Predigt von Nuntius Eterovic am 5. Sonntag im Jahreskreis - LJ C
Apostolische Nuntiatur, 9. Februar 2025
(Jes 6,1-8; Ps 138; 1 Kor 15,1-11)
„Sie verließen alles und folgten ihm nach“ (Lk 5,11).
Liebe Brüder und Schwestern!
Der Herr Jesus lädt alle Menschen ein, ihm auf dem Weg in das Reich in Seiner Kirche zu folgen. Der Ruf Jesu Christi ergeht universal an alle Menschen, doch an manche Personen ergeht ein besonderer Ruf, ihm zu folgen und „Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker (zu) verlassen“ (Mt 19,29). Bei dem soeben verkündeten Wort Gottes, vor allem in der ersten Lesung und im Abschnitt aus dem Lukasevangelium, steht die Berufung zweier außergewöhnlicher Persönlichkeiten im Mittelpunkt: die des Jesaja im Alten Testament und die von Simon Petrus im Neuen Testament. Wenn wir über diese beiden Berufungen nachdenken, so können wir einige gemeinsame Aspekte erkennen, die uns erlauben, sie auch auf die Berufungen anzuwenden, die der Herr Jesus über den Heiligen Geist in Seiner Kirche bis heute macht.
„Fahr hinaus, wo es tief ist“ (Lk 5,4).
Simon Petrus machte eine besondere Erfahrung des machtvollen Wirkens Jesu und Seines Wortes. Nachdem Jesus die Unterweisung des Volkes beendet hatte, sagte er zu Simon: „Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus“ (Lk 5,4). Der Herr verwendet den Plural, denn neben Simon Petrus waren auch dessen Gefährten dabei: „Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus“ (Lk 5.10). Die erste Reaktion des Simon ist eher resignativ, denn die ganze Nacht hatten sie nichts gefangen, und der Tag war für den Fischfang ungeeignet. Daher antwortete er Jesus: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen“ (Lk 5,5). Doch der Apostel fügt vom Heiligen Geist geführt hinzu: „Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen“ (Lk 5,5). Das Ergebnis des Fischfangs war unerwartet, wie wir gehört haben, und die Apostel mussten die anderen Fischer herbeirufen, ihnen bei der Bergung des Fischfangs zu helfen. Die Netze rissen nicht, obwohl es „eine große Menge Fische“ war (Lk 5,6). Simon Petrus erkannte, dass es sich hierbei um einen wunderbaren Fischfang handelt, der dem Machtwort des Herrn Jesus geschuldet war. Dieser war nicht nur menschlicher Natur, sondern göttlich.
Eine ähnliche Erfahrung der Macht Gottes machte auch der Prophet Jesaja. In der ersten Lesung wird beschrieben, wie er an einer herrlichen himmlischen Liturgie teilnimmt. Er sah „den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus“. Umgeben war er von Serafim, von Engeln, die folgendermaßen beschrieben werden: „Sechs Flügel hatte jeder: Mit zwei Flügeln bedeckte er sein Gesicht, mit zwei bedeckte er seine Füße und mit zwei flog er“. Sie priesen Gott und riefen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit“ (Jes 6,1-3).
„Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr“ (Lk 5,8).
Als sie die Größe und machvolle Kraft Gottes erfahren, empfinden sich die beiden Figuren Simon Petrus und Jesaja als kleine und sündige Menschen. Simon Petrus meint, der Gegenwart Jesu, bei dem er die göttliche Macht spürte, unwürdig zu sein. Mit folgenden Worten drückte er seine Demut aus: „Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“ (Lk 5,8). Angesichts des Vision von der Größe und Heiligkeit Gottes hatte auch der Prophet Jesaja Angst. Er weiß um sich als Sünder und unwürdig, in der Gegenwart des Allmächtigen und einzig Heiligen zu weilen: „Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich“ (Jes 6,5). Die persönliche Erfahrung des Jesaja wird auf die Gemeinschaft ausgedehnt: nicht nur er, sondern das Volk, dem er angehört, besteht aus Sündern und das bedeutet aus Menschen mit „unreinen Lippen“, weswegen alle unwürdig sind, auch nur in die Nähe der Majestät Gottes zu kommen.
„Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10).
In solchen Situationen gibt es ein göttliches Eingreifen, um die offenkundige Widersprüchlichkeit des Menschen als Sünder, der zur Heiligkeit berufen ist, zu überwinden, um so dem dreimal heiligen Gott zu dienen. Simon Petrus versichert Jesus Christus: „Fürchte dich nicht. Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10). Das Wort Jesu bewirkt über das Wunder vom reichen Fischfang eine weitere Wundertat, denn Simon Petrus und seine Begleiter verlassen alles und folgen ihm, sobald sie den Ruf Jesu vernehmen (vgl. Lk 5,11).
Im Fall des Jesaja interveniert JHWH, die göttliche Zentralfigur der himmlischen Liturgie, und lässt die Lippen des Propheten durch einen der Seraphim mit einer glühenden Kohle reinigen, die er vom Altar nimmt und spricht: „Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt“ (Jes 6,7). Nach der Reinigung von Sünden erklärt auch der Prophet Jesaja seine Bereitschaft, zum erwählten Volk gesandt zu werden. Auf die Frage von JHWH: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?“ antwortet Jesaja: „Hier bin ich, sende mich“ (Jes 6,8).
„Auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen“ (Lk 5,5).
Aus der Beschreibung der Berufung des Simon Petrus und des Jesaja können wir einige wichtige Punkte einer jeden christlichen Berufung entnehmen, insbesondere für die zum priesterlichen und geweihten Leben. Gott beruft die Personen, die er will. Jesus selbst hat gesagt: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Diese Berufung geschieht in einem besonderen Umfeld, bei einer personalen Begegnung mit dem Herrn, die im Allgemeinen von der Gemeinschaft der Gläubigen unterstützt wird, von denen, die an Gott glauben und sich zum Gebet versammeln. Die Berufung setzt eine gewisse, wenn auch begrenzte Erfahrung mit der Größe Gottes und Seiner Heiligkeit voraus, was wir ganz allgemein als mystische Erfahrung beschreiben können. Das kann im Verlauf einer liturgischen Feier, vor allem bei der Heiligen Messe geschehen; oder in den besonderen Momenten des persönlichen oder gemeinschaftlichen Gebets. Bei dieser Erfahrung entdeckt der Mensch die Größe Gottes und seine eigene Kleinheit, Demut und die sündige Verfasstheit des Menschen. Wie bei Simon Petrus und Jesaja greift der heilige Gott ein, versichert die Vergebung und schenkt jene Gnade, die für die bejahende Antwort auf die Berufung unverzichtbar ist. Gott gibt außerdem die Kraft des Heiligen Geistes, um auf diesem Weg zu bleiben, wo es an Schwierigkeiten und Herausforderungen nicht mangelt. Wenn es um die Annahme einer Berufung zum kirchlichen Dienst geht, ist eine Verifizierung seitens von Menschen der Kirche unverzichtbar, seien es Priester, Ordensleute, engagierte Laien oder eines gottgeweihten Lebens. Für die Berufung zum Priestertum ist die Entscheidung des Bischofs nötig, der sich des Rates seiner engsten Mitarbeiter bedient, vor allem jener für die Förderung der kirchlichen Berufungen und der in der Vorbereitung der Priesterkandidaten oder des Ordensnachwuchses. Nach einem solchen Prozess der Unterscheidung sind die berufenen Personen bereit, dem Beispiel der Apostel zu folgen: sie „zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach“ (Lk 5,11).
Liebe Brüder und Schwestern, auch heute ruft der Herr Jesus Männer und Frauen in Seinen Dienst, einschließlich des priesterlichen und des geweihten Lebens. Die Bedingungen für einen wunderbaren Fischfang scheinen gänzlich ungünstig in einer immer stärker säkularisierten Welt, die von einer diffusen religiösen Indifferenz geprägt ist. Dennoch ist Jesus Christus auch heute zu einem wunderbaren Fischfang bereit und will viele unserer Zeitgenossen in Seine Kirche rufen, einige darunter zum Priestertum. Wir sollen Vertrauen in Ihn haben und seine mächtigen Worte in die Tat umsetzen: „Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus“ (Lk 5,4).
Vertrauen wir diese Berufungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, für uns alle und für die Jugendlichen, die zum priesterlichen Leben berufen sind. Unter ihrem mütterlichen Schutz können diese Jugendlichen Kraft finden, um alles zu verlassen und ihm zu folgen (vgl. Lk 5,11). Wenn sie dem Herrn Jesus begegnet sind, der lebt und in Seiner Kirche gegenwärtig ist, werden sie fähig sein, den Menschen unserer Zeit das Evangelium des Lebens und der Hoffnung zu verkünden. Amen.