Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 14. Januar 2024

(1 Sam 3,3-10; Ps 40; 1 Kor 6,13-15.17-20; Joh 1,35-42)

„Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?“ (Joh 1,38).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes an diesem zweiten Sonntag im Jahreskreis legt uns die Betrachtung der Berufung des Samuel im Alten Testament und jene der beiden Jünger Jesu Andreas und Johannes im Neuen Testament nahe. In beiden Fällen braucht es eine menschliche Vermittlung, um den Ruf Gottes zu vernehmen (I). Im christlichen Leben ist es wichtig zu wissen, wo der Herr wohnt (II), um sich Ihm zu nähern, zu begegnen und bei Ihm zu bleiben (III). Öffnen wir unsere Herzen dem Heiligen Geist, damit wir erkennen, worin unsere Berufung besteht, und vor allem, damit wir entdecken, wo Gott wohnt und auf welche Weise wir Ihm begegnen können.

1. „Rede, denn dein Diener hört“ (1 Sam 3,10).

Diese Worte werden in der Erzählung von der Berufung des Samuel zweimal überliefert. Der junge Samuel wusste nicht, dass es Gott war, der ihn im Schlaf rief. Dreimal ging er zum Hohenpriester Eli, denn er dachte, er hätte die Stimme seines Meisters gehört. Eli hat verstanden, dass JHWH zu Samuel sprechen wollte und wies den Jungen daher an: „Geh, leg dich schlafen! Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört“ (1 Sam 3,9). Als er wiederum den Ruf von JHWH vernahm, antwortet Samuel mit jenen Worten, die ihm Eli eingegeben hatte: „Rede, denn dein Diener hört“ (1 Sam 3,10). Auf diese Weise trat Samuel zum ersten Mal in den persönlichen Kontakt mit JHWH und in eine mystische Erfahrung, die ihm große Autorität verliehen hat, wie geschrieben steht: „Samuel wuchs heran und der Herr war mit ihm und ließ keines von all seinen Worten zu Boden fallen“ (1 Sam 3,19).

Auch im Johannesevangelium hatten die beiden Jünger Andreas und Johannes die menschliche Vermittlung von Johannes dem Täufer nötig, um Jesus zu begegnen. Das Zeugnis des Vorläufers war wichtig für sie. Er hat auf Jesus mit den bedeutsamen Worten gezeigt: „Seht, das Lamm Gottes“ (Joh 1,36). Auf diese Weise richtete er seine beiden Jünger auf Jesus hin aus, und sie begannen, Ihm zu folgen.

Liebe Brüder und Schwestern, auch wir sind Menschen begegnet, die uns die Begegnung mit Jesus Christus erleichtert haben. Das könnten unsere Eltern, unsere Angehörigen, der Pfarrer oder ein Priester oder ein Ordensmann oder eine Ordensfrau, der Spiritual oder andere Erzieher gewesen sein, wie auch eifrige Laien, die sich für Gottes Botschaft einsetzen. Bei dieser Gelegenheit danken wir dem dreieinen Gott, dass er uns diese Personen auf unseren Lebensweg geschickt hat. Wir sind zugleich voller Dankbarkeit, wenn wir im Gebet an sie denken und ihrem Beispiel folgen, indem wir anderen durch das Beispiel eines christlichen Lebens oder durch guten Ratschlag helfen, vor allem den Jungen, dem Herrn Jesus zu begegnen.

2. „Kommt und seht“ (Joh 1,39).

Auf die Frage von Andreas und Johannes: „Rabbi – das heißt übersetzt: Meister – wo wohnst du?“ (Joh 1,38), antwortet Jesus: „Kommt und seht“ (Joh 1,39). Die Beiden folgten dem Herrn und blieben den Tag über bei ihm und erkannten, dass diese Erfahrung ihr ganzes Leben prägen wird. Sie konnten es nicht für sich behalten, sondern mussten es den anderen mitteilen. So berichtete Andreas seinem Bruder Simon und führte ihn zu Jesus. Es wurde eine folgenschwere Begegnung, die das Leben des Simon veränderte, der zum Petrus wurde. „Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels“ (Joh 1,42). Eine Namensänderung in der Bibel zeigt unter anderem mit Worten die neue Richtung im Leben einer Person an.

Die Einladung des Herrn Jesus: „Kommt und seht“ (Joh 1,39) ist an alle Menschen gerichtet, die gerufen sind, Glieder der Kirche zu werden. Vor allem an die Christen ist sie gerichtet, damit sie authentische Zeugen Jesu Christi und eifrige Apostel seines Evangeliums werden. Ist es angebracht, die Frage zu stellen: Wo wohnt Jesus? Wo können wir ihm wahrhaft begegnen?

3. „Bleibt in mir und ich bleibe in euch“ (Joh 15,4).

Die Person Jesu selbst ist der Ort der Begegnung des Jüngers mit seinem Meister. Und das ist tatsächlich mehr, als einen materiellen Ort zu finden, wo Jesus wohnt. Er lädt uns ein, in ihm selbst zu verweilen: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56). Daher ist die Eucharistie der bevorzugte Ort des Verweilens des Herrn Jesus und somit für unsere Begegnung mit dem glorreich auferstandenen Herrn, der unter uns in den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig ist. Angesichts dieses großen Glaubensgeheimnisses sollten wir aufs Neue den Sinn des Staunens und der Anbetung entdecken. Der Heilige Vater Franziskus mahnt uns, „Jesus zu betrachten, vor ihm zu bleiben; Ihn in der Eucharistie anzubeten ist keine vertane Zeit, sondern dies gibt vielmehr der Zeit den Sinn“ (Angelus am 6. Januar 2024). In der Eucharistie verdichten sich auf konkrete Weise die Worte des Herrn: „Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (Joh 15,4).

Eins mit dem Herrn Jesus erreichen wir sodann Gottvater: mittels der Menschheit Jesu Christi können wir auch im Vater wie im Eingeborenen Sohn verweilen, der zum Apostel Thomas gesagt hat: „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? … Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist“ (Joh 14,10-11). Jesus hat sodann klar gemacht, dass er gekommen ist, den Willen des Vaters zu erfüllen, „denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38). Daher können auch wir Jesus begegnen, wenn wir den Willen des Vaters erfüllen. Dieser ist uns bekannt gemacht durch das Wort Gottes und durch die vom authentischen Lehramt interpretierte lebendige Tradition der Kirche.

Ein bevorzugter Ort der Begegnung mit Gott im Heiligen Geist ist das Gebet, vor allem durch jenes, das Jesus selbst uns gelehrt hat wie im Vaterunser (vgl. Mt 6,7-15).

Eine andere Weise Jesus zu begegnen ist die Liebe. Er selbst hat betont, dass das oberste Gebot in der Liebe zu Gott und dem Nächsten besteht (vgl. Mk 12,28-31). Diese Liebe ist für alle gemeint, vor allem aber zu den Kleinsten: „Das aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich keinen von denen, die er mir gegeben hat, zugrunde gehen lasse, sondern dass ich sie auferwecke am Jüngsten Tag“ (Joh 6,39). Die Liebe sollte sich in konkretem Tun ausdrücken, aber ebenso das ganze Leben des Christen prägen durch eine innige Beziehung mit dem Herrn Jesus, wo Er in uns und wir in Ihm sind.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese Gedanken der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, damit wir unsere christliche Berufung erneuern können in der Dankbarkeit für alle jene, die uns auf dem Glaubensweg geholfen haben, uns für den Heiligen Geist zu öffnen, damit wir dem Herrn Jesus dort begegnen können, wo er ist, vor allem in den Sakramenten und insbesondere in der Eucharistie. Amen.

Zurück