Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 29. Januar 2023

(Zef 2,3; 3,12-13; Ps 146; 1 Kor 1,26-31; Mt 5,1-12a)

„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3,).

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach seiner Taufe im Jordan beginnt das öffentliche Wirken Jesu. An den vergangenen Sonntagen hatten wir die Gelegenheit, über die Wahl der Apostel nachzudenken, die den Auftrag erhielten, die Verkündigung und das Werk ihres Meisters auch nach dessen Tod und Auferstehung fortzuführen. Das Wort Gottes an diesem Sonntag stellt vor allem im Evangelium das Programm der Verkündigung Jesu vor, das heißt die Seligpreisungen. Wir öffnen uns dem Heiligen Geist und verweilen bei deren Inhalt und fragen uns vor allem, wozu dieses fundamentale Programm für jeden Christgläubigen auch uns im 21. Jahrhundert auffordert.

Besonders zu unterstreichen ist, dass die Seligpreisungen keine Vorschriften sind wie etwa die zehn Gebote, auch wenn in ihnen das Glück verheißen ist, das der Herr jedem anbietet, der ihm folgen will. Das griechische Wort μακάριος bedeutet übrigens etymologisch selig, aber auch glücklich, glückselig, freudestrahlend, reich. Jesus zeigt uns, wie wir die Seligkeit, das Glück schon in dieser Welt und inmitten von Versuchungen und Schwierigkeiten erlangen können. Die wahre Seligkeit in ihrer Fülle wird es natürlich erst im Himmel geben, in der seligen Anschauung von Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist, und in der Gemeinschaft der Heiligen.

Die Seligpreisungen beschreiben eine radikale Haltung einer weltlichen Mentalität gegenüber, was schon in der Ersten (der acht Seligpreisungen ) deutlich wird. Darin Jesus preist die Armen selig, sodann jene, die weinen, die demütig sind, die Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit haben, die Barmherzigen, jene, die ein reines Herz haben oder Frieden stiften. Besonders hervorgehoben werden jene, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, was als Kategorie zweimal vorkommt: „Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt“ (Mt 5,11-12). Diese Seligpreisung ist gegenwärtig sehr aktuell in unserer Welt, in der nach den jüngsten Zahlen mehr als 360 Millionen Christen in etwa 50 Ländern verfolgt werden (vgl. World Watch List vom Jahr 2022).

Jesus Christus ist das Urbild und Modell jeder Seligpreisung. In seiner Person sind sie vollkommen verwirklicht. Der Herr aber ermuntert auch uns alle, ihn auf diesem Weg der Seligpreisungen zu begleiten. Unsere Taufe erfüllt sich, wenn wir dem Ruf des Meisters folgen: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Der Jünger Jesu muss zunächst arm sein, wie sein Meister arm war: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20).

Auf dem Hintergrund dieser Worte des Herrn Jesus verweilen wir kurz bei der ersten Seligpreisung, wie sie uns der Evangelist Matthäus überliefert hat.

„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3)

Nach dem Evangelisten Matthäus reicht es nicht aus, materiell arm zu sein, um selig zu werden, wie es möglicherweise die parallele Stelle aus der Feldrede im Lukasevangelium meint, die heißt: „Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk 6,20). Die Armen sind gewiss dem Himmelreich näher, weil sie nicht so vom Reichtum besetzt sind, der das Herz des Menschen oft gegenüber Gott und den Nächsten hart werden lässt, vor allem wenn es um die Menschen geht, die der materiellen und geistlichen Hilfe bedürfen. Aber auch die Armen können sich an dem Wenigen, das sie haben, festkrallen, so dass sie schließlich ebenfalls keine Bereitschaft zeigen, den noch Ärmeren beizustehen. Andererseits können reiche Menschen ihren Besitz zu ihrem eigenen Glück dafür verwenden, den Armen und Hilfsbedürftigen zu helfen. Daher versteht man die Präzisierung des Evangelisten Matthäus: selig die Armen im Geiste. Das schließt nämlich auch die Loslösung von der Gier ein, den irdischen Gütern nachzujagen. Paradoxerweise können wir sagen, dass es Menschen gibt, die materiell reich sind, aber arm an menschlichen Beziehungen, an Großherzigkeit, an Werken der Liebe, weil sie ihr ganzes Leben dem Golden Kalb widmen und nur an der Vermehrung ihres Reichtums interessiert sind. Sie vergessen oft, dass sie im Tod alles zurücklassen müssen und dass vor dem Gericht Gottes allein ihr wahrer Reichtum zählt, der sich in Werken der Liebe für die Armen ausdrückt.

Und so ermahnt uns Jesus, dass exzessives Verlangen nach materiellem Reichtum nicht zur wahren Freude führt und nicht zur Seligkeit bringen wird.

Die beiden anderen Lesungen, die wir gehört haben, weisen in dieselbe Richtung. Der Prophet Zefania ermahnt: „Sucht den Herrn, all ihr Gedemütigten im Land, die ihr nach dem Recht des Herrn lebt! Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut! Vielleicht bleibt ihr geborgen am Tag des Zorns des Herrn“ (Zef 2,3). Gott lässt sich nicht von den Hochmütigen finden, sondern von denen, die demütig sind und von den Armen, die jenen Rest Israels bilden: „Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk“ (Zef 3,12), das danach trachten wird, nach der Weisung JHWHs zu leben: „Sie werden kein Unrecht mehr tun und nicht mehr lügen, in ihrem Mund findet man keine trügerische Rede mehr“ (Zef 3,13). Diese Menschen werden das Glück erlangen und schon hier auf dieser Welt die Seligpreisung leben: „Ja, sie gehen friedlich auf die Weide und niemand schreckt sie auf, wenn sie ruhen“ (Zef 3,13).

Auch der heilige Paulus unterstreicht in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, dass Gott die Armen bevorzugt, wenn er sagt: „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott“ (1 Kor 1,27-29).


Liebe Brüder und Schwestern, wir alle haben im Lauf unseres Lebens die materiellen Dinge nötig. Wenn wir der Lehre des Herrn Jesus folgen, dann müssen wir lernen, sie in rechter Weise zu gebrauchen, das heißt, nicht den irdischen Gütern zu dienen, so dass sie uns zu Sklaven machen, sondern sie zu nutzen, um im geistlichen Sinn reich zu werden, wenn wir die Armen und Hilfsbedürftigen unterstützen. Vertrauen wir die Erfüllung dieses guten Vorsatzes der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der demütigen und armen Magd des Herrn (vgl. Lk 1,48), damit die ganze Kirche immer mehr nach der Seligpreisung der Armut leben lernt. Das setzt voraus, dass jeder von uns sich bemüht, nach der Weisung des Herrn Jesus die erste der Seligpreisungen ins Leben umzusetzen: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Amen.

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