Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Ostersonntag - Weißer Sonntag - Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit
Apostolische Nuntiatur, 27. April 2025
(Apg 2,42-47; Ps 118; 1 Petr 1,3-9; Joh 20,19-31)
„Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
Liebe Brüder und Schwestern!
Der zweite Ostersonntag ist von großer liturgischer und theologischer Bedeutung. Er wird Weißer Sonntag genannt, denn die Neugetauften legten an diesem Sonntag ihr weißes Taufkleid ab, das sie seit der Osternacht während der Osterwoche getragen hatten. Seit dem Jahr 2000 ist dieser Tag sodann als Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit bekannt. Die Entscheidung hierzu traf der heilige Papst Johannes Paul II. am 30. April 2000 im Verlauf der Heiligsprechung von Schwester Faustina Kowalska, einer polnischen Mystikerin, die erfolgreich den Kult der göttlichen Barmherzigkeit förderte und dessen biblischen und kirchlichen Grundlagen erkennen ließ.
Im Bewusstsein dieses Zusammenhanges können wir außerdem erkennen, dass die biblischen Lesungen dieses Sonntags, mit dem die Osteroktav schließt, einen großen exegetischen, theologischen und spirituellen Reichtum enthalten. Das ergibt sich aus dem Hochfest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, der Quelle der lebendigen christlichen Hoffnung. Bei unseren Überlegungen konzentrieren wir uns auf das heutige Evangelium, das auch sehr inhaltsreich ist, und zeigen einige wichtige Aspekte für unser Glaubensleben, wie für das Leben der Kirche.
„Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
Wir beginnen mit dieser Glaubensaussage des heiligen Apostels Thomas, denn sie ermuntert uns, sie ebenfalls als Zeugnis dafür abzulegen, dass der auferstandene Herr Jesus Christus nicht nur Mensch ist, sondern Gott. Denn weil er Gott war, konnte er von den Toten auferstehen, „als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20), um uns das Tor zum ewigen Leben zu öffnen. Weil Jesus auferstanden ist, werden auch wir zum Leben ohne Ende und zur seligen Schau Gottes auferstehen. Doch Thomas hat nicht sogleich an die Auferstehung Jesu geglaubt. Diese Haltung beschreibt die Schwierigkeit, mit dem auch die Apostel auf die unerhörte Nachricht reagieren, ihr Meister, der zum Tod am Kreuz verurteilt worden war, sei zum Leben zurückgekehrt und auferstanden. Thomas stellte konkrete Bedingungen, um Jesus als den Auferstandenen anzuerkennen: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25). Thomas hatte verstanden, dass die Wunden, die Jesus durch Folter, Leiden und Tod beigefügt wurden, der Beweis für seine Auferstehung sein mussten. Als er den Herrn mit seinen Wunden an den Händen und der Seite sah, gab er die Zweifel auf und legte das schöne Glaubensbekenntnis ab: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Unter der Führung des Heiligen Geistes hat der Apostel auch die Göttlichkeit des auferstandenen Herrn Jesus anerkannt, der im Abendmahlssaal gegenwärtig war. Die Worte, die der Herr an Thomas richtet, sind auch für uns wichtig. Zunächst wirft er ihm vor: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du“, um sodann zu ergänzen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Jesus unterstreicht die Bedeutung des Glaubens für seine Jünger. Er ist vor allem eine Gabe Gottes, doch setzt dieses göttliche Handeln das offene Herz und den bereiten Geist des Menschen voraus. Indem wir dem Glauben der Apostel und der Kirche vertrauen, können auch wir an die Auferstehung Jesu glauben, auch wenn wir ihn leibhaftig nicht gesehen haben. Seine Wunden aber erkennen wir in den Kleinsten dieser Welt, den Kranken und Armen, den Gefangenen und Migranten, den Verfolgten und Gefolterten, mit denen sich der Herr identifiziert (vgl. Mt 25,35-44). Wir begegnen dem Lebendigen im Wort Gottes und in den Sakramenten, vor allem im Sakrament der Versöhnung und dem der Eucharistie, wie auch in den Werken der Liebe. Wir wissen um die Schwachheit unseres Glaubens und bitten den auferstandenen Herrn: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben“ (Mk 9,24).
Die Auferstehung des Herrn Jesus ist die Quelle der Freude, der Born des Friedens und der Grund kirchlicher Dynamik.
„Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20).
Die Freude ist eine der wichtigen Charakteristika der Auferstehung Jesu Christi. Im heutigen Evangelium haben wir die Feststellung des Evangelisten gehört: „Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Dabei handelt es sich um die erste Reaktion der Apostel, denn sie waren „aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen“ (Joh 20,19). Nachdem der Herr Jesus sie gegrüßt hatte und seine Hände und seine Seite zeigte, wurden sie von Freude erfüllt. Auch der Eingangsvers ermuntert uns zur Freude, wenn es heißt: „Freut euch und dankt dem Herrn, der euch zu sich gerufen hat. Halleluja“ (Esr 2,36-37). Das Hochfest der Auferstehung des Herrn Jesus soll uns mit großer Freude erfüllen, wozu uns auch der Apostel Petrus ermuntert: „Glaubt an ihn und jubelt in unaussprechlicher und von Herrlichkeit erfüllter Freude, da ihr das Ziel eures Glaubens empfangen werdet: eure Rettung“ (1 Petr 1,9).
„So sende ich euch“ (Joh 20,21).
Es ist der Freude eigen, dass man sie teilen will. Den Grund unserer Freude wollen wir anderen, seien sie nah oder fern, mitteilen. Der Herr Jesus ließ sich nicht von verschlossenen Türen abhalten. Er ist auferstanden und übersteigt die Kategorien von Raum und Zeit. Daher kann Jesus an jedem Ort der Welt erscheinen; Er kann das Herz einer jeden Person berühren, auch jener Menschen, die derzeit noch ganz weit weg von seiner Kirche sind. Doch bei diesem Werk der Evangelisierung, das heißt bei der Verkündigung des Evangeliums braucht er unsere Hilfe. Deswegen hat der Auferstandene den Aposteln die Mission der Verkündigung anvertraut: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Jünger verstanden den Willen des Herrn gut. Sie blieben nicht hinter den verschlossenen Türen des Abendmahlssaales, an jenem sicheren Ort, sondern gingen hinaus und predigten ohne Furcht vom Ereignis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn und sagten unter anderem: „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Die kleine Gemeinschaft von Jerusalem wuchs dank des Wirkens des Heiligen Geistes beständig an Zahl. Und dank der Kraft des Wortes und der Gnade Gottes waren sie imstande, Heilungswunder an Leib und Seele zu wirken.
Auch wir, liebe Schwestern und Brüder, sollen als Zeugen der Auferstehung des Herrn Jesus eine neue Dynamik entwickeln, vor allem bei der Mitwirkung einer neuen Evangelisierung in unserer säkularisierten Welt.
„Friede sei mit euch“ (Joh 20,19.21).
Frieden ist die große Botschaft von Ostern. Im kurzen Abschnitt des Johannesevangeliums grüßt der Auferstandene zweimal mit dem den Juden geläufigen Gruß: „Der Friede sei mit euch“. Im Munde Jesu bekommt dieser Gruß eine ganz neue Bedeutung. Er bietet an erster Stelle einen inneren Frieden, den geistlichen, der sich mit den Worten ausdrückt: „Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Der Friede, den der Herr verheißt, ist jener, den wir im Sakrament der Versöhnung empfangen. Dieser ist wesentlich, denn jeder von uns, jeder Christ möge im Frieden mit Gott, sich selbst und mit dem Nächsten sein. In dieser Osterzeit wollen wir daher die Wichtigkeit der Beichte auf neue Weise entdecken, die uns der gute und barmherzige Gott zur Verfügung stellt. In der Fastenzeit war sie eher durch Umkehr und Buße gekennzeichnet. In der Osterzeit schenkt sie darüber hinaus die Aspekte der Auferstehung und des ewigen Lebens, das schon in dieser Welt für alle jene beginnt, die tief geeint mit dem Herrn Jesus sind.
Die Christen und die ganze Kirche sind daher verantwortlich „das Evangelium des Friedens“ (Eph 6,15) zu predigen und den Frieden in der Welt zu fördern. Es handelt sich dabei um eine sehr aktuelle Aufgabe, denn unsere Welt ist gegenwärtig leider von vielen Kriegen, von Terrorismus und Gewalt gezeichnet. Bitten wir demütig den Herrn Jesus, den Fürst des Friedens, um Frieden für alle Länder, die unter den schlimmen Folgen dieser Situationen leiden, die der Würde der menschlichen Person und der Völker unwürdig sind.
Vertrauen wir diese Reflektionen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Himmelskönigin und der Königin des Friedens, damit wir wie der Apostel Thomas in Jesus unseren Herrn und Gott erkennen, uns über seine Auferstehung und seine Gegenwart unter uns von Herzen freuen und diese gute Nachricht mit neuer Dynamik verkünden, um immer mehr Menschen des Friedens und der Barmherzigkeit zu werden und so zum Spiegelbild Gottes, „der reich ist an Erbarmen“ (Eph 2,4). Amen.