Predigt von Nuntius Eterovic am 6. Ostersonntag
Apostolische Nuntiatur, 9. Mai 2021
(Apg 10,25-26.34-35.44-48; Ps 98; 1 Joh 4,7-10; Joh 15,9-17)
„Gott ist Liebe“ (1. Joh 4,8).
Liebe Schwestern und Brüder,
die Lesungen dieses sechsten Ostersonntags enthüllen uns weiter das Geheimnis unseres Gottes. Der Abschnitt des Evangeliums, wie auch der erste Johannesbrief offenbaren, dass Gott Liebe ist (I). Diese Wahrheit soll unsere fehlerhaften und bruchstückhaften Bilder korrigieren, die wir von Gott haben. Außerdem soll sie in uns die Liebe zu Gott und seinem Gesandten Jesus Christus erwecken (II). Die Liebe Gottes ist nicht auf Personen oder Völker begrenzt, sondern er will alle Menschen, ja das ganze Universum in seine Arme nehmen (III).
1. „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8).
Das heutige Evangelium beginnt mit der bedeutenden Aussage: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). In seinem ersten Brief hat eben dieser Evangelist Johannes jene schöne und genaue Beschreibung von Gott gegeben, wenn er schreibt: „Gott ist Liebe“. Diese Wendung findet sich in genanntem Brief zweimal (vgl. 1. Joh 4,8.16). Der Heilige Johannes lehrt uns, dass die Liebe aus Gott kommt und sie unsere Beziehung mit Gott und dem Nächsten auszeichnen muss. Das schreibt er in positiver Weise: „Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“ (1 Joh 4,7), aber auch in negativer Abgrenzung: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe“ (1. Joh 4,8). Der Heilige Johannes zeigt außerdem das Maß der Liebe Gottvaters in der Sendung seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus in die Welt. Das beschreibt er auf scheinbar wiederholende Weise, doch jedes Mal fügt er einen neuen, wichtigen Akzent hinzu. Der Vater hat seinen eingeborenen Sohn gesandt, „damit wir durch ihn leben“ (1. Joh 4,9). Der Evangelist beschreibt auch die konkrete Weise, mit welcher der Vater seine Liebe zu uns bezeigt hat, indem er „seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1. Joh 4,10).
Im Abschnitt des Evangeliums unterstreicht Jesus noch stärker die Wahrheit, dass Gottvater die Quelle der Liebe ist. Diese Liebe offenbart sich durch Ihn, den Sohn, und umgekehrt zu uns, seinen Jüngern: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). Wir Christen sind in der Liebe Jesu geeint und können so an seiner Liebe zum Vater teilhaben. Die Einheit hat eine ganz besondere Wirkung für unsere Gebete: der Vater wird uns alles geben, worum wir ihn im Namen Jesu bitten (vgl. Joh 15,16).
In der Bibel finden sich eine Reihe von Bezeichnungen für Gott, verschiedene Namen werden Ihm zugesprochen, wie beispielsweise: mein Herr (Adonai), Unendlicher, der Eine, der Lebendige, Herr der Heerschaaren, Allerhöchster, Gott Abrahams, Gott Isaacs, Gott Jakobs (Elohim), Richter usw. Jeder Name zeigt einen Teil des Urgrundes des göttlichen Geheimnisses. Nun aber ist für uns Christen die Liebe der Name Gottes, der alle anderen Namen übersteigt und uns in die unerforschliche Tiefe des dreieinen Gottes führt: des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nach dem Heiligen Augustinus ist der Vater der Liebende, der Sohn der Geliebte und der Heilige Geist die Liebe (vgl. Kommentar zum 1. Johannesbrief, 10,5; vgl. De Trinitate IX und XVI).
2. „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9).
Der Herr Jesus, der vom Vater Geliebte, lädt uns ein, in diese Beziehung von Liebe einzutreten: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Wir bleiben in der Liebe Jesu, wenn wir seine Gebote halten. Auch in diesem Fall gibt uns der Herr Jesus ein Beispiel seiner Beziehung zum Vater: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,10).
Wenn die Quelle der Liebe der Vater ist, so ist der Sohn der Mittler, der seinen Jüngern diese Liebe übermittelt. Der Urgrund der Liebe ist daher nicht der Mensch. Er kann sie nur annehmen. Der Mensch ist gerufen, in dieser Liebe zu bleiben, um Früchte für das ewige Leben zu bringen: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Jene, die Jesus lieben, werden zu seinen Freunden. Und ihnen offenbart Er das in Gott von Ewigkeit her verborgene Geheimnis, das im Eingeborenen Sohn offenbart worden ist (vgl. Eph 3,5). Die Christen sind nicht länger Knechte, sondern Freunde Jesu, denen er alles überliefert, was er vom Vater gehört hat (vgl. Joh 15,15).
Jesus zeigt sodann, was es heißt, seine Gebote zu halten. Sie alle lassen sich auf ein einziges reduzieren: auf die Liebe zum Nächsten, was als Maß jene Liebe nennt, die Jesus zu uns hat: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Und diese Liebe war eine, die bis zum Ende geht (vgl. Joh 13,1), bis hin zum Opfer seines Lebens für uns: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13).
Die Kirchengeschichte ist von der Liebe der Christen zu Gott und zum Nächsten bis hin zum Opfer des Lebens gekennzeichnet. Auch heute werden die Jünger Jesu Christi in der Welt verfolgt. Nach den Zahlen der Organisation Open Doors, die im Januar 2021 veröffentlicht worden sind, leiden mehr als 340 Millionen Christen Verfolgung wegen ihres Glaubens, was bedeutet, dass von acht Christen einer verfolgt wird. Im Jahr 2020 wurden 20 Missionare getötet: acht Priester, ein Ordensmann, drei Ordensfrauen, zwei Seminaristen und zwei Laien (vgl. Fides, Dezember 2020).
3. Die Universalität der Liebe Gottes
Die erste Lesung aus der Apostelgeschichte erinnert daran, dass die Liebe Gottes universal ist. Die Bekehrung des Kornelius und seiner Familie war ein Werk Gottes. Der Heilige Petrus stand unter der Führung des Heiligen Geistes, der auf Kornelius und die Seinen herabgestiegen war, bevor sie getauft wurden. Unter der Gnade des Geistes konnten sie „in Zungen reden und Gott preisen“ (Apg 10,46). Damit hat der Heilige Geist dem Apostel Petrus und der ersten christlichen Gemeinde den Weg vorgegeben: „Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apg 10,47).
Unter der Führung des Heiligen Geistes hat die Kirche die Worte des auferstandenen Jesus Christus vor seiner Himmelfahrt in die Tat umgesetzt: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19-20). Der in seiner Kirche gegenwärtige auferstandene Herr ist der Garant dieser universalen Öffnung, des Katholischen, das schon in gewisser Weise in der Berufung des Patriarchen Abraham angedeutet war. Den ihm hatte Gott verheißen: „Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen“ (Gen 12,3).
Die Offenbarung Gottes, der Liebe ist, ist die Gute Nachricht, welche die Christen aller Welt verkünden sollen. Sie ist das Fundament jener immerwährenden Freude, auch unter Verfolgungen nach dem Wort des Herrn Jesus: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11).
Liebe Brüder und Schwestern, in diesem Maimonat, der traditionell der seligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria geweiht ist, vor allem durch das Gebet des Rosenkranzes, wollen wir die Verwirklichung unserer guten Vorsätze, Gott und den Nächsten gemäß der Liebe des Herrn Jesus zu lieben, der Fürsprache der Mutter Jesu und unserer Mutter anvertrauen. Wir schließen uns der Aufforderung des Heiligen Vaters Franziskus an und erflehen Ihre Fürsprache, damit die Covid19-Pandemie bald vorbei sei und die Menschen eine neue Seite ihres persönlichen, familiären und sozialen Lebens beginnen können. Heilige Maria, Mutter Gottes, leite uns zur Erkenntnis der Wahrheit, die uns mit großer Freude erfüllt: „Gott ist Liebe“ (1. Joh 4,8), und lass sie uns den Nahen und Fernen verkünden. Amen.