Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Ostersonntag zur Wiedereröffnung des Bonner Münsters

Münsterbasilika zu Bonn, 1, Mai 2022

(Apg 5,27b-32.40b-41; Ps 30; Offb 5,11-14; Joh 21,1-19)

Bonner Münster, 01. Mai 2022

„Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden“ (Joh 21,6).

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Liturgie des dritten Ostersonntags ermuntert uns, die Freude darüber, dass der Herr Jesus über Sünde und Tod gesiegt hat, mit allen Christen weltweit zu teilen, mehr noch mit allen Menschen guten Willens, die zurecht den Grund unserer Hoffnung kennen sollen (vgl. 1 Petr 3,15), damit auch sie Jesus Christus begegnen und seine Jünger werden können. Aus diesem Recht der Nichtchristen oder jener Christen, die sich von der Kirche und dem Glauben entfernt haben, ergibt sich unsere Pflicht, ihnen den verherrlichten Namen des Herrn Jesus zu verkünden, damit sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und zum Heil gelangen (vgl. 2 Tim 2,4). Die beste Weise dieser Verkündigung ist das Zeugnis eines persönlichen, familiären und sozialen christlichen Lebens.

Kurz möchte ich bei der Wiedereröffnung dieser über Bonn hinaus bedeutsamen Münsterbasilika verweilen (I), um dann auf die biblischen Lesungen einzugehen, die den wunderbaren Fischfang aufgrund des Eingreifens Jesu und die besondere Berufung des Simon Petrus beschreiben (II), wie auch die Ankündigung seines Zeugnisses bis hin zum Martyrium (III).

1. Wiedereröffnung des Bonner Münsters St. Martin

Bei dieser festlichen Eucharistie nehmen die biblischen Lesungen Bezug auf den heiligen Petrus, den ersten der Apostel, was auch die Bedeutung von Papst Franziskus unterstreicht, die er als 265. Nachfolger Petri in der Kirche als Symbol ihrer Einheit in Liebe innehat. Dies passt gut zu dieser Basilika, welche die Reliquien der heiligen Bonner Stadtpatrone Cassius und Florentius beherbergt und die nach Jahren der Generalsanierung wiedereröffnet worden ist. Papst Pius XII., der erste Apostolische Nuntius in Deutschland, erhob diese ehrwürdige Kirche im Jahr 1956 zur Basilica minor, um das enge Band mit dem Heiligen Stuhl in Rom zu unterstreichen. Diese kostbare Kirche unter dem Patronat des Heiligen Martin, dem Zeugen christlicher Liebe, ist der Apostolischen Nuntiatur wichtig, denn sie war mit ihr in jener Zeit eng verbunden, als Bonn Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland war und viele Botschaften, auch die des Heiligen Stuhls, ihren Sitz in dieser schönen und ruhigen Stadt hatten. Ich danke herzlich Herrn Stadtdechanten Dr. Wolfgang Picken für die freundliche Einladung, dieser Eucharistiefeier vorzustehen. Das gibt mir die Gelegenheit, Euch allen die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus zu übermitteln, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche. Am Ende der Heiligen Messe erteile ich in seinem Namen den Apostolischen Segen, Euch, die ihr hier seid, aber auch allen, die Euch lieb sind oder die aus Krankheitsgründen nicht an dieser Feier teilnehmen können.  

2. „Werft das Netz auf der rechten Seite aus“ (Joh 21,6).

Das heutige Evangelium beginnt damit, jene Tätigkeit des Petrus zu beschreiben, die er und seine Gefährten vor dem Ruf durch den Herrn Jesus ausgeübt hatten, denn sie gingen fischen. Auffallend sind die Sätze von Petrus und Jesus, der zwischenzeitlich unerkannt unter den Jüngern erschienen war. Es gibt eine gewisse Parallelität der Aussage des Petrus zu seinen Gefährten: „Ich gehe fischen“ (Joh 21,3), jedoch nichts fangen konnte, und dem Wort Jesu: „Werft das Netz auf das rechten Seite aus und ihr werdet etwas finden“ (Joh 21,6), was einen reichen Fischfang brachte. Die Bedeutung ergibt sich von selbst. Denn Petrus und seine Gefährten setzen bei ihrem Vorhaben nur auf sich und ihre Fähigkeiten und erreichen trotz aller Bemühungen nichts. Als sie dann der Aufforderung des Herrn folgten, den sie immer noch nicht erkannt hatten, gab es einen derart reichen Fischfang, so dass sie das Netz nicht einholen konnten, „so voller Fische war es“ (Joh 21,6). Der erste, der bemerkte, dass jener Fremde Jesus ist, war der mit tiefer Einfühlungsgabe gesegnete Apostel Johannes, „der Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 21,7). Er sagte es dem Petrus. Als dieser „hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See“ (Joh 21,7), um als erster zum Meister zu gelangen. Als Jesus sagte: „Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt“ (Joh 21,10), ist es wiederum Petrus, der das Boot mit dem Netz ans Ufer brachte. Er „zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt“ (Joh 21,11).

Liebe Brüder und Schwestern, die Begegnung des Petrus und der übrigen Apostel mit dem Herrn Jesus bezieht sich auf jeden von uns und auf die ganze Kirche. Sie lehrt uns zunächst, dass wir ohne den gekreuzigten und auferstanden Herrn nichts tun können (vgl. Joh 15,5). Auf uns allein gestellt sind wir zwar in der Lage, große Projekte anzugehen, eindrucksvolle Programme zu erstellen und die kirchlichen wie sozialen Strukturen gut zu organisieren. Doch wie die Apostel erleben wir, dass sie im Ergebnis eher ungenügend sind. Sie haben die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen. Im Vertrauen auf das Wort des auferstandenen Herrn aber: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden“ (Joh 21,6) ändert sich alles. Der Fischfang wird so wunderbar reich, so dass die Apostel über die Güte des Herrn staunten, der reichen Fang selbst zu einer Zeit verheißt, die zum Fischen ungeeignet ist. Das geschieht auch in der Kirche, wenn sie sich ihrer ersten und dringenden Aufgabe der Evangelisierung zuwendet. Sie bringt reiche Frucht nur dann, wenn dieses Werk vom dreieinen Gott gesegnet ist und in Treue zu Jesus Christus vollbracht wird, der für uns und zu unserem Heil Mensch geworden ist. Dabei sind Strukturen und menschliche Mittel nützlich, doch sie müssen im Dienst am Evangelium stehen und den Werken der Liebe an unseren Schwestern und Brüdern, die der Hilfe bedürfen, helfen.

Eine zweite Lehre des Herrn Jesus betrifft unsere Teilnahme am eucharistischen Mahl. Wie einst am See von Tiberias bereitet uns Jesus „ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot“ (Joh 21,9). Das Feuer ruft sein Leiden in Erinnerung, das Feuer seiner Liebe zu uns bis zum Tod. Das Brot steht sodann für die Eucharistie, die der großen Liebe Jesu entspringt, der Feuer auf die Erde bringen wollte (vgl. Lk 12,49). Jesus aber verlangt unsere Mitwirkung. Darum hatte er zu den Aposteln gesagt: „Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt“ (Joh 21,10). Petrus trat vor und brachte sie (vgl. Joh 21,11). Und dann hören die Apostel die Einladung Jesu: „Kommt her und esst!“ (Joh 21,12), und sie ließen sich von Ihm bedienen: „Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch“ (Joh 21,13). Was aber ist der Beitrag, den Jesus von uns erwartet? Wir können das mit den Symbolen von Brot, Wein und Wasser zeigen, mit dem, was zur Feier der Eucharistie notwendig ist. Sehr viel mehr und wichtiger als diese materiellen Dinge ist unsere Präsenz bei der Feier der Heiligen Messe an den Sonn- und Feiertagen. Wir sollten diese lobenswerte Praxis nach der schwierigen Zeit der Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie wieder aufnehmen. Antworten wir großherzig auf die Einladung des auferstanden Herrn zur Hochzeit, zum eucharistischen Mahl.

3. „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Joh 21,15)

Die dreimal wiederholte Frage Jesu an Simon Petrus entspricht seinem dreifachen Verrat (vgl. Joh 18,15-27). Die erste Frage „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Joh 21,15) erinnert an die Versicherung des Petrus, der voller Selbstvertrauen dem Meister gesagt hatte: „Mein Leben will ich für dich hingeben“ (Joh 13,37), wie auch an seine Aussage: „Und wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich werde niemals an dir Anstoß nehmen“ (Mt 26,33). In Erinnerung an den Verrat des Meister antwortet Petrus nunmehr demütig und ohne Bezug auf die anderen Apostel: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe“ (Joh 21,15). Die drei Fragen geben Petrus die Gelegenheit zur Buße und dazu, seine Liebe zum Herrn Jesus zu zeigen. Auf das Liebesbekenntnis folgt jedes Mal, dass der Herr dem Petrus größere Verantwortung anvertraut, indem er ihm die Sorge für seine Lämmer und Schafe überträgt (vgl. Joh 21,15.16.17), das heißt für die Gläubigen in seiner Kirche, die den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus glauben. Von besonderer Bedeutung sind die Worte des Herrn nach dem dritten Bekenntnis, denn sie weisen auf die Treue des Petrus zum Herrn bis zum Tod hin: „Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18). Zum rechten Verständnis dieser Worte fügt der Evangelist Johannes an: „Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde“ (Joh 21,19). Simon Petrus ist seinem Meister gefolgt: im Opfer seines Lebens hat er in Treue zum Herrn Jesus und vom Heiligen Geist geführt den himmlischen Vater verherrlicht. Nach der Ankündigung seines Martyriums hat der Herr Jesus daher dem Petrus seine endgültige Berufung zugesprochen: „Folge mir nach!“ (Joh 21,19).

Die Apostel verfolgten unter der Führung des heiligen Petrus freimütig (παρρησία) die vom Herrn anvertraute Mission. Sie haben das Evangelium verkündet, dessen Kernbotschaft in der ersten Lesung zum Ausdruck kommt: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken. Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen“ (Apg 5,30-32). Petrus und die Apostel hatten auch keine Angst vor dem Hohen Priester und dem Verbot, mit dem er sie zwingen wollte, das Evangelium des Herrn Jesus nicht zu verkünden. Mit Autorität entgegnete Petrus im Namen der Apostel: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29).

Liebe Schwestern und Brüder, auch wir brauchen den Mut, der aus dem Heiligen Geist kommt, um immer das Evangelium, das Wort Gottes zu verkünden, „ob gelegen oder ungelegen“ (2 Tim 4,2). Alle Christen sind als Jünger Jesu Christi dazu gerufen, durch ein glaubwürdiges persönliches und gemeinschaftliches Leben Zeugen zu sein. Das Zeugnis des Alltags kann uns darauf vorbereiten, wenn es denn der Wille Gottes ist, unser Leben für den Herrn Jesus und für seine Kirche hinzugeben.

Der Dialog zwischen Jesus und Simon Petrus zeigt, dass die Mission des Petrus und seiner Nachfolger im Weiden der Schafe, der Gläubigen besteht. Dieser Dienst gründet in der Liebe, was in der dreifachen Frage zum Ausdruck kommt: „Hast du mich lieb?“, wie auch in der Antwort: „Du weißt, dass ich dich lieb habe“. In dieser schwierigen Zeit beten wir, dass diese Liebe gestärkt werde, damit unser Heiliger Vater Franziskus seine Mission gut erfüllen kann, die Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32).

Vertrauen wir diese Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens. Insbesondere erbitten wir von Gott die Gnade der Vergebung für alle unsere Sünden, wie auch die Gnade, dem Nächsten zu vergeben, so wie Jesus dem Simon Petrus Vergebung geschenkt hat. Das Verzeihen des Herrn Jesus, des Siegers über Sünde und Tod, hat dem Simon Petrus einen Neuanfang geschenkt, neue Kraft zur Evangelisierung und Förderung des Menschen bis hin zum Blutzeugnis. Die Gottesmutter möge uns den reichen Segen erfassen lassen, der aus dem Satz Jesu folgt: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden“ (Joh 21,6). Amen.

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