Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Ostersonntag
Apostolische Nuntiatur, 16. April 2023
(Apg 2,42-47; Ps 118; 1 Petr 1,3-9; Joh 20,19-31)
Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit
„Friede sei mit euch“ (Joh 20,19).
Liebe Brüder und Schwestern!
Die ersten Worte des auferstandenen Jesus Christus sind: „Friede sei mit euch“. Der Herr wiederholt sie im Abschnitt des Johannesevangeliums dreimal. Es ist die große Gabe der Auferstehung, die das Herz des Menschen umzuwandeln vermag und somit in der Folge die Menschheit. Um den Frieden zu erlangen, um dem auferstandenen und in seiner Kirche gegenwärtigen Herrn zu begegnen, ist nötig, den Glauben zu haben. Wir wollen vor allem diese beiden Gaben des gestorbenen und auferstandenen Herrn an diesem Sonntag bedenken, die in der Geschichte der Kirche durch verschiedene Bedeutungen bereichert worden sind. Am heutigen achten Ostertag feiert die Kirche den zweiten Ostersonntag, auch Weißer Sonntag genannt, denn die an Ostern Neugetauften trugen ihr weißes Taufkleid während der ganzen Woche und legten es an diesem Sonntag ab. Seit dem Jahr 2000 feiern wir an diesem Sonntag das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit. Dies hat der heilige Papst Johannes Paul II. am 30. April 2000 bei der Heiligsprechung von Schwester Faustina Kowalska (1905-1938) entschieden, einer polnischen Mystikerin, die sich sehr für die Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit eingesetzt hat.
Die ganze Heilsgeschichte ist Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes, die sich im Laufe der Jahrhunderte auf vielfache Weise zeigte. Sie erreichte ihren Höhepunkt in der Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus, vor allem in seinem österlichen Geheimnis des Leidens und Sterbens und seiner Auferstehung. Öffnen wir unsere Herzen für das Wirken des Heiligen Geistes, den der auferstandene Herr in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), um die reichen Früchte seiner Auferstehung empfangen zu können, vor allem den Frieden (I) und den Glauben (II).
1. „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19).
Am Abend des Tages der Auferstehung, dem Sonntag, erscheint der Herr Jesus seinen Jüngern und schenkt ihnen den Frieden. Der Tod des Meisters schmerzte, und sie hatten sich voller Furcht im Abendmahlssaal hinter fest verschlossenen Türen versammelt (vgl. Joh 20,19). Den verwirrten und furchtsamen Aposteln begegnet der auferstandene Herr mit dem Gruß: „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19). Es handelt sich dabei um eine besondere Gabe, die nur der Auferstandene zu geben vermag. Daher wiederholt er diesen Gruß und sagt: „Friede sei mit euch“ und fügt bedeutsame Worte über die Sendung der Apostel hinzu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Jünger sollen sich nicht länger an einem sicheren Ort verstecken, sondern aufbrechen und öffentlich wirken, sich auf den Weg machen und der ganzen Welt die Großtaten verkünden, die Gott durch seinen geliebten Eingeborenen Sohn Jesus Christus getan hat. Daher vertraut der auferstandene Herr den Aposteln diese wichtige Mission an und dadurch allen Christen, jedem Jünger Jesu Christi, der diesen Ruf in der Taufe empfangen hat. Damit diese Verkündigung fruchtbar wird, schenkt der auferstandene Jesus den Jüngern die Gabe des Heiligen Geistes: „Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Der Heilige Geist vermag die Herzen der Gläubigen zu verwandeln, vor allem durch das Sakrament der Versöhnung. Um Friedensbringer sein zu können, müssen die Christen im Frieden mit Gott, mit sich selbst und dem Nächsten leben. In dieser Osterzeit wollen wir daher erneut die Beichte in ihrer Bedeutung begreifen, die uns der gute und barmherzige Gott zur Verfügung stellt.
Die Kirche, die dem Sendungsbefehl des Auferstandenen treu ist, verkündet immerfort „das Evangelium vom Frieden“ (Eph 6,15). Der Friede beginnt in den Herzen der Gläubigen, die im Bußsakrament von Hass und Vergeltung befreit werden, um sodann den Frieden dort zu verbreiten, wo der versöhnte Mensch lebt und arbeitet, in Familie und Gemeinschaft. In der Folge sollte sich der Friede, der im Herrn, der gestorben und auferstanden ist, sein Fundament hat, in die Gesellschaft hinein verbreiten und die ganze Welt erfassen. Wir haben diesen Frieden heute dringend nötig, vor allem angesichts der Tragödien vieler Kriege weltweit und so auch in vom Krieg geschundenen Ukraine, das seit über einem Jahr Opfer der Aggression der mächtigen Russischen Föderation ist. Wir beten demütig, aber voller Vertrauen zu Jesus Christus, dem Fürst des Friedens, um Frieden für alle Länder, die unter Gewalt und Krieg leiden, darunter Ukraine, wo die Mehrheit der Bevölkerung Christen sind und die mit uns das Geheimnis von Tod und Auferstehung unseres Jesus Christus feiern.
2. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29).
Mit diesen Worten unterstreicht der Herr Jesus die Bedeutung des Glaubens im Leben aller, nicht nur in dem des Apostels Thomas. Der Glaube ist vor allem eine Gabe des auferstandenen Herrn, wovon Thomas, einer der Zwölf, profitieren konnte. Sein Unglaube sollte auch uns dabei helfen, die Gabe des Glaubens anzunehmen, seine Bedeutung zu entdecken und mit der Gnade Gottes zu stärken. In der Anerkenntnis der Gebrechlichkeit unsers Glaubens, flehen wir zu Jesus wie der Vater eines kranken Kind: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben“ (Mk 9,24). Wir brauchen die Hilfe der göttlichen Gnade, um unseren schwachen Glauben zu kräftigen, indem wir dem Beispiel des heiligen Thomas folgen. Als er die Seitenwunde berührte und die liebevolle Stimme des Herrn hörte, überkam ihn augenblicklich die Erleuchtung, nahm er die Gabe des Glaubens an und legte das schönste der Bekenntnisse des Glaubens an die Auferstehung ab: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Der Einwand des Herrn: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ dient uns allen als Mahnung und Lehre. Auch wenn wir Jesus nicht physisch sehen, haben wir doch die Möglichkeit, ihm mit Hilfe des Glaubens zu begegnen, vor allem im Wort Gottes, in den Sakramenten, insbesondere in der Eucharistie, wie auch in den Werken der Liebe.
Das Wort Gottes, das wir gehört haben, erinnert uns daran, dass der Glaube eine Quelle der Freude und der christlichen Gemeinschaft ist. Das Wort Gottes erinnert, dass „sich die Jünger freuten, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Der heilige Petrus ermuntert: „Jubelt in unaussprechlicher und von Herrlichkeit erfüllter Freude, da ihr das Ziel eures Glaubens empfangen werdet: eure Rettung“ (1 Petr 1,8-9). Was die Gemeinschaft angeht, erinnern wir der Worte der Apostelgeschichte: Die Brüder „hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42).
Der Glaube lässt uns schon jetzt am Leben des auferstanden Herrn Jesus Christus teilhaben. Er selbst versichert: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Diese Worte strahlen umso heller im Licht der glorreichen Auferstehung unseres Herrn Jesus. Durch die Taufe und die übrigen Sakramente sind wir mit ihm vereint und haben schon jetzt Teil am ewigen Leben, das sein Sieg über Sünde und Tod bewirkt hat.
Als „mit Christus auferweckt“, liebe Brüder und Schwestern, wollen wir streben „nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 1,3). Bis wir die ewige Heimat erreicht haben, wollen wir glaubwürdige Zeugen des auferstandenen Herrn in unserem persönlichen, familiären und sozialen Leben werden. Dank der Gabe des Heiligen Geistes können auch wir unseren Glauben an Jesus Christus beleben, wenn wir wie der heilige Thomas erkennen und bekennen: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Vertrauen wir all das der Fürsprache des seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Himmels, damit wir als gläubige Menschen leben und um uns herum die Gaben des auferstanden Herrn verbreiten: den Frieden, die Freude, die Liebe, indem wir ohne Ende verkünden: „Seine Huld währt ewig!“ (Ps 118,1.2.3.4.29). Amen.