Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 15. Januar 2023

(Jes 49,3.5-6; Ps 40; 1 Kor 1,1-3; Joh 1,29-34)

„Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29).

Liebe Schwestern und Brüder,

der Abschnitt des Johannesevangeliums, den wir gehört haben, verbindet sich mit dem letzten Sonntag, mit dem Fest der Taufe des Herrn. Dieses bedeutsame Ereignis, das den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu anzeigt, haben wir nach der Beschreibung des Evangelisten Matthäus bedacht. Nunmehr wird die Taufe vom Evangelisten Johannes geschildert, der als Jünger von Johannes dem Täufer Augenzeuge des Geschehens war. Wir öffnen uns der Gnade des Heiligen Geistes und verweilen besonders bei der ersten Aussage des Vorläufers. Als er Jesus auf sich zukommen sah, sagte er: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Johannes der Täufer erkennt, dies Bekenntnis inspiriert vom Heiligen Geist abgelegt zu haben. Er kannte Jesus bis dahin nicht, doch wurde ihm offenbart, dass Er es sei, auf den der Heilige Geist herabsteigt. Und Johannes gibt Zeugnis von seiner Mission, die er vollbringt, indem er den Willen Gottes tut: „Er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft“ (Joh 1,33). Die Taufe des Johannes mit Wasser hatte also auch zum Ziel, den Messias Israels zu erkennen (vgl. Joh 1,31), der viel größer ist als Johannes, wie er selbst sagte: „Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war“ (Joh 1,30).

Im Licht dieser Worte des Täufers Johannes bekommt die Aussage: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29) eine besondere Bedeutung, bei der wir in zwei Schritten verweilen wollen.

-Seht das Lamm Gottes.

Der Vorläufer Johannes verwendet dieses Bild, um zu unterstreichen, dass sich Jesus, der Messias, inmitten seines Volkes befindet. Es ist nicht mehr eine Verheißung, die sich auf kommende Ereignisse bezieht und sich in künftigen Jahren oder Jahrhunderten verwirklicht. So hat beispielsweise der Prophet Jesaja die Geburt des Messias in einer nicht näher bestimmten Zukunft angekündigt: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, in junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht“ (Jes 11,1). Nunmehr aber ist die Zukunft gegenwärtig, die Verheißungen sind erfüllt und Johannes verkündet voll Freude: „Seht das Lamm Gottes“ (Joh 1,29.36).

Das Lamm Gottes ist das Opfer, das die Sünde tilgt. Diese Bestimmung ist im Alten Testament gut bezeugt. Erinnern wir zum Beispiel an das Paschalamm, das die Juden aus den Schafen oder Ziegen nach sehr klaren Kriterien auswählen sollten: „Nur ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm darf es sein“ (Ex 12,5). Mit seinem Blut sollten sodann der Türsturz und die Türpfosten ihrer Häuser bestrichen werden, um so durch den Tod eines Lammes dem Tod zu entgehen. Die Glieder des erwählten Volkes sollten darüber hinaus täglich am Morgen und bei Sonnenuntergang ein Lamm zum Opfer bringen (vgl. Ex 29,38-39). Die Opfertiere waren offensichtlich ohne Bewußtsein und hatten somit keine tiefere Beziehung zu Gott und zum Nächsten. Es überrascht daher nicht, dass im Hebräerbrief näher ausgeführt wird, dass Gott diese Tieropfer nicht mehr gefielen: „Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden“ (Hebr 10,8). Darum bringt sich Jesus Christus selbst und sein Leben zum Opfer dar, nunmehr in vollem Bewußtsein, von der Liebe zu Gott und den Menschen gekennzeichnet, jene Liebe, die bis zum Ende liebt (vgl. Joh 13,1), wenn er sagt: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Hebr 10,9). Mit diesen vom Heiligen Geist eingegebenen Worten verstehen wir die wahre Bedeutung der Bezeichnung vom Lamm Gottes, das von Johannes dem Täufer und von der Kirche auf Jesus Christus übertragen worden ist.

-Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.

Ohne in die Diskussion zur Übersetzung von Sünde (Singular) oder Sünden (Plural) einzugehen, ist wichtig, die universale Dimension des Opfers Jesus Christi zu unterstreichen. Die Juden bezogen sich auf die Glieder des erwählten Volkes, wenn sie an die Vergebung der Sünden dachten. So hatte JHWH versprochen: „Denn ich vergebe ihre Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ (Jer 31,34). Nun aber weitet Johannes der Täufer diese Vision und unterstreicht, dass das Lamm Gottes die Sünde der Welt hinwegnimmt. Somit erweitert sich die Heilsperspektive von Israel auf die ganze Welt. Die ganze Welt ist von der Sünde befleckt und hat das Heil nötig, das Jesus durch sein Opfer im Ostergeheimnis ermöglicht. Schon der Prophet Jesaja, von dem wir in der ersten Lesung hörten, verkündet diesen universalen Charakter des Heils: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht der Nationen; damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (Jes 49,6).

Liebe Brüder und Schwestern, jedes Mal, wenn wir die Heilige Messe mitfeiern, hören wir vor der heiligen Kommunion die Worte des Täufers Johannes, die er einst bei der Taufe des Herrn Jesus am Jordanfluss gesprochen hat, und vom Priester gesprochen werden, der sie somit in die Gegenwart bringt. Ja, das makellose Lamm Gottes zu unserem Heil ist Jesus Christus, der Sohn Gottes und Menschensohn, der sich uns immer wieder zur Lebensspeise gibt im Sakrament der heiligen Eucharistie. Danken wir von ganzem Herzen dem dreieinen Gott für diese große Gabe seiner Güte und Barmherzigkeit. Zugleich erbitten wir auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria die Gnade des Heiligen Geistes, dass der Leib des Lammes Gottes, den wir in der Kommunion empfangen, unser persönliches, familiäres und soziales Leben verwandeln möge, damit auch wir, wie die Apostel, Zeugen des für uns gestorbenen und auferstandenen Herrn werden können, der inmitten seiner Kirche und unter uns, die wir seine Jünger sind, gegenwärtig ist. Amen.

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