Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Wallfahrtssonntag von Walldürn

Walldürn, 30. Juni 2019

(Jes 30,18-21; Ps 24; Hebr 10,19-24; Joh 14,1-12)

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

Liebe Brüder und Schwestern!

Der göttlichen Vorsehung danke ich, daß sie mir erlaubt, an dieser Wallfahrt zum Heiligen Blut in Walldürn in diesem Jahr der Gnade 2019 teilzunehmen. Besonders danke ich Hochwürdigen Pater Josef Bregula OFM Conv., dem Pfarrer und Wallfahrtsleiter, für die freundliche Einladung, die ich gerne angenommen habe. Dies gibt mir nämlich die Gelegenheit, allen die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus zu übermitteln, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche. Als Zeichen der Einheit mit dem Römischen Pontifex, der einen besonderen Platz in der christlichen Welt einnimmt, denn der Bischofssitz in Rom hat den „Vorsitz in der Liebe“ (Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Römer), werde ich am Ende der Heiligen Messe den Apostolischen Segen erteilen.

Liebe Gläubige, das Wort Gottes, das verkündet worden ist, hilft uns besser das Geheimnis zu verstehen, das wir feiern. Jeden Sonntag versammeln sich die Christen, um die Heilige Messe zu feiern, die zugleich das Gedächtnis des Opfers Jesu Christi und Ausdruck der Gemeinschaft der Jünger mit dem auferstandenen Herrn und untereinander ist, wie auch das Unterpfand des ewigen Lebens. Heute aber hat diese Versammlung einen besonderen Sinn, der von der Wallfahrt und der Verehrung des Heiligen Blutes gekennzeichnet ist, das seit siebenhundert Jahren in dieser Basilika minor des Heiligen Georg oder des kostbaren Blutes Jesu von Walldürn aufbewahrt wird. Im Licht des Wortes Gottes, das wir gehört haben, möchte ich das eucharistische Wunder in Erinnerung rufen und bei zwei Themen verweilen, die wichtig für das Leben der Kirche und jedes einzelnen Gläubigen sind: die Pflicht zur Evangelisierung (I) in der Einheit im Glauben, in der Hoffnung und in Liebe (II).

1. „Durch das Blut Christi“ (Hebr 10,19).

In der zweiten Lesungen haben wir die Mahnung des Heiligen Paulus an die Christen gehört, dem Herrn zu vertrauen und Mut auch in den Schwierigkeiten im Verlauf des Lebens zu haben. Er erwähnt unter anderem das Blut und das Wasser, zwei wichtige Symbole des christlichen Lebens. Der Völkerapostel lehrt: „So haben wir die Zuversicht, Brüder und Schwestern, durch das Blut Jesu in das Heiligtum einzutreten. Er hat uns den neuen und lebendigen Weg erschlossen durch den Vorhang hindurch, das heißt durch sein Fleisch. Und da wir einen Hohepriester haben, der über das Haus Gottes gestellt ist, lasst uns mit aufrichtigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens hinzutreten, die Herzen durch Besprengung gereinigt vom schlechten Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr 10,19-22). Dieser Abschnitt ruft den Moment des erlösenden Todes Jesu Christ in Erinnerung, da seine Seite durchbohrt wurde „und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34). Das Wasser erinnert uns an die Taufe und die Gabe des Heiligen Geistes, das Blut an das Opfer Christi und die Eucharistie.

Das Blut Christi versammelt uns zum eucharistischen Wunder von Walldürn, das im Jahr 1330 geschehen ist. Ihr wisst um die Geschichte, als der Priester Heinrich Otto während der Zelebration der Heiligen Messe den Kelch umstieß und sich der schon konsekrierte Wein auf das Korporale ergoss und sich zum Bildnis des gekreuzigten Jesus formte, das von elf Häuptern Christi mit Dornenkrone (den sogenannten Veronikas) umrahmt wurde. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß es ähnliche eucharistische Wunder an verschiedenen Orten Europas gegeben hat. Eines der bekanntesten ist das von Bolsena im Jahre 1263, das zur Einführung des Fronleichnamsfestes in der ganzen Kirche beitrug. Angesichts der Zweifel an die Realpräsenz Christi unter den Gestalten von Brot und Wein haben diese Wunder zur Festigung der konstanten Lehre der Kirche beigetragen, die auf die Worte Jesu gründet: „Dies ist mein Leib“ ….. „Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mt 26,26.28). Bei der Feststellung der Wahrheit der Tatsachen nahmen die Römischen Päpste eine entscheidende Rolle ein. Sie haben untersuchen lassen, was geschah, und ließen die Authentizität der Geschehnisse beglaubigen. Solches geschah auch beim Wunder von Walldürn. Papst Eugen IV. hat das Korporale untersucht und seine Verehrung erlaubt.

In seinem Apostolischen Schreiben, das Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland gerichtet hat und am 29. Juni 2019 veröffentlicht wurde, am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus (in der Folge: Schreiben), hat er unter anderem die Bedeutung und Wichtigkeit des Sensus Ecclesiae, des kirchlichen Sinns unterstrichen. Es bedeutet, daß wir Katholiken alle Glieder der großen Familie der Katholischen Kirche sind und daß wir alle voranschreiten müssen im Bekenntnis des Glaubens. Keine Ortskirche kann auf eigene Faust gehen, wenn sie fruchtbar sein und katholisch bleiben will. Wenn sich die Ortskirchen vom ganzen Leib der Kirche trennen, „würden sie sich schwächen, verderben und sterben“ (Schreiben Nr. 9). Erneuern wir daher, liebe Brüder und Schwestern, unser Bestreben, immer der Katholischen Kirche mit dem Bischof von Rom an der Spitze treu zu bleiben, denn mit dem Papst ist uns nach dem Willen Gottes „ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (LG 18) gegeben.
2. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

Damit ist das Leitwort unserer diesjährigen Wallfahrt gegeben. Der auferstandene Jesus Christis ist durch sein Wort und in besonderer Weise in den Gestalten von Brot und Wein unter uns gegenwärtig. Die eucharistische Gegenwart ist von ganz besonderer Art und wird mit den Adjektiven vere, realiter et substantialiter aufgezeigt. In der Eucharistie ist also Jesus wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig, wenn auch in verhüllter Weise. Wir glauben an diese sakramentale Gegenwart des Herrn Jesus, sind uns aber auch unserer Schwachheit bewußt und bitten daher wie einst die Jünger: „Herr, stärke unseren Glauben!“ (Lk 17,5).

Die Eucharistiefeier erinnert uns dran, daß Jesus seine Verheißung erfüllt hat, als er den Jüngern, die traurig darüber waren, daß er zum Vater zurückkehrt, sagte: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Im eucharistischen Brot und Wein ist der Herr Jesus wahrhaft für immer mit uns geblieben. In jeder Heiligen Messe können wir seinen Leib kommunizieren. Er gibt sich als unsere geistliche Speise allen Gliedern unserer Gemeinschaften, insbesondere den Kranken und Leidenden. Er lädt uns ein, uns oft vor dem ausgesetzten Sakrament zur Eucharistischen Anbetung oder im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet vor den Tabernakeln unserer Kirche zu versammeln. Bevor jedoch der Herr seine Gegenwart unter uns zusagt, erinnert er an seinen Sieg über Sünde und Tod, womit er verherrlicht wurde, was er mit folgenden Worten ausdrückt: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Das wird deutlich, wenn der Herr seinen Jüngern sodann den missionarischen Auftrag anvertraut: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20).

Dieser Wille des Herrn Jesus enthält auch die wesentliche missionarische Methodologie, die sich mit drei Worten ausdrückt: 1. lehrt: man muss die Außenstehenden auf den Glauben vorbereiten in ihn einführen; 2. tauft: die Taufe ist das erste und grundlegende Sakrament der christlichen Initiation. Sie wird gespendet im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das Bekenntnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, zu dem dreieinen Gott, ist das charakteristische Element jedes Christen; 3. befolgt: der Christ ist gehalten, all das zu lehren und zu befolgen, was Jesus, der Meister offenbart hat.

Diese Lehre wird in verschiedenen Sätzen und Worten des Herrn Jesus überliefert. Eine davon ist jene, die wir im heutigen Evangelium gehört haben: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Unter diesem Leitwort steht die diesjährige Wallfahrt nach Walldürn. Jesus selbst also sagt, daß er allein der Weg ist, über den man zu Gottvater kommt, der Quelle ewiger Glückseligkeit: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Jesus Christus ist außerdem die Wahrheit. Wir können uns dieser Wahrheit nähern, wenn wir seine Lehre befolgen. „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,31-32). Jesus Christus ist sodann das Leben. Zu Marta, der Schwester des Lazarus, hat Jesus gesagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Um diese Wahrheit zu verstehen ist die Hilfe von oben nötig, die Gnade des Heiligen Geistes, weswegen der Herr gesagt hat: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63).

Liebe Brüder und Schwestern, das Wort Gottes mahnt uns, überzeugte Jünger Jesu und eifrige Missionare seines Evangeliums zu werden. Jeder von uns und alle gemeinsam sind wir gerufen, Evangelisatoren dort zu werden, wo wir leben: in unseren Familien, Gemeinschaften, den Pfarreien, am Studienort und dem Arbeitsplatz, bei all unseren Tätigkeiten. Im erwähnten Apostolischen Schreiben ermahnt der Heilige Vater Franziskus die Katholische Kirche in Deutschland, stärker zu evangelisieren, denn das „Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche“ (Schreiben Nr. 6). Der Papst würdigt die kirchlichen und sozialen Strukturen, welche Katholiken eingerichtet haben, um das Sozialhandeln und die caritative Arbeit effektiver zu machen. Aber dieses wichtige und eindrucksvolle Werk braucht mehr apostolischen Geist. Es ist nötig, den anderen die Freude zu vermitteln, Christ zu sein, und die gute Nachricht zu verkünden, die auch im Wort des Herrn Jesus enthalten ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

Erflehen wir die Gabe des Heiligen Geistes, um in rechter Weise die Einladung von Papst Franziskus zu verstehen und bei dem dringenden Werk der Verkündigung Jesu Christi und seines Evangeliums vom Heil für alle Menschen guten Willens aktiver zu werden. Der Primat bei der Evangelisierung liegt auf dem Beispiel und Zeugnis eines christlichen Lebens in seiner persönlichen und gemeinschaftlichen Dimension. Hierzu fügt sich sodann an, die Liebe Gottes zu erklären, denn sie ist „ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Dies geschehe nach der Weisung des Heiligen Petrus, „stets bereit zu sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15).

Vertrauen wir die Erfüllung dieser guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, die zurecht als „Mutter der neuen Evangelisierung“ angerufen wird. Das hat Deutschland, hat Europa und die ganze Welt nötig. Alle Menschen sind eingeladen, Jesus Christus zu entdecken, den einzigen Menschen, der sagen konnte, weil er zugleich Gott ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Amen.

Zurück