Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Fastensonntag - Papstwahltag
St. Josef zu Berlin, 13. März 2022
(Gen 15,5-12.17-18; Ps 27; Phil 3,17-4,1; Lk 9,28-36)
Papstwahltag
„Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,35).
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Verklärung Jesu Christi auf dem Berg Tabor nimmt einen höchst gewichtigen Platz auf dem Weg nach Jerusalem ein, das heißt zu seinem Tod und seiner Auferstehung. Vom Heiligen Geist geführt wollen wir Jesus auf dem Heilsweg folgen, der über das Leiden (I) zur Auferstehung und Verherrlichung führt (II). Gottvater mahnt uns alle als Jüngerinnen und Jünger Jesu, auf ihn zu hören und ihm zu folgen.
An diesem Sonntag bitten wir den dreieinen Gott für den Heiligen Vater Franziskus, denn wir denken an den neunten Jahrestag seiner Wahl. Papst Franziskus ist der 265. Nachfolger des Heiligen Petrus, der einer der Zeugen der Verklärung gewesen war. In der Treue zum Auftrag des Herrn Jesus setzt der gegenwärtige Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche die Mission des Apostels Petrus in der Kirche fort und ist deren „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (LG 18).
1. „Der Menschensohn muss vieles erleiden“ (Lk 9,22).
Dem Abschnitt des Evangeliums von der Verklärung geht nicht nur das Bekenntnis des Apostels Petrus voraus, der öffentlich bekannt hat, dass Jesus der „Christus Gottes“ ist (Lk 9,20), sondern auch die erste Ankündigung des Ostergeheimnisses, das Leiden und Tod einschließt: „Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden“ (Lk 9,22). Mit Blick auf den Evangelisten Markus war diese Ankündigung der Grund für das Aufbegehren des Petrus, der ihn davon abzubringen versucht hat. Der Herr aber hat dieser Versuchung widerstanden, in die der Teufel ihn durch Petrus führte, weil er „nicht das im Sinn hat, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mk 8,33). In der Folge machte Jesus klar, dass das Kreuz ein integraler Bestandteil des christlichen Lebens sein wird, indem er sagte: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,24).
2. „Das Aussehen seines Gesichtes veränderte sich“ (Lk 9,29).
In diesem Kontext geschieht die Verklärung Jesu. Drei auserwählte Zeugen gab es hierfür: Petrus, Johannes und Jakobus. Sie ereignete sich unter den günstigen Bedingungen auf einem hohen Berg während Jesus betete. Der Evangelist beschreibt die Verklärung Jesu mit folgenden Worten: „Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß“ (Lk 9,29). In diesem Moment erschienen „in Herrlichkeit“ (Lk 9,30) zwei bedeutende Persönlichkeiten des Alten Testamentes, Mose und Elia. Der erste ist gleichsam der Prototyp des Patriarchen, der zweite einer der Propheten. Erinnern wir uns, dass beide eine besondere Gotteserfahrung gemacht hatten.
Mose verlangte danach, JHWH zu sehen: „Lass mich doch deine Herrlichkeit schauen“ (Ex 33,18). Dem Verlangen wurde nur teilweise entsprochen, denn ein Mensch kann die Heiligkeit Gottes nicht schauen und am Leben bleiben. Und so war es dem Mose nur erlaubt, den Rücken Gottes zu sehen, nicht aber sein Angesicht (vgl. Ex 33,23). Bei dieser Begegnung gab Gott dem Mose den Auftrag, das Gesetz dem Volk zu überbringen, das er auf dem Berg Sinai empfangen hatte.
Elia wurde von der Königin Isebel verfolgt, denn er hatte die falschen Propheten des Baal erschlagen und musste auf den Berg Horeb fliehen, wo er eine Offenbarung Gottes hatte. JHWH erschien ihm nicht in den Naturgewalten von Sturm, Erdbeben oder Feuer, sondern durch „ein sanftes, leises Säuseln“ und danach durch eine Stimme (vgl. 1 Kg 19,12-14). Auch er bekam von Gott einen Auftrag: die Könige von Aram und Israel, wie auch den Elischa zum Propheten zu salben (vgl. 1 Kg 19,15-16).
Wie wir hörten, verwandelte sich bei der Verklärung das Gesicht Jesu und wurde wie seine Kleider strahlend weiß (vgl. Lk 9,29). Im Bewußtsein muss das Zeugnis von Gottvater zu Jesus Christus bleiben: „Dieser ist mein auserwählter Sohn“ (Lk 9,35). Denn Jesus ist nicht nur der Menschensohn, sondern auch der Sohn Gottes. Unter der Erscheinung der Menschengestalt ist Jesu göttliche Natur verborgen. Gottvater hat erlaubt, dass die Zeugen der Verklärung im Angesicht Jesu das Antlitz Gottes sahen und am Leben blieben. In der Person Jesu gehören die Verherrlichung, die Verklärung, und das Leiden zusammen. Vor seiner Passion bittet Jesus: „Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war“ (Joh 17,5). Der Menschensohn wird durch den Tod in seine Herrlichkeit eintreten, nunmehr mit seinem verherrlichten Menschsein. Das erschließt sich auch aus dem Gespräch von Jesus mit Mose und Elia. Denn während der Verklärung Jesu erschienen sie in Herrlichkeit „und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk 9,31). Sein Ende ist der Tod, jedoch nicht als Ergebnis von Umständen oder als tragisches Lebensende Jesu, sondern als Aufbruch, als Erfüllung des göttlichen Vorhabens, das in der Heiligen Schrift zum Ausdruck kommt. Jesus selbst hat bezeugt: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“ (Joh 10,17-18). Das ist die Sendung, die Jesus von seinem Vater empfangen hat und die auf dem Berg Tabor bestätigt worden ist.
3. „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,35).
Die drei Jünger wurden vom Ereignis der Verklärung überrascht und verfolgten es in einer Art von Halbschlaf. Denn sie „waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen“ (Lk 9,32). Der Apostel Petrus wollte diesen Zustand, diese Weise von Ekstase verlängern (vgl. Lk 9,33), konnte jedoch die wahre Bedeutung des Ereignisses nicht erfassen. Die drei Jünger hatten Angst, als sie in eine Wolke gerieten, worin sie die Stimme Gottes hörten: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,35).
Auf Jesus Christus zu hören, das ist die Aufgabe seiner christlichen Jünger. Der Vater erlässt keine Gesetze oder einzelne Normen, die wir beachten sollen. Es genügt sein Eingeborener Sohn. In ihm sind das ganze Gesetz und alle Propheten zusammengefasst. Der Herr Jesus ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Wer Ihm folgt, „wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12).
Auf Jesus hören und ihm folgen bedeutet, die Erfahrung der Verklärung schon in diesem Leben zu machen. Es sind besondere Gnadenmomente, starke Erfahrungen der Gegenwart des auferstandenen Herrn in unserem Leben. Das kann im Gebet geschehen, vor allem während der Feier der Sakramente, insbesondere der Eucharistie. Die Begegnung mit dem lebendigen Jesus hat immer eine trinitarische Dimension, wo der Geist des auferstandenen Herrn die Begegnung mit Jesus Christus auf dem Weg zum Vater möglich macht. Auf Jesus zu hören bedeutet, jeden Tag das Kreuz annehmen und dem Meister folgen, der gezeigt hat, dass das Leiden für das Reich Gottes das Tor zum Himmel öffnet. Es handelt sich um eine Erfahrung, die jeder von uns erlebt: Schmerz, Krankheit, Gewalt und Krieg. Denken wir an die Tragödien, die unsere Schwestern und Brüder in der Ukraine erleiden: die Menschen eines Landes leiden unter dem Einmarsch der mächtigen russischen Armee, was international verurteilt wird. Es ist ein Krieg jener, die sich wohl mehrheitlich Christen nennen und zum großen Teil derselben russisch-orthodoxen Kirche angehören. Im Licht der Verklärung können wir sagen, dass der leidende Herr inmitten des ukrainischen Volkes gegenwärtig ist, das unter den schrecklichen Folgen jenes grausamen Krieges leidet, der schon viele Opfer forderte und große Zerstörung brachte. Erinnern wir die Mächtigen, vor allem jene, die sich Christen nennen, dass auch für sie das Wort Gottes gilt: „Du sollst nicht töten!“ (Ex 20,13); „wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein“ (Mt 5,21). Jesus denkt dabei nicht an irdische Gerichte oder an internationale Gerichtshöfe, sondern an das Urteil Gottes, der die Herzen der Menschen bis in die Tiefe hinein kennt und der zugleich barmherzig und gerecht richtet.
Der Heilige Petrus, der erste der Apostel, ist nicht allein Zeuge der Verklärung und des Ostergeheimnisses des Herrn Jesus, sondern er teilte mit dem Meister ein ähnliches Schicksal: auch er wurde gekreuzigt in der Erwartung der Auferstehung. Sein Nachfolger, Papst Franziskus, setzt seine Sendung fort. Vom Heiligen Geist erleuchtet bekennt er öffentlich, dass Jesus „der Christus Gottes“ ist (Lk 9,20). Zugleich bringt er die Leiden der Welt zur Sprache. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und der „Ströme von Blut und Tränen“ hat er am vergangenen Sonntag ausgerufen: „Der Krieg ist Wahnsinn! Haltet bitte ein! Seht euch diese Grausamkeit an!“ (Angelus, 06. März 2022). Vereint mit dem Heiligen Vater, jener Stimme der leidenden Menschheit, beten wir, dass diese Tragödie bald ein Ende habe und die Menschen in der Ukraine die Zeichen der Wiedergeburt ihres Landes erleben – in Frieden, in Gerechtigkeit und in der Unantastbarkeit ihrer international anerkannten Grenzen.
Angesichts des Leids, das jeden von uns niederdrückt und das die ganze Welt unterjocht, insbesondere in der Ukraine und den Kriegsgebieten weltweit, erflehen wir die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Königin des Friedens. Sie hat auch unter dem Kreuz Jesu gelitten, und ihr Herz wurde vom Schwert durchbohrt (vgl. Lk 2,35). Die Gottesmutter aber war voller Freude über die Auferstehung ihres Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus, über seinen Sieg über Sünde und Tod. Beten wir, dass auch unsere Leiden zum Sieg des Frieden und der Gerechtigkeit geführt werden, vor allem in der Freude über die Auferstehung und das ewige Leben. Amen.