Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest Christi Himmelfahrt
Apostolische Nuntiatur, 13. Mai 2021
(Apg 1,1-11; Ps 47; Eph 4,-13; Mk 16.15-20)
Jesus wurde „in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19).
Liebe Schwestern und Brüder,
freudig feiern wir das Hochfest Christi Himmelfahrt. Nach vierzig Tagen, an denen er den Aposteln und Jüngern erschienen war, ist der auferstandene Herr mit seiner verwandelten Menschheit und seinem verklärten Leib zum Himmel aufgefahren. Die Lesungen, die wir gehört haben, beziehen sich alle drei auf dieses große Ereignis unsers Glaubens. Die Verherrlichung unseres Herrn Jesus Christus, des „Erstgeborenen der Toten“ (Kol 1,18), nährt in uns die Hoffnung, dass auch wir Jünger unserem Meister in Tod, Auferstehung und seligem Leben mit Ihm im Himmel folgen werden. In der Kraft des Heiligen Geistes, den der auferstandene Herr ohne Maß (vgl. Joh 3,34) ausgießt, werden auch wir mit Leib und Seele verwandelt und verherrlicht, um in der Gemeinschaft der Heiligen im Himmel leben zu können und in Ewigkeit das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu preisen.
Verweilen wir bei einigen Aspekten der heutigen Lesungen, die uns helfen, das Geheimnis, das wir heute feiern, tiefer zu verstehen.
- Die Sendung
Sowohl der Abschnitt aus dem Markusevangelium, wie auch der aus der Apostelgeschichte verbinden das Ereignis der Himmelfahrt mit dem Sendungsauftrag, das Evangelium der ganzen Welt zu verkünden. Die Jünger Jesu Christi sollen nicht passiv bleiben und zum Himmel schauen, wohin der Herr entschwunden ist, sondern müssen Sein Evangelium jedem Geschöpf verkünden. Der Heilige Markus überliefert die Worte des auferstanden Herrn: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden“ (Mk 16,15-16). Dieser Befehl an die elf Apostel schien riskant, denn sie hatten keine angemessene Vorbereitung für eine solch enorme Sendung in die Welt, die in jener Zeit vom Römischen Reich dominiert worden war. Der Herr aber hat sie ermutigt und ihnen die Zeichen vorhergesagt, die jene vollbringen werden, die zum Glauben an Jesus kommen: „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“ (Mk 16,17-18).
Auch in der Apostelgeschichte gibt es den Graben zwischen der Haltung der Apostel, die sich vor allem für das Datum der Wiedererrichtung des Reiches Israel interessieren (vgl. Apg 1,6) und dem Gebot des Herrn Jesus. Er war sich ihres Unvermögens bewußt und hat an seine Verheißung erinnert, über sie den Heiligen Geist auszugießen, der Zeugnis für Jesus ablegen wird und sie in die ganze Wahrheit einführt (vgl. Joh 16,13), so daß sie den Anderen vorleben und verkündigen müssen: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8).
Liebe Brüder und Schwestern, die Worte des auferstandenen und zum Himmel heimgekehrten Herrn sind hoch aktuell. Nach zwanzig Jahrhunderten der Verkündigung des Evangeliums steht die Evangelisierung noch am Anfang. So hat der Heilige Johannes Paul II. geschrieben: „daß diese Sendung noch in den Anfängen steckt und daß wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen. Der Geist ist es, der dazu ermuntert, die Großtaten Gottes zu verkünden: »Ich kann mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9, 16). (Enzyklika Redemptoris missio vom 7. Dezember 1990, 1). Diese Aussage lässt im Bewußtsein halten, dass nach zweitausend Jahren der Verkündigung des Evangeliums die Zahl der Christen lediglich 33 Prozent der Weltbevölkerung umfasst. Wie den Aposteln, so kann auch uns diese Sendung unerfüllbar scheinen, und sie wäre es tatsächlich, wenn wir dabei allein auf unsere menschlichen Kräfte setzen wollten. Beim Gebot des Herrn aber handelt es sich um eines, für das er uns seinen Heiligen Geist sendet, der allein in der Lage ist, seiner Kirche eine neue Dynamik zu verleihen, auch in unserer Zeit und in der heute so säkularisierten Welt die gute Nachricht des Todes, der Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu verkünden. Daher lasst uns keine Zeit verstreichen oder Kräfte verschwenden, passiv zu bleiben oder uns in fruchtlosen Diskussionen verlieren und bei unbefriedigenden Versammlungen oder unrealistischen Vorhaben und Programmen verharren, sondern lasst und das tun, was der Herr von uns allen erwartet: das Evangelium jedem Geschöpf zu predigen.
- Setzen zur Rechten des Vaters
Nach dem Heiligen Markus ist der Herr Jesus zum Himmel aufgefahren und „setzte sich zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19). Dieses Bild gehört zur Symbolsprache, die in der Bibel häufig benutzt wird. Der Heilige Hieronymus hat hierzu geschrieben: „In Analogie zum Menschlichen hat (der Heilige Paulus) die Macht Gottes beschrieben: in der Tat aber gibt es keinen Thron, auf dem Gottvater sitzt und wo er neben sich den Sohn hat Platz nehmen lassen, doch wir sind nicht imstande, Ihn als Richter und Herrscher zu erfassen, wenn nicht über uns vertraute Worte. Das bezieht sich auch auf jene Worte in Psalm 110: ‚So spricht der HERR zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße‘ (V 1). …. Gott nahe zu sein oder von ihm entfernt, das sind Ausdrücke, die sich nicht auf einen physischen Raum beziehen, sondern vielmehr auf die Verdienste, wodurch die Heiligen Ihm nahe sind, während die Sünder, von den der Prophet sagt: ‚Siehe, die sich von dir entfernen, werden umkommen‘ (vgl. z.B. Ps 73,27), aus seiner Nähe getilgt sind; gleichermaßen rechts oder links von Gott zu stehen muss in dem Sinn verstanden werden, dass zu seiner Rechten die Heiligen, zu seiner Linken die Sünder sind. Auch der Erlöser bestätigt das im Evangelium, wenn er daran erinnert, die Schafe stehen zu seiner Rechten, die Böcke hingegen zur Linken (vgl. Mt 25,33)“ (Kommentar zum Epheserbrief, Liber I, 1,18-20-1,20-21).
- Der verherrlichte Leib Jesu
Das Hochfest der Himmelfahrt ermuntert uns erneut, Gott für die Verherrlichung des Herrn Jesus an Leib und Seele zu danken. Sein Hinabsteigen, nämlich die Menschwerdung, und sein Hinaufgehen, die Himmelfahrt, sind miteinander verbunden. Denn der Heilige Paulus sagt: „Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen über alle Himmel, um das All zu erfüllen“ (Eph 4,10). Da „Christus von den Toten auferweckt worden (ist) als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20), so glauben wir, die wir in der Taufe mit dem Herrn Jesus vereint sind, dass wir am Jüngsten Tag zum ewigen Leben mit verwandelten Leib, der dem verherrlichten Leibe des Herrn Jesus ähnlich sein wird, auferstehen werden. Hierzu zitiert der Heilige Vater Franziskus eine Stelle aus der Göttlichen Komödie des Dante Alighieri (1265-1321), um zu zeigen, wie der Sommo Poeta, der große Dichter, die Wahrheit der Auferstehung des Fleisches erfasst hat. Der Papst führt aus: Das Geheimnis der Fleischwerdung „ist die eigentliche Inspirationsquelle und der Wesenskern des ganzen Werkes. Hier verwirklicht sich, was die Kirchenväter ‚Vergöttlichung‘, admirabile commercium, einen wunderbaren Tausch nannten: Während Gott in unsere Geschichte eintritt und unsere konkrete menschliche Natur annimmt, kann der Mensch mit seinem Fleisch in die göttliche Wirklichkeit eintreten, welche durch die Rose der Seligen symbolisiert wird. Die Menschheit in ihrer Konkretheit, mit ihren alltäglichen Gesten und Worten, mit ihrem Verstand und ihren Gefühlen, mit ihrem Körper und ihren Emotionen, wird in Gott aufgenommen, in dem sie wahre Glückseligkeit und volle und endgültige Erfüllung findet, was das Ziel ihres gesamten Weges ist. Dante hatte dieses Ziel zu Beginn des Paradiso herbeigesehnt und vorausgesehen: »So musste sich darüber erst recht der Wunsch einstellen, jene Wesenheit zu erschauen, in der unsere Menschennatur und Gott sich vereint haben. Dort oben wird man sehen, was wir hier nur glauben können, ohne weiteren Beweis, es wird sich vielmehr von sich aus zu erkennen geben, wie eine Grundwahrheit, die der Mensch glaubt« (Divina Commedia II, 40-45)“ (Apostolisches Schreiben Candor lucis aeternae vom 25. März 2021, 6).
Liebe Brüder und Schwestern, der erste Mensch, der Jesu Auffahrt zum Himmel gefolgt ist, ist die selige Jungfrau Maria, die „als sie ihren irdischen Lebensweg beendet hatte, mit Leib und Seele zur Herrlichkeit des Himmels erhoben worden ist“ (Pius XII., Apostolische Konstitution Munificentissimus Deus vom 01. November 1950). Der Mutter Jesu und unserer Mutter vertrauen wir unsere Überlegungen und Gebete an. Maria, die Königin des Himmels, tritt bereitwillig für uns ein, dass Gott uns im Heiligen Geist mit dem Glauben segne, dass die Himmelfahrt des Herrn Jesu die Vorwegnahme unserer Verherrlichung im Himmel mit Leib und Seele ist. Amen.