Predigt von Nuntius Eterovic am 30. Sonntag im Jahreskreis
Berlin, 28. Oktober 2018
(Jer 31,7-9; Ps 126; Hebr 5,1-6; Mk 10,46-52)
„Geh! Dein Glaube hat dich gerettet" (Mk 10,52).
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Wort Gottes lädt uns ein, die Heilung des blinden Bartimäus von Jericho zu betrachten und über die Bedeutung dieses Wunders für unser persönliches und gemeinschaftliches, kirchliches Leben nachzudenken. Wir wollen gemeinsam bei drei Aspekten der Erzählung verweilen: bei der Vorbereitung der Begegnung des Bartimäus mit Jesus (I); bei der Beschreibung der Begegnung (II) und bei den Wirkungen des Geschehens (III). Bartimäus steht für jeden von uns. Aus diesem Grund, wollen wir, geführt vom Heiligen Geist, seinen Weg zu Jesus und seine Entscheidung, ihm zu folgen und sein Jünger zu werden, nachgehen.
1. „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir“ (Mk 10,47)
Mit diesen Worten wendet sich der blinde Bartimäus an Jesus. Mit ihnen erkennt er an, daß Jesus aus dem königlichen Stamm des David hervorgegangen war und mehr noch, daß dieser ihm helfen kann. Bartimäus war in einer sehr misslichen Lage. Als Bettler war er völlig von
2. „Rabbuni, ich möchte sehen können“ (Mk 10,51)
Als Jesus das Rufen des Bartimäus hörte, ließ er ihn zu sich kommen. Bartimäus folgte dieser Einladung sofort: „Er warf seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu" (Mk 10,50). Die Begegnung zwischen Jesus und Bartimäus ist von einem kurzen Gespräch gekennzeichnet, das von tiefer Bedeutung ist. Von einer gewöhnlichen und zwischenmenschlichen Ebene wird das Gespräch auf eine andere Dimension gehoben, auf jene des Glaubens. Auf die Frage des Herrn: „Was willst du, dass ich dir tue?" (Mk 10,51) antwortet Bartimäus: „Rabbuni, ich möchte sehen können" (Mk 10,51). Mit der Anrede „Rabbuni", einer Form von Vertrautheit des Wortes Rabbi, was (mein) Meister bedeutet, versteht man, daß Bartimäus volles Vertrauen in Jesus hatte. Seine Bitte um Heilung gründet sich in seiner Überzeugung, daß Jesus dieses Wunder tun konnte, wie er übrigens schon andere getan hatte. Jesus hat verstanden, daß die einfachen menschlichen Worte des Bartimäus auch seinen Glauben offenbaren und daß dieser ihn heilte: „Geh! Dein Glaube hat dich gerettet" (Mk 10,52). Der Herr Jesus hat dem blinden Bartimäus das Augenlicht gegeben, aber zugleich auch seinen Glauben an ihn gestärkt, den Sohn Davids, den Messias, der seinem Volk das Heil bringen soll.
3. „ Und erfolgte Jesus auf seinem Weg nach" (Mk 10,52).
Im Unterscheid zu anderen Wundern, wo Jesus den Geheilten sagte, sie sollen nachhause gehen, geschieht nunmehr das Gegenteil. Als er sehen konnte, folgt Bartimäus Jesus gemeinsam mit dessen Jüngern. Das bedeutet, auch er wurde einer der Jünger des Herrn.
Liebe Brüder und Schwestern, die Erzählung des Heiligen Markus meint uns alle, wenn wir uns in der Person des Bartimäus auf allen drei Ebenen wiedererkennen, die uns die biblische Erzählung offenbart. Auch wir erbitten zunächst das Almosen des Lichtes, des Augenlichtes und des Sinn des Lebens. Ohne Wahrnehmung der wahren Bedeutung des Lebens werden wir blind, auch wenn wir sehen können und aus physischer Sicht ein gutes Augenlicht besitzen. Es genügt nicht, die Dinge nur von außen zu sehen. Es ist nötig, in die Tiefe zu schauen, in eine wahre Dimension, die uns der Glaube schenkt. Und nicht irgendein Glaube, sondern der an Jesus Christus, der uns die Gnade des Heiligen Geistes schenkt und welcher uns zur Anbetung des Vaters führt. Wenn wir merken, daß uns ein solcher Glaube fehlt, brauchen wir keine Scheu zu haben, die Hilfe Jesu zu erflehen und wie Bartimäus zu rufen: „Sohn Davids, Jesus, hab' Erbarmen mit mir!" (Mk 10,47). Wir lassen nicht zu, daß nichts und niemand uns von dem Wunsch abbringt, dem Herrn zu begegnen, der uns heilen kann. Wir besiegen die Dunkelheiten dieser Welt und die Gegenstimmen, die uns von der heilenden Begegnung mit Jesus abhalten wollen.
Vor dem Herrn haben wir den Mut, zu unserer Schwachheit zu stehen, unserer Blindheit, und um seine Hilfe zu bitten: „Rabbuni, ich möchte sehen können!" (Mk 10,51). Wir Christen befinden uns in einer besseren Situation als Bartimäus, denn wir kennen die ganze Offenbarung Jesu, nicht nur sein öffentliches Wirken und Leben, sondern auch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung. Uns ist das Mitleid Jesu mit den Menschen bekannt (vgl. Mk 6,34), denn er wurde nicht durch die Wahl von Menschen zum Hohenpriester, sondern durch den Willen seines Vaters im Himmel. ER sagt zu Jesus: „Mein Sohn bist du. Ich habe dich heute gezeugt". Und an anderer Stelle heißt es: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks" (Hebr 5,5-6). Dieser Jesus ist fähig, unsere Dunkelheiten zu erleuchten, uns das Geschenk des Glaubens zu geben, damit wir die wahre Bedeutung des Lebens sehen und aller Ereignisse und Dinge, die uns umgeben. Daher beten wir, daß ER auch an uns die Worte richtet: „Geh! Dein Glaube hat dich gerettet" (Mk 10,52).
Bartimäus wurde ein Jünger Jesu. Diese dritte Etappe des Umkehrweges müssen auch wir nach der Begegnung mit dem Herrn gehen. Die Heilung des Augenlichtes ist nicht nur ein Geschenk für uns. Das Licht, das wir im Gespräch mit Jesus erblicken, müssen wir mit anderen teilen. Jesus ruft uns, seine Schüler zu sein, um Missionare seines Evangeliums zu werden, seiner Frohen Botschaft auch für die Menschen unserer Zeit, die oft wegen der blendenden Lichter der Welt orientierungslos sind, wovon sie blind wurden und mehr oder weniger an einer normalen Sicht auf Personen und Dinge gehindert werden.
Vertrauen wir unsere Suche nach Licht der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche. Sie hat das Wort Jesu, ihres Sohnes und Meisters gut verstanden: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben" (Joh 8,12). Sie hat dies in einem Leben des Dienens in Demut und Liebe umgesetzt. Sie, die voll der Gnade ist (Lk 1,28), möge uns helfen, in Jesus das Licht zu erblicken, das niemals untergeht. Auf diesem Weg zur Fülle des Lichts kann uns die Erfahrung des Bartimäus helfen, des Blinden von Jericho, wie auch die der vielen Heiligen, die vom Herrn Jesus die Gnade erbeten haben, in rechter Weise zu sehen und die Antwort des Heils bekamen: „Geh! Dein Glaube hat dich gerettet" (Mk 10,52). Amen.