Predigt von Nuntius Eterovic am 7. Sonntag der Osterzeit

Apostolische Nuntiatur, 24. Mai 2020

(Apg 1,12-14; Ps 27; 1 Petr 4,13-16; Joh 17,1-11)

Der Vater „wird euch einen anderen Beistand geben,
der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16).

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese Worte des Verses aus dem Johannesevangelium helfen uns, in einem guten Klima die Erwartung des Kommens des Heiligen Geistes am Hohen Pfingstfest zu leben. Die Lesungen sind hilfreich, um zu verstehen, auf welche Weise diese Erwartung zu leben ist (I) und seine Bedeutung (II). Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, den wir schon in der Taufe und in den übrigen Sakramenten empfangen haben, dessen Gegenwart aber stets in uns und der Kirche verlebendigt werden muss.

1. Die Erwartung des Heiligen Geistes

In der Apostelgeschichte wird das Verhalten der Jünger des Herrn Jesus nach seiner Himmelfahrt beschrieben. Nachdem sie vom Ölberg zurückgekehrt waren, versammelten sie sich im Obergemach, dem Abendmahlssaal. Der inspirierte Verfasser nennt die Namen der nach dem Tod des Verräters Judas verbliebenen elf Apostel. Dabei waren aber auch einige Frauen, darunter Maria, die Mutter Jesu, und andere Jünger. Daher handelte es sich um eine größere Anzahl derer, die Jesus Christus gefolgt waren. Die prägnante Beschreibung unterstreicht die Brüderlichkeit zwischen den Jüngern des Herrn Jesus. Sie waren versammelt, um sich gegenseitig in der Erwartung der Erfüllung der Verheißung Jesu Christi über das Kommen des Trösters, des Heiligen Geistes zu stützen. Diese Brüderlichkeit wurde durch das Gebet verstärkt. Tatsächlich heißt es: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14).

Liebe Brüder und Schwestern, auch wir müssen in der gleichen Haltung diese Zeit der Erwartung des Heiligen Geistes leben. Unser Gebet sollte daher eifriger und einmütiger geschehen. Die Lesungen, welche uns die Kirche heute zur Eucharistiefeier und auch im Brevier vorlegt, helfen uns bei diesem Bestreben. Das Gebet stärke sodann unsere Gemeinschaft, die auf den Herrn Jesus gründet, der allein „das Fundament“ ist (vgl. 1 Kor 3,11). Auch wir warten auf die Erfüllung der Verheißung des auferstandenen und zum Himmel heimgekehrten Herrn über das Kommen des Heiligen Geistes, des Trösters, der für immer bei uns bleibt.

2. Der Geist lässt das Evangelium besser verstehen

In dieser Haltung des Gebetes und der Brüderlichkeit können wir die Botschaft des Evangeliums und der heutigen Lesung aus dem Petrusbrief besser verstehen. Verweilen wir daher bei zwei Aspekten: die Verherrlichung Jesu und das ewigen Leben.

„Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht!“ (Joh, 17,1). Mit diesen Worten beginnt das sogenannte hohepriesterliche Gebet Jesu vor dessen Passion und Tod. Die Stunde des Verrates, Beginn der Demütigung bis hin zum Tod, ist für Jesus bereits der Anfang der Verherrlichung. Der Herr hatte dies bereits angekündigt: „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin“ (Joh 8,28). Vereint mit dem Herrn Jesus erkennt auch der Christ den Wert des Leidens, das er oft wegen seines Glaubens auf sich nehmen muss. Die Demütigung und der Schmerz der Verfolgung sind jedoch nicht Ursache von Traurigkeit und Trostlosigkeit, sondern sollen zum Grund der Freude werden. „Geliebte, freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln“ (1 Petr 4,13). Das Leiden für den Herrn Jesus ist nach dem Apostelfürsten Petrus für den Christen allein in der Gnade des Heiligen Geistes möglich. „Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch“ (1 Petr 4,14). Das wegen des Glaubens an Jesus Christus erlittene Leid ist nicht nur für den einzelnen Zeugen das Tor zur Herrlichkeit, sondern spendet der ganzen Gemeinschaft Segen. Schon Tertullian (155-220) hat diese Wahrheit mit dem bekannten Wort ausgedrückt: „Das vergossene Blut der Märtyrer ist der Same, aus dem neue Christen entstehen“ (Sanguis martyrum, semen christianorum). Mit dieser Sichtweise des Glaubens und der Hoffnung betrachten wir das Zeugnis der zahllosen christlichen Märtyrer dieser Zeit in vielen Gegenden der Welt. Mit ihnen sind wir im Gebet und in christlicher und menschlicher Solidarität vereint. Von ihnen empfangen wir den erneuerten Glaubensmut und die Bereitschaft zum christlichen Zeugnis bis zum Tod.

„Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3). In das Gebet an den Vater schließt Jesus auch seine Jünger ein. Ihnen wollte er den Namen des Vaters bekannt machen, wie auch die einzigartige und unwiederholbare Beziehung zwischen Ihm, dem Sohn, und dem Vater. Weil er sich der Gefahren bewußt ist, denen die Jünger in der Welt ausgesetzt sind, bittet Jesus: „Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir“ (Joh 17,9). In diesem Klima des Gebets und des Vertrauens bekommt die Aussage des Herrn Jesus über das ewige Leben eine besondere Bedeutung. Das Wesentliche des ewigen Lebens ist die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn. Um zu dieser Gemeinschaft aufzusteigen, ist es nötig, den wahren Gott zu kennen, was nur in der Gnade des Heiligen Geistes möglich ist. So erkennt man den Vater durch den Sohn, der das Werk in der Welt vollbracht hat, das der Vater ihm aufgetragen hat. Er hat für den Vater Zeugnis abgelegt und deswegen sind seine Jünger dafür Zeugen: „Sie haben jetzt erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist. Denn die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben“ (Joh 17,7-8). Jesus Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1 Tim 2,5). Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch ihn (vgl. Joh 14,6). Erflehen wir das Kommen des Heiligen Geistes, dem Einzigen, der uns und die Kirche dazu führen kann, die ganze Wahrheit zu erkennen, die Jesus mit Worten verkündigt und durch Zeichen, Gesten und Wunder beglaubigt hat.

Liebe Brüder und Schwestern, in dieser Zeit des Wartens auf den Heiligen Geist wollen wir eifrig im Gebet bleiben. Die Apostel und die Jünger der Urgemeinde geben uns ein Beispiel, dem wir folgen wollen. In besonderer Weise bleiben wir mit der seligen Jungfrau Maria vereint, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, vor allem in diesem ihr geweihten Monat Mai und beim Gebet des Rosenkranzes. In diesem Gebet haben wir eine verdichtete Weise des Evangeliums. Es hilft uns, die Geheimnisse des Lebens Jesu zu betrachten und besonders seine Verherrlichung durch das Kreuz zu entdecken, wie auch den wesentlichen Inhalt des ewigen Lebens zu verstehen, der darin besteht, den einen, wahren Gott zu erkennen, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Amen.

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