Predigt von Nuntius Eterovic am 32. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 11. November 2018

(1 Kg 17,10-16; Ps 146; Hebr 9,24-28; Mk 12,38-44)

„Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern“ (Mk 12,43).

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Wort Gottes stellt uns an diesem 32. Sonntag im Jahreskreis zwei Witwen vor, eine im Alten Testament (I), die andere im Neuen Testament (II). In der Bibel gehören die Witwen zur Kategorie der Schwachen, sozial ausgegrenzt, die besondere Zuwendung und Schutz brauchten. Aber diese Personen können auch zum guten Instrument der göttlichen Vorsehung werden, um den Willen Gottes zu offenbaren und als Beispiel großherziger Gaben für die anderen zu dienen. Die beiden Witwen, die uns heute begegnen, zeigen das Beispiel der Großzügigkeit und des Glaubens (III).

1. Die Witwe von Sarepta.

Die Witwe von Sarepta, eine Stadt in der Nähe des phönizischen Sidon, heute im Libanon gelegen, begegnet dem Propheten Elija und glaubt seinem Wort. Sie befindet sich in einer sehr bedürftigen Situation, wie auch die übrigen Bewohner der Stadt, denn die lange andauernde Trockenheit hatte negative Folgen auch für ihre Familie. Dem Propheten, der sie um etwas zu essen bittet, antwortet die Witwe im Wissen darum, nur wenig zu essen zu haben, nämlich „eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug“ (1 Kg 17,12). Sie aber erfüllt dennoch die Bitte des Elija, auch wenn diese außergewöhnlich ist, denn der Prophet bittet darum, zuerst ihm etwas zu essen zu machen und verspricht, es werde dann ausreichend Nahrung für die Witwe und den Sohn vorhanden sein. Normalerweise denken die Menschen zunächst an sich selbst und erst in zweiter Linie daran, auch den anderen zu dienen. Die Witwe hingegen tut das, was Elija ihr sagt. Sie hat in ihm einen Propheten erkannt, einen Gesandten Gottes, der auch ihr und ihrer Familie helfen konnte. Und so geschah es: „Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der HERR durch Elija versprochen hatte“ (1 Kg 17,16). Man muss darauf hinweisen, daß die Witwe von Sarepta eine Heidin war, woran auch Jesus erinnert hat, als er seine Landsleute in Nazareth kritisierte, die das aber nicht hören wollten: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt. Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon“ (Lk 4,24-26).

2. Die Witwe in Jerusalem.

Die Witwe im heutigen Evangelium war sicherlich eine Jüdin. In diesem Zusammenhang aber spielt ihre Nationalität keine Rolle. Das, was Jesus unterstreichen wollte, ist der Kontrast zwischen ihr, der armen Witwe, und den Reichen, die viel Geld in den Opferkasten warfen (vgl. Mk 12,41). Dieser gehörte zum Tempelschatz, der in einem Raum im „Hof der Frauen“ untergebracht war. Die Leute konnten die Personen beobachten, die ihre Spenden machten, wie es übrigens auch Jesus tat (vgl. Mk 12,41). Die Reichen wollten für ihren beachtlichen Betrag, den sie spendeten, gelobt werden. Die arme Witwe jedoch kam „und warf zwei kleine Münzen hinein“ (Mk 12,42). Die Münzen waren das Kleingeld des Tempels. Daher war die Spendensumme der Witwe nur gering. Dennoch hat Jesus vor seinen Jüngern die Großzügigkeit der Witwe gelobt: „Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern“ und begründet es: „Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt“ (Mk 12,43-44). Was vor Gott zählt, das ist nicht die Quantität, sondern die Qualität. Die Witwe hat mit ihren wenigen Mitteln große geistliche Gaben erworben.

3. Die Lehre für die Christen.

Im Licht des Wortes Gottes können wir folgende negative wie positive Lehren ziehen:

Im negativen Sinne darf sich ein Jünger Jesu Christi nicht so verhalten
wie die im Evangelium beschriebenen Schriftgelehrten. Man darf ein Leben nicht nur nicht reduzieren auf die äußere Form, sondern man darf sich grundsätzlich nicht im Widerspruch zu den Anforderungen eines authentischen religiösen Lebens verhalten. Das betont Jesus mit den Worten: „Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete“ (Mk 12,40). Wenn sich die Schriftgelehrten auf solche Weise benehmen, dann haben sie den wahren Sinn des ersten Gebotes, Gott zu lieben, und in diesem Zusammenhang die Liebe zu Nächsten nicht verstanden. Zu Gott beten und gleichzeitig den Nächsten ausbeuten, das ist eine Verirrung, eine Perversion der Religion.

Im positiven Sinn. Die Witwe von Sarepta hatte den Glauben an Gott,der zu ihr durch den Propheten Elija gesprochen hat. Sie hat seinem Wort geglaubt und so den Segen Gottes für sich und ihren Sohn erhalten. Darüber hinaus gab es während der Zeit der Trockenheit ausreichend Nahrung, und der Prophet Elija heilte den schwer erkrankten Sohn der Witwe von Sarepta (vgl. 1 Kg 17,17-24). Der Glaube ist die Bedingung unserer Begegnung mit Gott, der eine Fülle an Gnade und Segen mit sich bringt. Wenn wir unseren schwachen Glauben erkennen, wenden wir uns an Jesus Christus und bitten ihn wie seine Jünger: „Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5).

Die Witwe in Jerusalem zeigt ein Beispiel von Großzügigkeit. Sie hatte nur wenige Güter, aber sie opferte dem Herrn alles, was sie hatte, und Jesus lobte sie dafür. Auch in unseren Gemeinden gibt es heute viele relativ arme Menschen, die großzügig ihren Beitrag spenden, um Menschen in Not in Deutschland und in der Welt zu helfen. Die Kollekten, die in den Pfarreien und anderswo gehalten werden, kommen vor allem durch eher arme Menschen zustande, die nicht viel besitzen. Der Spenden dieser Personen sind wertvoll, denn zusammen ergeben sie eine bedeutende Summe. Daher ruft ihre Großzügigkeit den Segen Gottes auf sie herab, auf ihre Familien und die ganze kirchliche Gemeinschaft.

Jesus Christus hat sein Leben für uns hingegeben. Wenn wir von der Witwe sprechen, die alles, was sie hatte, gegeben hat, müssen wir uns an das Opfer des Herrn Jesus erinnern, der den Menschen keine materiellen Dinge gegeben hat, sondern sein Leben, um uns die Möglichkeit des ewigen Heils zu geben, woran der Hebräerbrief erinnert: „So wurde Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen; beim zweiten Mal wird er nicht wegen der Sünde erscheinen, sondern um die zu retten, die ihn erwarten“ (Hebr 9,28).

Wenn wir in dieser Eucharistie das Opfer Jesu Christi feiern, so bitten wir auf die Fürsprache seiner und unserer Mutter Maria um die Stärkung unseres Glaubens. Mit der Führung des Heiligen Geistes können wir immer großzügiger werden und mit den Brüdern und Schwestern nicht nur die materiellen Güter teilen, sondern unser Leben aus Liebe zu Gott und zum Dienst am Nächsten hingeben. So verdienen auch wir Christi Lob: „Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern“ (Mk 12,43). Amen.

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