht allein über sein Wort kommen, sondern vor allem durch die Kommunion. Auf diese Weise vollzieht sich in der Heiligen Messe ein heiliger Tausch: Jener, der uns bewirtet, Jesus, er wird unser lieber Gast.

Erbitten wir die Gnade des Heiligen Geistes, auch über die Fürsprache der Gottesmutter Maria, die neun Monate Jesus in ihrem Leib „beherbergt“ hat, damit wir immer offen und bereit sind, den Nächsten aufzunehmen, so wie Abraham oder Maria und Marta es taten, weil sie wussten, im Nächsten können wir Jesus aufnehmen. Er nämlich hat sagt: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Amen.

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