Predigt von Nuntius Eterovic am 7. Ostersonntag

Apostolische Nuntiatur, 16. Mai 2021

(Apg 1,15-17.20ac-26; Ps 103; 1 Joh 4,11-16; Joh 17,6a.11b-19)

„Heilige sie in der Wahrheit“ (Joh 17,17).

Liebe Schwestern und Brüder,

an diesem siebten Ostersonntag, der zwischen den Hochfesten von Christi Himmelfahrt und dem Kommen des Heiligen Geistes liegt, lädt uns das Wort Gottes ein, uns gut auf das Hohe Pfingstfest vorzubereiten, das fünfzig Tage nach Ostern begangen wird. In den Schriftstellen finden sich einige Aussagen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ich beziehe mich auf den Begriff der Heiligung (I) und auf die Rolle der zwölf Apostel (II). Öffnen wir uns dem Heiligen Geist und nehmen das Wort Gottes auf, damit es in uns das Wort des Lebens werde.

1. Die Heiligung und Weihe

Im heutigen Evangelium finden wir zweimal Wendungen mit dem Wort der Heiligung: „Heilige sie in der Wahrheit (Joh 17,17), wo Jesus für die Jünger bittet, und zum anderen, wo er dies auf sich anwendet: „Ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,19). In der Sprache der Bibel ist das Heilige das, was zu Gott gehört. Bei den Opfern beispielsweise wird das Opfer hingegeben und Gott geweiht, geheiligt, um die Vergebung der Sünden zu erlangen und in Gemeinschaft mit Ihm zu treten. Jesus vollendet alle Opfer, denn er heiligt sich selbst als Sühnopfer für seine Jünger. Der Herr Jesus hatte diese Wahrheit bereits zum Ausdruck gebracht, als er sich als Guter Hirte präsentierte: „Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin“ (Joh 10,17-18). Auch im Hebräerbrief wird dieser Aspekt des Heiligungsopfers Jesu Christi unterstrichen (vgl. Hebr 9,12). Der Jünger jedoch soll in der Wahrheit geheiligt sein. Die Wahrheit, von der Jesus spricht, ist die Offenbarung des Vaters, das Wort Gottes. Der Jünger Jesu dagegen ist geheiligt, wenn er das Evangelium annimmt und zum Zeugen in seiner Lebens- und Arbeitswelt wird. Diese Heiligung vollzieht sich radikal im Martyrium, im Opfer des eigenen Lebens um des Evangeliums und des Glaubens an den dreieinen Gott willen. In diesem Ausdruck kann man auch eine Anspielung auf den Heiligen Geist sehen, der nämlich „der Geist der Wahrheit“ ist (Joh 16,13), der Christen mit der Vollmacht der Heiligung weiht. Daher ist der Herr Jesus geheiligt in seinem Opfertod, während die Jünger, wir Christen, im Wort Gottes und im Heiligen Geist geheiligt sind. Wir sind daher gerufen, in eine lebendige Beziehung mit dem Wort Gottes zu treten, „denn lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr 4,12).

2. Die Zwölf Apostel

In der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte haben wir das Verfahren der Wahl für die Nachfolge des Judas Iskariot verfolgt, der Jesus verraten hatte. Die Hauptfigur der Erzählung ist der Apostel Petrus. Er erhob sich inmitten von etwa einhundertzwanzig Brüdern, erzählte die kurze Geschichte des Judas und unterstrich die Notwendigkeit eines Nachfolgers, um die Zwölfzahl der Apostel zu vervollständigen. Außerdem gab er das Kriterium für diese Wahl an: „Es ist also nötig, dass einer von den Männern, die mit uns die ganze Zeit zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde - einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein“ (Apg 1,21-22). Wie wir wissen, wurden zwei Kandidaten vorgeschlagen. Nach dem Gebet „warfen sie das Los über sie; das Los fiel auf Matthias und er wurde den elf Aposteln zugezählt“ (Apg 1,26). Offenbar war Matthias von Anfang an mit dem Herrn Jesus, von der Taufe bis zu seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt.

Die Erzählung über die bedeutsame Rolle des Petrus und der übrigen Apostel lässt an den Epheserbrief über die Gaben des auferstandenen Herrn erinnern, die er seiner Kirche vermacht hat, wie wir am Hochfest der Himmelfahrt hörten: „Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat. Deshalb heißt es: Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, er gab den Menschen Geschenke“ (Eph 4,7-8). Der Völkerapostel benutzt ein Bild aus der soldatischen Welt, wo nach einem militärischen Sieg Geschenke verteilt wurden. Nunmehr hat Jesus Christus den großen Sieg über Sünde und Tod errungen und kann daher an die Seinen Geschenke verteilen, an jene, die an ihn glauben und seine Jünger geworden sind. Zurückgekehrt in den Himmel, von wo er zur Erde herabgestiegen war, hat der verherrlichte Herr „die einen zu Apostel eingesetzt, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer“ (Eph 4,11). Der Heilige Paulus zeigt sodann, dass der Herr den Seinen diese Geschenke gemacht hat, „um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten, für den Aufbau des Leibes Christi, bis wir alle zur Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zum vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht“ (Eph 4,12-13). Das ist eine großartige Vision, die allein mit menschlichen Mitteln unerreichbar bleibt, aber mit der Kraft Gottes und der Gnade des Heiligen Geistes möglich ist. Bei dieser Vision von Kirche nehmen, wie wir sehen, die Leiter und Vorsteher einen wichtigen Platz ein: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer. Der Heilige Paulus schreibt den Brief an die Epheser etwa zwischen den Jahren 54 und 57, also in einer Zeit, wo es schon eine gewisse hierarchische Struktur in der Kirche gab. Sie ist zum Aufbau der Kirche wichtig, die der Leib Christi ist, um in der Einheit im Glauben zu bleiben und damit die Gläubigen das Ideal der Fülle Christi erreichen. Diejenigen, die gerufen sind, die Gemeinschaft der Gläubigen zu leiten, können sich nicht ihrer Verantwortung entziehen. Selbstverständlich sind sie stets in Kontakt mit den Gläubigen, mit allen Gliedern des Volkes Gottes, und achten aufmerksam auf das, was sie geistlich und materiell brauchen, wie sie auch ihren Rat hören. Zum Wohl der Gläubigen treffen sie wichtige Entscheidungen, was schon auf dem ersten Konzil in Jerusalem geschah, wo es um die Aufnahme der Heiden in die Gemeinschaft der Kirche ging (vgl. Apg 15,22-29). Nicht zuletzt hat Jesus seine Kirche als eine auf hierarchische Weise strukturierte Gemeinschaft gewollt, als er die zwölf Apostel als seine wichtigsten Mitarbeiter ausgewählt hat: „Und er setzte zwölf ein, damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben“ (Mk 3,14-15). Der Heilige Paulus zeigt, dass es sich um eine Gabe des auferstandenen und zum Himmel aufgefahrenen Herrn handelt. Die Menschen, die der Herr zum Leitungsdienst in der Kirche berufen hat, müssen stets in der Wahrheit geheiligt sein, vom Wort Gottes und vom Heiligen Geist, um die Gläubigen auf dem rechten Weg zum Himmelreich zu führen. Sie müssen sich kümmern, damit sie nicht der Vorwurf Jesu an die Pharisäer trifft: „Lasst sie, es sind blinde Blindenführer. Und wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen“ (Mt 15,14). Die Aufgabe der Hirten bei der Führung des Volkes Gottes wurde deutlich vom Zweiten Vatikanischen Konzil unterstrichen, wenn es in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium heißt, das Konzil „lehrt und erklärt feierlich .., daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt“ (LG 18).

Liebe Brüder und Schwestern, die Beziehung zwischen Christen muss von Liebe geprägt sein. So ermahnt uns der Heilige Johannes, Gott und den Nächsten zu lieben: „Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt: Er hat uns von seinem Geist gegeben“ (1 Joh 4,11-13). Die selige Jungfrau Maria war die erste, welche die Gabe des Heiligen Geistes empfangen hat, in dem Moment, da ihr der Engel verkündete, sie werde die Mutter Jesu. „Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Vertrauen wir uns der Gnadenvollen an, damit wir auf das herannahende Hochfest von Pfingsten gut vorbereitet sind, indem wir in der Wahrheit geheiligt und unsere Herzen weit offen für die Weihe im Heiligen Geist sind. Amen.

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