Predigt von Nuntius Eterovic am 15. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 13. Juli 2025
(Sir 3,17-18.20.28-29; Ps 68; Hebr 12,18-19.22-24; Lk 14,1.4-14)
„Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11).
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Wort Gottes an diesem 22. Sonntag im Jahreskreis belehrt uns über das rechte christliche Verhalten, das wir mit zwei Worten anzeigen können: Demut und Großherzigkeit. Besondere Beachtung verdient die Lehre Jesu Christi im Abschnitt des Lukasevangeliums. Hierzu ist wichtig, den Kontext zu beachten, in dem der Herr spricht. Denn er „kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen“ (Lk 14,1), also am wöchentlichen Feiertag der Juden. Bedeutsam ist auch eine zweite Bemerkung mit Blick auf Jesus: „Da beobachtete man ihn genau“ (Lk 14,1). Er war also bekannt und die zum Essen Anwesenden achteten besonders auf seine Worte und auf die Art und Weise seines Verhaltens. Die Tatsache, dass der Herr zu Gast bei einem der Pharisäer war, zeigt, dass er auch mit Leuten dieser Gruppe in guter Beziehung gewesen ist, die für ihre strenge Beachtung von Gesetz und Tradition bekannt war. Ein bekannter Vertreter ist Nikodemus, der des Nachts kam, um Jesus zu treffen, wie der Evangelist Johannes berichtet (vgl. Joh 3,1-21). Auch Saulus, der dann zum Paulus wurde, war ein Pharisäer und Schüler des Gamaliëls (vgl. Apg 22,3). Jesus hingegen kritisierte das pharisäische Verhalten, ihr falsches und heuchlerisches Gehabe und ihr Beharren, bei ihrem Handeln mehr auf Förmlichkeiten als auf die Substanz zu achten.
Wir wollen uns der Gnade des Heiligen Geistes öffnen und die Lehre des Herrn zu verstehen suchen, die auch für uns gültig bleibt, sei es bei einer Einladung zum Essen oder wenn wir andere dazu einladen.
„Kind, bei all deinem Tun bleibe bescheiden“ (Sir 3,17).
Die Bescheidenheit oder Demut ist eine Tugend, die schon im Alte Testament geschätzt wird. In der ersten Lesung aus dem Buch Jesus Sirach schreibt der inspirierte Autor: „Kind, bei all deinem Tun bleibe bescheiden und du wirst geliebt werden von anerkannten Menschen“ (Sir 3,17). Die wahre Größe eines Menschen erfasst man in seiner Demut: „Je größer du bist, umso mehr demütige dich“ (Sir 3,18). Und Gott schätzt demütige Menschen, denn „von den Demütigen wird er gerühmt“ (Sir 3,20), weswegen sie vor dem Herrn Gnade finden (vgl. Sir 3,19), „denn groß ist die Macht des Herrn (Sir 3,20). Aus Erfahrung wissen wir im Allgemeinen, dass bescheidene Menschen sehr geschätzt werden, vor allem, wenn es sich um bekannte und respektable Persönlichkeiten mit menschlicher Bildung und professioneller Ausbildung handelt. Im Gegensatz dazu verachtet man gleichsam spontan hochmütige Leute, die nur von sich selbst überzeugt sind, selbst wenn sie gute wissenschaftliche Abschlüsse und fundiertes Wissen haben.
Das heutige Evangelium bewegt sich auf der gleichen Linie und bezieht sich auf jene, die zum Essen eingeladen sind. Jesus unterstreicht, dass der bescheidene Mensch Gott wohlgefällig ist, und Er wird einen Weg finden, ihn zu belohnen. Das Argument Jesu ist klug und reflektiert die menschliche Weisheit. Als er beobachtet, wie die eingeladenen Leute die ersten Plätze einnehmen wollten, warnte Jesus sie, damit sie keinen schlechten Eindruck machen. Besser ist es, den letzten Platz einzunehmen und so die Möglichkeit zu haben, dass der Gastgeber sagt: „Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen“ (Lk 14,10). Im Gegensatz dazu riskiert jener, der den ersten Platz einnimmt, eine öffentliche Demütigung: „Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen“ (Lk 14,8-9). Diese menschliche Erfahrung bietet Jesus die Gelegenheit zu der Aussage: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11).
Demut ist außerdem für das Glaubensleben wichtig. Es genügt, an die Ermahnung Jesu an die Zwölf zu erinnern: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35). Bei anderer Gelegenheit lehrte Jesus: „Wer dieses Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer unter euch allen der Kleinste ist, der ist groß“ (Lk 9,48). In den Evangelien verdienen zwei Personen besonderes Lob, die mit dem Leben Jesu eng verbunden sind: Johannes der Täufer, der Vorläufer sagt voller Überzeugung, indem er sich auf Jesus, den Messias bezieht: „Er muss wachsen, ich aber geringer werden“ (Joh 3,30). Die Mutter Jesu, die selige Jungfrau Maria war selig wegen ihrer Demut. Vom Heiligen Geist hat sie Gott gepriesen: „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48). Der heilige Paulus fragt zurecht die Gläubigen in Korinth, wie auch uns alle: „Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7). Der demütige Mensch befreit sein Herz von Hochmut und leerer Ehre, um Platz zu haben für Gott, um der Tempel des Heiligen Geistes zu werden (vgl. 1 Kor 6,19).
„Es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,14).
Der zweite Teil der Erzählung bezieht sich auf die Ermunterung zur selbstlosen Großherzigkeit. Sie meint vor allem den Herrn des Hauses, also jenen, der die Gäste einlädt. Jesus Christus stellt fest, dass es übliche und wechselseitige Einladungen zwischen Personen gleicher sozialer Schichten gibt. Es handelt sich um eine übliche Praxis, die jedoch keine besondere Bedeutung für das Himmelreich hat. „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten“ (Lk 14,12). Der Herr Jesus erwartet von seinen Jüngern viel mehr, eine größere Großzügigkeit: „Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein“ (Lk 14,13). Für dieses Verhalten mit Blick auf die Armen und Hilfsbedürftigen wird der großzügige Mensch von Gott schon auf dieser Erde gesegnet: „Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten“. Er wird glücklich sein, ein gutes Werk zugunsten der Hilfsbedürftigen getan zu haben. Andererseits verdient er für dieses Verhalten am Tag des Gerichtes den Preis, den Gott vergibt: „Es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,14).
Diese Worte des Herrn erinnern uns an seine Rede im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, wo sich Jesus mit jenen Menschen identifiziert, die eine besondere Sorge nötig haben: mit den Hungernden, den Dürstenden, den Flüchtlingen, den nur dürftig Bekleideten, den Gefangenen, den Kranken. Und er beschließt seine Rede und sagt: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Die Gerechten werden die Plätze zur Rechten des Menschensohnes einnehmen, der in seiner Herrlichkeit erscheint und Worte des Segens spricht: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34).
Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, damit jeder von uns den tiefen Sinn der Aussage des Herrn Jesus erfasst: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11), so dass er mit der Gnade des Heiligen Geistes Gott, den Vater in Demut und Großherzigkeit preisen möge, indem er allen beisteht, vor allem den Armen und an Leib und Seele Hilfsbedürftigen. Amen.