Predigt von Nuntius Eterovic am 29. Sonntag im Jahreskreis - LJ C
Apostolische Nuntiatur, 19. Oktober 2025
(Ex 17,8-13; Ps 121; 2 Tim 3,14-4,2; Lk 18,1-8)
„Allezeit beten und darin nicht nachlassen“ (Lk 18,1).
Liebe Brüder und Schwestern!
Aus dem Evangelium dieses 29. Sonntages im Jahreskreis treffen uns vor allem zwei Sätze des Herrn Jesus. Der erste Satz drückt sich als Gleichnis aus: „Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (Lk 18,1). Der zweite Satz ist als Frage formuliert: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ (Lk 18,8).
Öffnen wir uns der Gnade des Heiligen Geistes und bedenken wir diese beiden Aussagen, worin wir auch die erste Lesung aus dem Buch Exodus einschließen, denn dort wird die Bedeutung des Gebetes von Mose beschrieben.
„Allezeit beten und darin nicht nachlassen“ (Lk 18,1).
Um die Bedeutung des immerwährenden Gebetes zu unterstreichen, bedient sich der Herr Jesus jenes Gleichnisses, wo er die Beziehung einer Witwe mit einem Richter beschreibt. Die Witwe näher vorzustellen, war nicht notwendig, denn allen war klar, es handelte sich um eine jener armen Frauen, die ohne den Schutz eines Ehemannes lebten, keinen sozialen Einfluss hatten und somit keinen Druck auf einen Richter ausüben oder ihn bewegen konnten, sich ihrer Sache anzunehmen. Auf der anderen Seite wird der Richter in negativer Weise beschrieben, als ein Mann, „der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm“ (Lk 18,2). Er hatte wegen seines schlechten Verhaltens auch keine moralische Bedenken. Aus menschlicher Sicht hatte die Witwe keine Chance, in ihrer gerechten Sache angehört zu werden. Doch die Witwe beharrte auf ihrem Anliegen und ging immer wieder zu diesem Richter „und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher“ (Lk 18,3). Die Hartnäckigkeit der Witwe bewirkte, dass der Richter nachzudenken begann. Um nicht weiter belästigt zu werden, entschied er: „Weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen“ (Lk 18,5).
Für uns, liebe Schwestern und Brüder, ist die Schlussfolgerung des Herrn Jesus wichtig. Im Unterschied zur Witwe, die sich an einen Richter gewandt hat, der Gott nicht fürchtete, flehen wir in unseren geistlichen und materiellen Anliegen zu Gott, der unser Vater ist. Der Vater liebt seine Kinder und will ihnen gut, weswegen er ihre Gebete erhört. Das folgt aus den Worten Jesu: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen“ (Lk 18,7-8). Die Lehre des Herrn Jesus ist klar und deutlich: Gott erhört die Gebet seiner Gläubigen und verschafft Recht seinen Auserwählten, die sich Tag und Nacht an Ihn wenden. Mehr noch, der Herr versichert, dass Gott ihnen umgehend Recht verschafft.
Auch in der ersten Lesung wird die Wirksamkeit des fortdauernden Gebetes durch Mose unterstrichen. Er betet für das erwählte Volk, das im Kampf gegen die Amalekiter steht, einem Nomadenvolk, das vermutlich in Kanaan und der Negev-Wüste lebte. Das Gebet wird symbolisiert durch die Händen des Patriarchen Moses: „Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker; sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker“ (Ex 17,11). Seine beiden Begleiter fanden eine Lösung, dass die Hände von Mose nicht sanken: sie setzen ihn auf einen Steinblock und „Aaron und Hur stützten seine Arme, der eine rechts, der andere links, sodass seine Hände erhoben blieben“ (Ex 17,12). Auf diese Weise konnten die Hände oben bleiben bis zum Sonnenuntergang. „So schwächte Josua Amalek und sein Heer“ (Ex 17,13).
Wie die Witwe im Evangelium, so hat auch Mose vertrauensvoll und ohne Unterlass gebetet. Er hatte Vertrauen in JHWH, der sich ihm offenbarte und der für sein Volk eintrat. Er glaubte mehr der göttlichen Hilfe als an die Macht der Waffen, die im Kampf eingesetzt wurden. Über die Bedeutung des immerwährenden Gebetes hinaus lehrt uns die Haltung des Mose, dass langes Gebet auch zu Schwierigkeiten führen kann: Mose wurde müde, ständig seine Hände erhoben zu halten. Daher brauchte er die Hilfe seiner Begleitung. Auch wir brauchen in den Momenten der Niedergeschlagenheit und Krise die Unterstützung der kirchlichen Gemeinschaft. Auch im Umfeld des Gebetes findet ein Austausch statt: jeder Christ empfängt von der Gemeinschaft die geistlichen Gaben, doch auch er trägt mit seinen Dankgebeten, Bitten und dem Lobpreis dazu bei, sie zu bereichern. Wir sind nämlich alle durch die Taufe Glieder der heiligen Kirche Gottes und als Tempel des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 6,19) in den mystischen Leib Christi eingefügt (vgl. Joh 15,5).
„Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ (Lk 18,8).
Dieser Satz bekommt in unseren säkularisierten Gesellschaften eine besondere Bedeutung, in denen viele Menschen leben, als gäbe es Gott nicht (sicut Deus non daretur). Es kommen uns Gegenden in den Sinn, wo einst das Christentum in Blüte stand, wie beispielsweise in Nordafrika, und wo Christen heute nur noch als verschwindend kleine Minderheit leben. Wir müssen daher die Worte des Herrn Jesus ernst nehmen. Mit ihnen unterstreicht Jesus die Bedeutung des Glaubens für das christliche Gebet. Allein im Glauben kann sich der gläubige Mensch an Gott wenden und mit ihm eine vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehung aufbauen. Das Gebet unterstützt sodann den Glauben an den guten Gott und Freund des Menschen, mit dem er in einen ehrlichen und wirksamen Dialog eintreten will. Der Glaube erleuchtet den Christen, Gebete zu formulieren, die Gott angemessen sind. Es ist kein christliches Gebet, beispielsweise etwas Schlechtes auf den Nächsten herabzurufen. Im christlichen Gebet gibt es eine Rangfolge. Der Herr Jesus lehrt hierzu: „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Es genügt nicht, wie die Heiden zu beten, die es in Sorge um Essen, Trinken oder Kleidung tun (vgl. Mt 6,31-32). Auch die Christen haben als Männer und Frauen, die in dieser Welt leben, diese materiellen Dinge nötig, doch die diesbezüglichen Gebete müssen sich eingliedern in die Sorge um das Kommen des Reiches Gottes und durchdrungen sein vom Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten.
Der Glaube ist eine Gnade Gottes, doch der Mensch soll mitwirken, um ihn zu bewahren und diese Gnade zu stärken. Hierzu gibt es verschiedene Mittel: das regelmäßige Gebet, beispielsweise am Morgen und am Abend, das Lesen in der Bibel, die Mitfeier der Heiligen Messe an den Sonn- und Feiertagen, die konkrete Hilfe an Menschen, die der Hilfe an Seele und Leib bedürfen, das Lesen angemessener geistlicher Texte, zum Beispiel den Katechismus der Katholischen Kirche, um unseren Glauben besser zu kennen. Wir müssen daher das Mögliche tun, um das christliche Leben in unseren Ländern am Leben zu erhalten, auch über eine erneute Evangelisierung. Der Heilige Vater Leo XIV. erinnert daran: „Der Heilige Geist sendet uns aus, damit wir das Werk Christi an den Randgebieten der Welt fortführen, die bisweilen von Krieg, Ungerechtigkeit und Leid gezeichnet sind“. Sodann ermahnt er uns: „In diesem Vertrauen dürfen wir das Feuer der missionarischen Berufung in uns zu erneuern“ (Predigt, Petersplatz, 05. Oktober 2025). Indem wir unsere Gebrechlichkeit und unseren schwachen Glauben anerkennen, wenden wir uns mit großem Vertrauen an den Herrn Jesus und bitten ihn, wie es die Apostel getan haben: „Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,6). Mit einem lebendigen Glauben haben wir keine Zweifel über das Ergebnis unserer Gebete. Denn Jesus selbst hat uns verheißen, dass Gott uns nicht lange warten lässt: „Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen“ (Lk 18,8). Zuweilen greift er erst spät ein, um auf diese Weise unseren Glauben widerstandsfähiger zu machen. Sodann erhört uns Gott manchmal auf eine von uns unerwartete Weise. Doch Er weiß besser um uns und gibt uns daher, was wir wirklich brauchen für unser persönliches, familiäres und soziales Leben.
Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, damit uns der Herr die Wohltaten eines lebendigen Glaubens einsehen lässt, um sein Gebot zu erfüllen, fortwährend für uns, für die Kirche und die ganze Welt zu beten und darin nicht nachzulassen (vgl. Lk 18,1). Amen.
