Predigt von Nuntius Eterović am 3. Fastensonntag
(Ex 20,1-17; Ps 19; 1 Kor 1,22-25; Joh 2,13-25)
Berlin, 4. März 2018
„Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten!“ (Joh 2,19).
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Wort Gottes an diesem 3. Fastensonntag ist sehr reich. Die erste Lesung bietet uns den Dekalog, die zehn Gebote, das Zeichen der Gegenwart der Liebe von JHWH zu seinem erwählten Volk, von dem Gott die treue Erfüllung der Gebote erwartet. In der zweiten Lesung preist der Heilige Paulus die Weisheit des Kreuzes, „für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,23-24). Wir werden uns aber vor allem auf das heute Evangelium des Heiligen Johannes konzentrieren, das uns von Jesus in Jerusalem berichtet (I), der mit den Verantwortlichen des Tempelkultes streitet (II) und der ein Zeichen setzt, um seine Autorität zu zeigen (III).
1. Jesus in Jerusalem.
Der Evangelist Johannes beschreibt verschiedene Wallfahrten Jesu nach Jerusalem. Was wir gehört haben, meint seine erste zu Beginn seines öffentlichen Wirkens. Der Evangelist gibt auch den präzisen Zeitpunkt an: „Das Paschafest der Juden war nahe“ (Joh 2,13). Der Tempel in Jerusalem war das religiöse und kulturelle Zentrum des jüdischen Volkes. Der erste Tempel wurde von Salomon im 10. Jahrhundert vor Christus gebaut und vom babylonischen König Nebukadnezar II. zerstört. Nach der Rückkehr aus der Verbannung in Babylon im Jahr 515 wurde der zweite Tempel errichtet. Zurzeit von König Herodes erfuhr dieser zweite Tempel eine beachtliche Erweiterung, die im Jahr 19 vor Christus begonnen und erst im Jahr 64 nach Christus vollendet wurde. Wie bekannt zerstörte der zukünftige römische Kaiser Titus den Tempel in Jerusalem im Jahre 70 nach Christus. Der Tempel wurde danach nie wieder aufgebaut. Es ist nur noch die Westmauer der Tempelanlage sichtbar, die auch als Klagemauer bekannt ist. Daher bezieht sich Jesus auf den zweiten Tempel, dessen Erweiterung Herodes der Große begonnen hatte und die nach den Worten der Juden 46 Jahre dauerte (vgl. Joh 2,20).
2. Jesus reinigt den Tempel.
„Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“ (Joh 2,16). Mit diesen Worten warf Jesus die Leute aus dem Tempel, die dort Rinder, Schafe und Tauben verkauften oder als Geldwechsler tätig waren; „das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um“ (Joh 2,15). Diese heftige Reaktion Jesu auf das Gewerbetreiben im Zusammenhang mit den Opfern hat viele der Verantwortlichen des Tempels und auch das Volk überrascht. Mit seiner Geste hat Jesu die Diskussion über das Wesen des Kultes entzündet, der darin bestand, im Tempel Tieropfer darzubringen. Mit der Zeit war diese Praxis schändlich geworden und bekam immer mehr geschäftsmäßige Züge; die Anbetung Gottes war formal, äußerlich geworden. Dadurch, daß Jesus das Geld auf den Boden im Atrium des Tempels warf, kann man auf seinen Kampf gegen das Geld als Götzen schließen, was im Gegensatz zur wahren Anbetung Gottes steht. Die Reaktion der Jünger war von der des Volkes unterschieden. Sie erinnerten sich der Worte der Schrift: „Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren“ (Joh 2,17), die aus Psalm 68,10 stammen. Die Jünger haben bei ihrem Meister in der Sorge um die Reinigung wahrgenommen, daß dadurch die Anbetung der Majestät von JHWH würdiger werden solle.
3. Das Zeichen Jesu.
Angesichts des unerwarteten Handelns Jesu, der dadurch das Kultsystem kraftvoll in die Krise führte, wollten die Juden wissen, mit welcher Autorität er so etwas tut. „Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?“ (Joh 2,18). Die Antwort Jesu hat die Anwesenden überrascht: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Die Juden konnten die Bedeutung der Worte Jesu nicht erfassen, denn sie dachten an den materiellen Tempel von Jerusalem, während Jesus „aber meinte den Tempel seines Leibes“ (Joh 2,21). Das haben seine Jünger verstanden, jedoch erst nach seiner Auferstehung von den Toten.
Die Worte Jesu waren prophetisch. Nach seinem Tod und seiner Auferstehung hatte der Tempel von Jerusalem seinen ursprünglichen Sinn verloren. Deswegen wurde er, wie schon gesagt, von den Römern im Jahre 70 zerstört. Die schwere Beschuldigung Jesu während des Prozesses, wo er zum Tode verurteilt wurde, bezog sich auf den Jerusalemer Tempel. Nach den Anklägern hätte er gesagt: „Ich werde diesen von Menschenhand gemachten Tempel niederreißen und in drei Tagen einen anderen aufbauen, der nicht von Menschenhand gemacht ist“ (Mk 14,58). Diese Beschuldigung war falsch, denn Jesus hatte gesagt: „zerstört diesen Tempel“, was sich auf die Juden bezog, die ihn umgebracht hatten. Zugleich verkündete er seine Auferstehung: „In drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ und somit wird sein Auferstehungsleib zum neuen Tempel. Jesus selbst hatte angekündigt: "Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden“ (Joh 4,23).
Liebe Brüder und Schwestern, wir danken Gott, daß er uns in Seinem eingeborenen Sohn den neuen und einzigen Tempel geschenkt hat, wodurch wir dem Vater in der Gnade des Heiligen Geistes mit Gewissheit begegnen können. Wir danken dem dreieinen Gott, weil dieser Tempel nicht weit weg von uns ist. Wir begegnen ihm in der heiligen Kirche Gottes, welche der mystische Leib des Herrn Jesus ist (vgl. Kol 1,24), dessen Haupt Er ist, Jesus Christus (vgl. Eph 5,23). Durch die Kirche wird uns die Fülle der Gnade über das Wort Gottes und insbesondere über die Sakramente geschenkt. Der Heilige Paulus lehrt darüber hinaus, daß wir selbst, unsere Leiber, Glieder Christi sind (1 Kor 6,15) und unser Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist (vgl. 1 Kor 6,19). Gemeinsam mit dem Heiligen Paulus danken wir Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist für das Große der christlichen Berufung. Unser Gebet hat nicht mehr einen materiellen Tempel nötig, der von Menschenhand gemacht wurde, sondern wir haben Jesus Christus, die Kirche und uns selbst, unseren Leib, insofern er Tempel des Heiligen Geistes ist. Daher mahnt der Heilige Paulus: „Eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen - als euren geistigen Gottesdienst“ (Röm 12,1). Jesu neuer Tempel der Begegnung mit dem dreieinen Gott entspringt dem Ostergeheimnis. In dieser Fastenzeit bedenken wir oft diese Wahrheit und beleben die Worte des Völkerapostels, wenn er festhält: „Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden“, daher gilt die Ermahnung: „Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6,19).
Vertrauen wir unsere guten Vorsätze der Fürsprache der Seligen Jungfrau Maria an, Jesu Mutter und Mutter der Kirche. Auf daß sie uns helfe, Jesus Christus zu begegnen, dem Tempel des lebendigen Gottes, und ihrem und unserem Heiland auf dem Kreuzweg zu folgen, um gemeinsam die Freude der Auferstehung zu teilen und einen Tag des ewigen Lebens. Amen.