Predigt von Nuntius Eterovic am Fest des Heiligen Benedikt im Kloster Ettal

Kloster Ettal, 11. Juli 2019

(Spr 2,1-9; Ps 33; Mt 19,27-29)

Fest des Heiligen Benedikt
Vater des abendländischen Mönchtums - Schutzpatron Europas

„Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben“ (Mt 19,29).

Verehrter Abt Barnabas,
liebe Mönchsgemeinschaft von Ettal,
liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Schwestern und Brüder!

Die Worte des Herrn Jesus sind für jeden Christen gültig. Sie gelten aber in besonderer Weise für die Personen des geweihten Lebens, also auch Euch, liebe Brüder der benediktinischen Gemeinschaft von Kloster Ettal. Herzlich grüße ich Euren Abt Barnabas Bögle und danke ihm für die Einladung, dieser Eucharistiefeier am Hochfest des Heiligen Benedikts, des Mönchsvaters und Patron Europas, vorzustehen. Das gibt mir die Gelegenheit, Euch erneut die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus zu übermitteln, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Er hat sich am 29. Juni mit einem Apostolischen Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland gewandt (in der Folge Schreiben). Ein bedeutender Teil dieses Volkes seid Ihr, verehrte Benediktiner. Daher seid auch Ihr gerufen, über den Inhalt der Botschaft von Papst Franziskus nachzudenken und sie in die Praxis Eures persönlichen, gemeinschaftlichen und kirchlichen Lebens umzusetzen.

Lasst uns in der Offenheit für den Heiligen Geist gemeinsam über das Wort Gottes reflektieren, das heute an jeden von uns und an Euch als Gemeinschaft gerichtet ist. Es ermahnt uns dazu, Gott stets den ersten Platz einzuräumen, oder mit den Worten Eures Gründers: „Nihil amore Christi praeponere – Der Liebe zu Christus nichts vorziehen“. Durch zwei wesentliche Merkmale des christlichen Lebens wird dies erreicht: in der Armut (I) und im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes (II). Hieraus erwächst ein neuer missionarischer Schwung, das erneuerte Werk der Evangelisierung von Welt, vor allem auf unserem europäischen Kontinent (III).

1. „Jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat“ (Mt 19,29).

Der Herr Jesus sagt klar: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Lk 16,13). Die Verheißung Jesu übersteigt die materiellen Güter und erstreckt sich auf die Beziehungen zu den anderen, zu einer großen Gemeinschaft von Personen, die im auferstandenen Herrn zu einer neuen christlichen Familie werden, die aus neuen Brüdern und Schwestern besteht und aus einer neuen geistlichen Vater- und Mutterschaft. Auch zum Erbe des ewigen Lebens bietet der Herr einige ermutigende Ideen. Er kündigt eine neue Schöpfung an, „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Offb 21,1), „wo der Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt“ (Mt 19,28). In seinem Reich wird es für alle seine Jünger viele Wohnungen geben (vgl. Joh 14,2). Die Zwölf aber nehmen eine besonders wichtige Rolle ein, denn sie sitzen „auf zwölf Thronen, um die zwölf Stämme Israels zu richten“ (Mt 19,28). Die zwölf Stämme weisen auf die Kirche hin, das neue Volk Gottes, wo die Apostel in der Einheit mit dem Herrn Jesus einen besonderen Dienst an den Gläubigen tun.

Die Armut um des Reiches Gottes willen ist fruchtbar, gibt Zugang zur Herrlichkeit des Himmels und schenkt neue Beziehungen, eine neue Brüderlichkeit zwischen den Menschen. Daher soll der Christ nicht zu sehr an die irdischen Dinge gebunden sein. Er muss Gott stets den Vorrang geben, der Suche nach der Begegnung mit Ihm und somit den geistlichen Gütern. Die materiellen Dinge kommen an zweiter Stelle, um die Suche nach Gott und seinem Reich zu unterstützen, wie der Herr es sagt: „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Auch wenn es an zweiter Stelle genannt wird, so kommt der Arbeit ebenfalls eine wichtige Aufgabe im Leben des Christen zu. Das lässt sich auch aus dem benediktinischen Leitwort ableiten: ora et labora – bete und arbeite. Hier gilt die Regel des Heiligen Paulus: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ (2 Thes 3,10). Die Arbeit hat im Rahmen des Gebetes nicht nur seine eigene Würde, sondern ist das unverzichtbare Mittel zur Herstellung von Nahrung und der notwendigen Dinge zum Überleben von Menschen, die in kleinen und großen Gemeinschaften leben. Wenn die Menschen von den geistlichen Gütern wirklich geführt würden, gäbe es den Skandal des Hungers in der Welt nicht. Trotz des großen technischen Fortschritts leiden aktuell etwa 800 Millionen Menschen weltweit unter Hunger.

2. Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes

In der ersten Lesung aus dem Buch der Sprichwörter haben wir gehört: „Mein Sohn, wenn du meine Worte annimmst und meine Gebote beherzigst, …… dann wirst du die Furcht des HERRN begreifen und Gotteserkenntnis finden“ (Spr 1.5). Das Wort Gottes kennen und beachten bedeutet, in der Gottesfurcht leben. Sie ist „die Gabe des Geistes, die uns daran erinnert, wie klein wir sind vor Gott und vor seiner Liebe, und dass unser Wohl darin besteht, uns mit Demut, mit Hochachtung und mit Vertrauen in seine Hände hinzugeben. Das ist die Gottesfurcht: die Hingabe an die Güte unseres Vaters, der uns so sehr liebt“ (Franziskus, Generalaudienz 11. Juni 2014). Außerdem erlangen wir durch das Wort Gottes wahre Weisheit, jenen kostbaren Schatz, der uns „Recht und Gerechtigkeit begreifen lässt, Redlichkeit und jede gute Bahn“ (Spr 2,9).

Die inspirierten Autoren des Gotteswortes, der Heiligen Schrift haben 39 Bücher verfasst: die Tora (den Pentateuch – fünf Bücher), die Nevi’im (Propheten – fünf Bücher) und die Ketubim (Schriften – 21 Bücher). Der Kanon der Heiligen Schrift umfasst für uns Katholiken 73 Bücher: 46 im Alten Testament und 27 im Neuen Testament. Im Zentrum des Neuen Testaments steht Jesus Christus, „das Wort, das Fleisch geworden ist“ (Joh 1,14). In Ihm sind alle Worte, die Gott den Menschen geoffenbart hat, zusammengefasst. Der Heilige Johannes vom Kreuz sagt zur Menschwerdung des Wortes: „Denn indem er uns seinen Sohn gab, und den gab er uns ja, der sein einziges Wort ist, und er kein anderes hat, hat er uns in diesem einen Wort alles zugleich und auf einmal gesagt, und mehr hat er nicht zu sagen. …. Das, was er früher stückweise zu den Propheten sprach, das hat er in ihm ganz ausgesagt, indem er uns ‚den Alles” gab, der sein Sohn ist. Wer deshalb jetzt noch Gott befragen oder eine Vision oder Offenbarung von ihm wünschen wollte, beginge nicht nur eine Dummheit, sondern er würde Gott eine Beleidigung zufügen, weil er seine Augen nicht ganz und gar auf Christus richtet, ohne noch etwas anderes oder Neues zu wollen“ (Aufstieg auf den Berg Kamel, II,22).

3. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16)

Liebe Brüder und Schwestern, in der Feier der Heiligen Messe sind wir in einer Feier mit der Liturgie des Wortes und der Eucharistie begnadet. Jesus Christus, der schon in den Lesungen gegenwärtig ist, die verkündet worden sind, schenkt sich uns unter den Gestalten von Brot und Wein im Sakrament der Eucharistie. Es handelt sich um ein derart ausgezeichnetes Geschenk, das jede Vorstellungskraft und alle menschlichen Wünsche übersteigt. Es handelt sich wirklich um eine Gabe aus der ewigen Höhe, mit der uns Gott seine Liebe zeigt „bis zum Ende“ (Joh 13,1). Wir, die wir Zeugen dieser Gabe sind, sind auch gerufen, dies den Nahen und Fernen zu verkünden. Das Wort des Heiligen Paulus spornt uns an: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Der Heilige Vater fordert die Katholiken in Deutschland ganz im Sinne der fortwährenden Tradition der Kirche zu einem erneuten Werk der Evangelisierung auf. Er besteht hierbei auf der Notwendigkeit, „den Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen, um die Zukunft mit Vertrauen und Hoffnung in den Blick zu nehmen, denn «die Kirche, Trägerin der Evangelisierung, beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren. Als Gemeinschaft von Gläubigen, als Gemeinschaft gelebter und gepredigter Hoffnung, als Gemeinschaft brüderlicher Liebe muss die Kirche unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muss, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist»“ (Schreiben Nr. 7 – Paul VI., Evangelii nuntiandi). Papst Franziskus warnt vor zwei Gefahren: Zum einen vor einem „neuen Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen“ (Schreiben Nr. 5). Die zweite Gefahr besteht in einem Gnostizismus, bei dem dessen Förderer, „um sich einen eigenen Namen zu machen und den Ruf ihrer Lehre und ihren Ruhm zu mehren, versucht haben, etwas immer Neues und Anderes zu sagen als das, was das Wort Gottes ihnen geschenkt hat. Es ist das, was der heilige Johannes mit dem Terminus proagon beschreibt (2 Joh 9); gemeint ist damit derjenige, der voraus sein will, der Fortgeschrittene, der vorgibt über das ‚kirchliche Wir‘ hinauszugehen, das jedoch vor den Exzessen bewahrt, die die Gemeinschaft bedrohen“ (Schreiben Nr. 9).

Liebe Mitbrüder, um diesen Gefahren zu entgehen, ist es nötig, daß Ihr Euer benediktinisches Charisma gut und treu lebt, das in dem erwähnten Worten zusammengefasst ist: „Nihil amori Christi praeponere“ und ora et labora. Dieser christliche Lebensstil drückt sich in besonderer Weise in der Feier der heiligen Mysterien, vor allem in der Eucharistie aus, welche Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens ist. Sie ist das Herz der Kündung des Evangeliums, insbesondere in den monastischen Gemeinschaften, die auch in unserer säkularisierten Welt geistliche Oasen geblieben sind. Um in rechter Weise auf die Ermahnung des Heiligen Vaters zu antworten, ist nötig, in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den göttlichen Kult in all seinen Formen schön und gut zu feiern und daraus einen neuen Schwung für das so wichtige Werk der Evangelisierung unserer Welt zu erlangen. In diesem Sinne ist es wichtig, die tägliche Eucharistiefeier wiederzuentdecken. Die Liebe zu Gott und dem Nächsten, die genährt wird vom eucharistischen Brot, wird kreativ machen, neue Weisen zu finden, Jesus Christus und sein Evangelium zu verkünden, wozu beispielsweise die sozialen Netzwerke als Werkzeuge bereit stehen. Das Gebet, das auf diese Weise bezeugt werden kann, erlaubt es, Missionar zu werden, auch wenn man in einem Kloster lebt. Diese Methode der Evangelisierung durch das Gebet hat übrigens entscheidend zur Christianisierung Europas nach dem Fall des überwiegend heidnischen Römischen Reiches beigetragen. Mit dem Säkularismus verbreitet sich heute eine neue Form von Heidentum. Um ihm zu widerstehen, mehr noch, um ihn mit der Verkündigung der guten Nachricht vom Heil zu überwinden, muss man sich der göttlichen Vorsehung anvertrauen, welche die Menschen und die Geschichte lenkt. Nötig ist aber auch unsere Mitarbeit, damit Gott unter den Menschen unserer Zeit gekannt, geliebt und gelobt werden kann. Die Christen wirken dem Säkularismus allein mit dem Glauben entgegen. Der Erfolg dieses geistlichen Widerstandes garantiert uns das Wort Gottes: „Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4).

Liebe Brüder und Schwestern, die Erfüllung dieser guten Vorsätze vertrauen wir der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Mutter der neuen Evangelisierung. Sie, die „voller Gnade“ (Lk 1,28) ist, möge unser Leben begleiten, das der Liebe zu Gott und dem Nächsten in den Evangelischen Räten von Gehorsam, Armut und Keuschheit geweiht ist, um das Reich Gottes zu erhalten, das der Herr denen versprochen hat, die alles verlassen haben, um ihm zu folgen (vgl. Mt 19,29). Amen.

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