Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 31. Januar 2021
(Dtn 18,15-20; Ps 95; 1 Kor 7,32-35; Mk 1,21-28)
„Schweig und verlass ihn!“ (Mk 1,25).
Liebe Schwestern und Brüder,
Diese Worte, die Jesus in der Synagoge von Kafarnaum spricht, zeigen seinen Charakter und seine Mission. Das haben die am Sabbat in der Synagoge zum Gebet versammelten Gläubigen gut erfasst. Denn sie „waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22).
Wir sind für die Gnade des Heiligen Geistes offen und wollen ebenfalls auf Jesus blicken, um seine für immer gültige und aktuelle Lehre gut zu verstehen. Die erste Lesung bereitet das geistliche Feld, in dem Jesus seine Mission verfolgt (I). Er handelt mit Autorität (II). Die Kirche setzt diese Mission in der heutigen Welt fort (III).
1. Der Herr wird einen dem Mose gleichen Propheten erheben.
Zur Zeit Jesu war die Erwartung eines Propheten sehr lebendig, den JHWH durch den Mund des Mose verheißen hatte. Das ergibt sich aus zahlreichen Bezügen in der Heiligen Schrift des Neuen Testamentes. So sagen beispielsweise die Leute, als sie die Zeichen sahen, die Jesus wirkte: „Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (Joh 6,14). In der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium hat Mose deutlich verheißen: „Einen Propheten wie mich wird dir der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören“ (Dtn 18,15). Auf diese Weise hat JHWH die Bitte der Juden erhört, denn sie hatten Angst in direkten Kontakt mit dem Allmächtigen zu treten und wollten die göttlichen Botschaften lieber durch einen Mittler empfangen, durch einen Propheten. Zu Mose antwortet also Gott: „Was sie von dir verlangen, ist recht. Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm gebiete“ (Dtn 18,17-18). Natürlich gilt das Wort Gottes sowohl für den Propheten als auch für das Volk. Und so führt JHWH aus: „Den aber, der nicht auf meine Worte hört, die der Prophet in meinem Namen verkünden wird, ziehe ich selbst zur Rechenschaft. Doch ein Prophet, der sich anmaßt, in meinem Namen ein Wort zu verkünden, dessen Verkündigung ich ihm nicht geboten habe, oder der im Namen anderer Götter spricht, ein solcher Prophet soll sterben“ (Dtn 18,19-20). In jedem Fall ist die Erwartung im erwählten Volk lebendig geblieben. Am Ende des Buches Deuteronomium klagt der inspirierte Verfasser: „Niemals wieder ist in Israel ein Prophet wie Mose aufgetreten. Ihn hat der HERR von Angesicht zu Angesicht erkannt“ (Dtn 34,10). Für die urchristliche Gemeinde war ganz klar, dass der verheißene Prophet der Herr Jesus war. Es genügt, an das Zeugnis des Apostels Petrus zu erinnern (vgl. Apg 3,21-22), wie an das des Diakons Stephanus (vgl. Apg 7,37), welche die Verheißung des Mose auf Jesus übertragen haben.
2. „Schweig und verlass ihn!“ (Mk 1,25).
Die Bewohner von Kafarnaum kannten Jesus gut, denn er wohnte bei ihnen, seit er Nazareth verlassen hatte (vgl. Mt 4,12-17). Kafarnaum war eine antike Stadt in Galiläa, und am Nordostufer des Sees Tiberias gelegen war sie ein wichtiges Kommunikationszentrum. Jetzt aber waren sie in der Synagoge erstaunt. Zunächst machte sie die Art betroffen, wie Jesus predigte. Der Evangelist Markus notiert, dass sie staunten, weil Jesus mit Autorität lehrte. Im Unterschied zu den Schriftgelehrten, die stets die in der Tradition überlieferte Lehre wiederholten, drang Jesus in die Tiefe des Gotteswortes vor, entdeckte dessen Dynamik, den Lebensnerv und teilte dies den anderen mit, indem er ihnen zeigte, wie sie in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes leben sollten, der durch das geschriebene Wort zum Ausdruck gebracht worden war. Jesus hat sodann seine Autorität demonstriert, als er einen unreinen Geist aus einem Menschen vertrieb. Gegenwart und Lehre Jesu stürzten den Dämon in eine Krise, so dass er mittels des Besessenen gegen den Herrn rebellierte: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“ (Mk 1,24). Anschließend offenbart der unreine Geist die Identität Jesu: „Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes“ (ebd.). Die Wendung „der Heilige Gottes“ weist auf den Messias hin, den Sohn Gottes, der vollkommen dem Heilswerk geweiht ist. Jesus lässt sich nicht einschüchtern. Im Gegenteil, mit den klaren und entschiedenen Worten: „Schweig und verlass ihn!“ (Mk 1,25) heilt er den Kranken und bestätigt seine Autorität. Auf diese Weise wird das Wort durch die Tat bestätigt und erzeugt bei den Anwesenden Staunen und Furcht, so dass sie ausrufen: „Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl“ (Mk 1,27).
3. Die Kirche setzt das Werk Jesu fort.
Der Herr Jesus hat auch seiner Kirche die gleiche Mission anvertraut, das Evangelium, die frohe Botschaft zu verkünden und die Menschen von der Macht der Finsternis zu befreien, von dem Bösen, das personalisiert der Diabolus genannt wird, der Satan. Jesus hat die Zwölf erwählt und sie mit der Anweisung ausgesandt: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe“ (Mt 10,7) und weiter: „Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Mt 10,8). Über die Apostel und ihre Nachfolger setzt die Kirche die Mission der Evangelisierung und der Heilung fort. In den letzten Jahrzehnten, vor allem mit dem Pontifikat des Heiligen Johannes Paul II., hat die Kirche auf die Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung bestanden oder, wie oft wiederholt wurde, „eine neue Begeisterung, neue Methoden, neue Ausdrücke“. Im Grund hat die Predigt des Evangeliums heute, wenn möglich, auf jene Weise zu geschehen, wie Jesus in der Synagoge von Kafarnaum predigte. Sein Wort war des Heiligen Geistes voll, der ihm neue Kraft verlieh. Die Worte, welche die Bewohner von Kafarnaum oft hörten, schenkten nunmehr neues Leben, denn sie berührten die Herzen der Menschen und führten zur Umkehr. Das lässt auch an die Erfahrung der Emmausjünger denken. Nachdem ihnen die Augen geöffnet wurden, sagten sie zueinander: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ (Lk 24,32). Diese Begeisterung braucht, wer das Evangelium verkündet und wer es empfängt. Das ist die Gnade des Heiligen Geistes, welcher der Hauptprotagonist der Evangelisierung ist. Er aber hat uns, die Jünger Jesu Christi, nötig, um sein Werk in der Welt von heute fortzusetzen.
Der Herr Jesus hat auch die Sakramente zur Heilung der Menschen eingesetzt. Sie heilen geistlich, haben aber bemerkenswerten Einfluss auf die Gesundheit von Geist und Leib. Alle Sakramente haben heilende Kraft, vor allem aber die Taufe und die Beichte. Der Spendung der Taufe gehen das Exorzismus-Gebet und die Salbung mit dem Öl der Taufbewerber, dem Katechumenen-Öl als Schutz vor dem Bösen voraus. Im Bußsakrament schenkt der Priester dem reuigen Büßer im Namen Christi die Gnade der Lossprechung und befreit ihn in der Kraft des Heiligen Geistes vom Bösen, das vor allem den Geist eines Menschen beeinflusst, indem in gewisser Weise der Befehl Jesu wiederholt wird: „Schweig und verlass ihn“ (Mk 1,25). Vor seiner Himmelfahrt und bevor er sich zur Rechten des Vaters gesetzt hat, gab Jesus seinen Jüngern in aller Zeit den Befehl: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“ (Mk 16,15-18).
Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die drängende Erfüllung der neuen Evangelisierung, das heißt die Verkündigung der frohen Botschaft und die Befreiung der Menschen vom Bösen, der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche. Sie war auch die erste Jüngerin ihres Sohnes Jesus Christus. Sie, die „voll der Gnade“ ist (Lk 1,28), möge uns eine neue Begeisterung für unsere kirchliche Mission erwirken, die uns anvertraut ist. So kann der Heilige Geist auch durch unsere glaubwürdige Verkündigung und unseren demütigen Dienst bei der Spendung der Sakramente das Heil vieler Menschen in unserer Zeit erwirken. Amen.