Predigt von Nuntius Eterovic am Fest der Heiligen Familie

Apostolische Nuntiatur, 27. Dezember 2020

(Gen 15,1-6.21,1-3; Ps 105; Heb 11,8.11-12.17-19; Lk 2,22-40)

„Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit"(Lk 1,38).

Liebe Schwestern und Brüder!

Der erste Sonntag nach Weihnachten ist der Familie von Nazareth geweiht, Jesus, Maria und Josef. Im Licht der Heiligen Familie werden wir ermuntert, für unsere Familien zu beten und über Natur und Sendung jeder menschlichen Familie und insbesondere der christlichen Familie nachzudenken. Die Familie ist Keimzelle von Gesellschaft und Kirche und verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Das Lehramt der Kirche hat der Einrichtung von Familie stets größte Aufmerksamkeit geschenkt. So haben die Väter des II. Vatikanischen Konzils unter anderem betont, „die christliche Familie - entsteht sie doch aus der Ehe, die das Bild und die Teilhabe an dem Liebesbund Christi und der Kirche ist - solle die lebendige Gegenwart des Erlösers in der Welt und die wahre Natur der Kirche allen kundmachen, sowohl durch die Liebe der Gatten, in hochherziger Fruchtbarkeit, in Einheit und Treue als auch in der bereitwilligen Zusammenarbeit aller ihrer Glieder" (GS 48). In dieser verdichteten Aussage sind auch jene Attribute eingeschlossen, die für die Familie, ihre Einheit, Fruchtbarkeit und Unauflöslichkeit wesentlich sind.

Die Päpste haben ebenfalls der Familie große Aufmerksamkeit gewidmet, nicht zuletzt, weil sie in den zurückliegenden Jahrzehnten mit neuen Herausforderungen konfrontiert wurde und Ziel verschiedener Ideologien geworden ist, die teilweise aggressiv deren ursprüngliche Natur verändern wollen, indem sie unter anderem die Familie im traditionellen Sinn mit jeder Vereinigung von Menschen gleichsetzen, auch mit denen des gleichen Geschlechts. Hier genügt, an die Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Familiaris consortio vom 22. November 1981 des Heiligen Papstes Johannes Paul II. sowie an Amoris laetitia von Papst Franziskus vom 18. März 2016 zu erinnern.

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, präsentiert uns zwei sinnbildliche Familien; jene von Abraham, Sara und Isaak und sodann die von Maria, Josef und Jesus. In beiden liegt der Akzent auf dem jeweiligen Kind, insbesondere darauf, was für die Erziehung nötig ist. Bei beiden Paaren gab es ein besonderes Eingreifen Gottes, damit sie einen Sohn bekamen.

Abraham war verbittert, keinen Sohn zu haben, der sein Erbe hätte sein können. Das lässt er den Herrn in einer Vision wissen: „Siehe, du hast mir keine Nachkommen gegeben; so wird mich mein Haussklave beerben" (Gen 15,3). Diesem Jammer entgegnet der Herr mit einer großen Verheißung: „Nicht er wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein" (Gen 15,4). Und von diesem wird es Nachkommen geben so zahlreich wie die Sterne am Himmel (vgl. Gen 15,5). Abraham „glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an" (Gen 15,6) und gewährte ihm den Sohn Isaak. Gott aber stellte Abraham auf die Probe und verlangte von ihm das Opfer seines einzigen Sohnes Isaak. Im Hebräerbrief wird das Drama geschildert, das Abraham dank seines starken Glaubens besiegt hat: „Aufgrund des Glaubens hat Abraham den Isaak hingegeben, als er auf die Probe gestellt wurde; er gab den einzigen Sohn dahin, er, der die Verheißungen empfangen hatte und zu dem gesagt worden war: Durch Isaak wirst du Nachkommen haben. Er war überzeugt, dass Gott sogar die Macht hat, von den Toten zu erwecken; darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild" (Hebr 11,17-19).

Die Opferung des Isaak ist ein Bild für das Opfer der Herrn Jesus. Der wesentliche Unterschied aber ist, dass Gott im Fall des Isaak in letzter Minute eingegriffen hat, um das Opfer zu unterbinden. Das Opfer Jesu Christi, seines Eingeborenen Sohnes, hat er nicht verhindert. Er ließ es zu, um seinen Tod zu einer Quelle des Lebens für Jesus und für alle verwandeln zu können, die auf seinen Namen getauft sind und die über den Tod zum ewigen Leben auferstehen. In der Darstellung Jesu im Tempel von Jerusalem hat der vom Heiligen Geist inspirierte greise Simeon dieses Schicksal Jesu angekündigt: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. ... So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden" (Lk 2,34-35). Hierzu zählt auch der Schmerz seiner Mutter Maria: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen" (Lk 2,35).
In beiden Fällen der Familie von Nazareth und der des Abraham wird eine wichtige Dimension hervorgehoben, dass nämlich die Geburt eines Kindes, ihres Sohnes ein Geschenk Gottes ist. Das ist in beiden Familien einleuchtend, denn Gott greift auf besondere, auf wunderbare Weise ein, indem er Abraham und Sara in ihrem Alter gewährt, ein Kind zu zeugen. Maria wird schwanger ohne Zutun eines Mannes und durch das Wirken des Heiligen Geistes (vgl. Lk 1,35). Aber für jede menschliche Familie, die offen für das Leben ist, gilt, dass sie mit der ihnen eigenen Zeugungskraft als Eheleute teilnehmen am göttlichen Schöpfungswerk. Daher sollen sie jedes Kind als Geschenk Gottes betrachten. Deswegen gibt es kein Recht auf Kinder um jeden Preis, wie es leider heute zuweilen geschieht, wenn wir an die abstoßende Praxis von Leihmutterschaft denken. Ein dankbares Bewusstsein erfordert außerdem, den Kindern gegenüber nicht besitzergreifend zu sein, sondern sie sie in ihrer je eigenen Persönlichkeit zu achten, so dass ihnen erlaubt ist, sich auf gute Weise zu entwickeln. Gott vertraut die Kinder der Sorge der Eltern an, denn jeder Mensch braucht für eine ausgewogene und beständige Entwicklung das Zusammenspiel von Mutter und Vater. Das hebt das heutige Evangelium hervor, wenn es unterstreicht, Jesu habe in der Familie in Nazareth gute Bedingungen für eine solche Entwicklung gehabt. „Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit und Gottes Gnade ruhte auf ihm" (Lk 2,40).

Liebe Brüder und Schwestern, das Wort Gottes lädt uns ein, die Großartigkeit der menschlichen Familie zu entdecken. Der Herr Jesus hat die Liebe zwischen Mann und Frau zur Würde des Sakramentes erhoben. Spender dieses Sakramentes sind die Brautleute, während der Priester oder ein anderer Repräsentant der Kirche deren öffentlich zum Ausdruck gebrachte Liebe bezeugt. Der Herr Jesus hat sein erstes Wunder dank des Eingreifens seines Mutter Maria bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa gewirkt (vgl. Joh 2,1-11). Der seligen Jungfrau Maria, Jesu und unsere Mutter, vertrauen wir all unsere Familien an, besonders jene, die schwierige Zeiten durchleben, vor allem auch in dieser Periode der Corona-Pandemie. Die Leiden sind Teil des familiären Lebens, wie Maria und Josef, wie Abraham und Sara erlebt haben. Gott aber verlässt die Eheleute nicht, die sich Ihm anvertrauen und insbesondere den Herrn Jesus in ihrer Mitte haben und halten. Wir beten, sie mögen die Kraft haben, die Schwierigkeit zu bewältigen und mit Hilfe der Fürsprache der Heiligen Familie von Nazareth die Schönheit des Familienlebens wiederzuentdecken, um das Evangelium der Familie mit Freude leben und anderen verkünden zu können. Amen.

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