Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Adventssonntag
Apostolische Nuntiatur, 22. Dezember 2024
(Mi 5,1-4; Ps 80; Heb 10,5-10; Lk 1,39-48)
„Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ" (Lk 1,45).
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Lesungen des vierten Adventssonntages sind sehr bedeutungsvoll und bereiten uns auf angemessene Weise auf das kommende Hohe Weihnachtsfest vor. Der Prophet Micha, der im achten Jahrhundert vor Christus lebte, hat prophezeit, dass in dem kleinen Flecken Bethlehem der von den Völkern ersehnte Messias geboren werden würde: „Aber du, Betlehem-Efrata, bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll“ (Mi 5,1). Der gute und barmherzige Gott hat sich nicht für die Hauptstadt Jerusalem als Geburtsort Seines Eingeborenen Sohnes entschieden, sondern für einen Ort in der Peripherie, um seine Liebe zu den Demütigen und Kleinen zu unterstreichen. In der zweiten Lesung aus dem Hebräerbrief werden die Gefühle beschrieben, mit denen Jesus in diese Welt gekommen ist. Er wollte nämlich den Heilswillen des himmlischen Vaters erfüllen, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (vgl. 1 Tim 2,4). Mit Blick auf die Opfer des Alten Testamentes hält Jesus fest: „An Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen“ und bezeugt seine Bereitschaft zur Hingabe: „Da sagte ich: Siehe, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,6-7). Die Bereitschaft, den Willen Gottes zu tun, ist Demut gegenüber Gott, von dem jede Gabe kommt, die wir empfangen haben. ER sollte auch unsere geistliche Vorbereitung auf das nahende Weihnachtsfest leiten.
Ein leuchtendes Beispiel dieser Haltung zeigt uns die selige Jungfrau Maria, der wir in der Advents und Weihnachtszeit oft begegnen. Deswegen öffnen wir uns der Gnade des Heiligen Geistes und verweilen beim Abschnitt des Evangeliums, das verkündet worden ist.
Und selig, die geglaubt hat (Lk 1,45).
Der Lobpreis auf den Glauben Mariens verdient besondere Aufmerksamkeit. Ihre Cousine Elisabeth hat den Grund erfasst, warum Maria die Mutter Jesu wird: Maria hat dem Wort Gottes geglaubt. Denn nach der Begegnung mit dem Engel Gabriel vertraut sich Maria vollkommen dem Herrn an, indem sie sagt: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Dies ist der Augenblick, wo sie Jesus nach der Verheißung des Engels Gabriel empfangen hat: „Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Eben dieser göttliche Gesandte hat Maria ein überzeugendes Zeichen der Macht Gottes angezeigt: „Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat“ (Lk 1,36). Aus diesem kurzen Bericht des heiligen Lukas können wir folgende Aspekte des Evangeliums ableiten, die für unser christliches Leben wichtig sind.
Die Dynamik der Fleischwerdung.
Maria ist die fügsame Magd des Herrn und hat Jesus im Glauben empfangen. Von diesem Moment an gibt es in ihr eine neue von der Fleischwerdung angetriebene Dynamik. Der Sohn, den sie in ihrem Schoß trägt, treibt sie an, ihre Cousine Elisabeth zu besuchen, die ihre Hilfe braucht. Um nach Ain Karim zu gelangen, einem kleinen Ort in den Bergen von Judäa, womit in der Tradition der Ort gemeint ist, wo Zacharias und Elisabeth lebten, musste Maria von Nazareth eine Strecke von etwa 40 Kilometer zurücklegen. Der Evangelist unterstreicht, dass sich Maria auf den Weg machte, und sie „eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa“ (Lk 1,39). Anstatt bei sich zu denken, zuhause zu bleiben und sich auf die Geburt des Sohnes vorzubereiten, denkt Maria viel mehr an ihre Cousine und daran, wie sie ihr helfen kann. Sie blieb immerhin sechs Monate bei Elisabeth, um ihr zu dienen. Auf diese Weise bietet uns Maria ein großes Beispiel der Caritas, der Nächstenliebe. Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, dürfen nicht in uns verschlossen sein, sondern wir sind gerufen, an den Nächsten zu denken, an die anderen und ihnen vor allem in dieser Adventszeit zu helfen.
Die Freude im Geist.
Die Begegnung der beiden Cousinen ist Grund großer Freude. Beide finden sich unter der Führung des Heiligen Geistes. „Elisabet wurde vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1,41) und rief mit vernehmlicher Stimme: „Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). Maria, wie gesagt, empfing durch das Wirken des Heiligen Geistes (vgl. Lk 1,35). An dieser Freude nimmt auch das Kind Johannes im Schoß von Elisabeth teil. Sie selbst sagt: „Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“ (Lk 1,44). So erfüllt sich die Verheißung des Engels des Herrn an Zacharias über seinen Sohn Johannes: „Schon vom Mutterleib an wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein“ (Lk 1,15). Dank des Besuches Mariens hat Jesus, die Frucht ihres gesegneten Schoßes, den Heiligen Geist auch auf seinen Cousin Johannes ausgegossen. Daher loben alle vier Personen den Herrn, zwei Cousinen und zwei Cousins. Liebe Brüder und Schwestern, ein Charakteristikum des Geistes ist die Freude. Sie soll das Leben der Christen nach dem Beispiel Jesu und der Heiligen kennzeichnen. Denken wir beispielsweise an den Herrn Jesus, der „vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude ausrief: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Lk 10,21). Auch die Mutter Jesu handelte unter der Führung des Heiligen Geistes, der auf sie herabgekommen war (vgl. Lk 1,45).
Wir alle haben den Heiligen Geist empfangen, vor allem in der Taufe und in der Firmung. Daher müssen wir dem Heiligen Geist, den der Herr Jesus „ohne Maß gibt“ (Joh 3,34), erlauben, unsere Traurigkeit in Freude, unseren Pessimismus in Hoffnung und unsere Niedergeschlagenheit in Frohsinn zu verwandeln. Ein Christ darf niemals von Grund auf traurig sein, denn in den dramatischen Momenten des persönlichen, familiären oder sozialen Lebens werden wir nicht alleingelassen. Der auferstandene und in unserer Mitte gegenwärtige Herr Jesus Christus gibt allen, die an ihn glauben, jene Hoffnung, die stärker ist als Schmerz, Leid und sogar Tod.
Dank dem allmächtigen Gott.
Geführt vom Heiligen Geist haben beide Frauen ehrlich dem guten und barmherzigen Gott für das Werk, das er an beiden getan hat, gedankt. Diesen Lobpreis erfassen wir in den Worten Elisabeths, vor allem wenn sie sagt: „Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Bei der Empfängnis Jesu hatte Gott die Initiative. Maria hat sein Heilsprojekt angenommen und auf den Willen Gottes geantwortet. Daher muss der Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob gelobt werden. Das weiß auch die Jungfrau Maria, die ihren Lobpreis mit den Worten beginnt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47).
An diesem letzten Adventssonntag, liebe Schwestern und Brüder, wollen wir den Glauben der seligen Jungfrau Maria nachzuahmen suchen. Zugleich sind wir gerufen, der Demut Jesu und seiner und unserer Mutter zu folgen. Ein Zeichen dieser Haltung ist die Beichte, zu der wir alle eingeladen sind, um unsere Herzen der mächtigen Tat des Heiligen Geistes zu öffnen. Er lässt uns teilhaben an der Dynamik der Fleischwerdung, an der angenehmen Pflicht, die Freude des Evangeliums den Nahen und Fernen zu verkünden, wie auch an der Haltung im Horizont der Dankbarkeit zu leben gegenüber Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen für das große Heilswerk, das sich im Geheimnis der Weihnacht offenbart. Amen.