Predigt von Nuntius Eterović am Hochfest Christi Himmelfahrt bei der Eröffnung der XVI. Mettlacher Wallfahrt zum Heiligen Lutwinus
(Apg 1,1-11; Ps 47; Eph 4,1-13; Mk 16,15-20)
Mettlach, 10. Mai 2018
„Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16,15).
Liebe Brüder und Schwestern!
Mit großer Freude feiern wir das Hochfest der Himmelfahrt Christi. Im Verlauf der 40 Tage nach seiner Auferstehung ist Jesus auf verschiedene Weise seinen Jüngern erschienen, um ihren Glauben an ihn, den Herrn, der gestorben war, von den Toten auferstand und in ihrer Mitte gegenwärtig ist, zu stärken. Jetzt, wo sie seines Sieges über Sünde und Tod sicher sind, ist der verherrlichte Herr zum Himmel aufgefahren und hat sich zur Rechten Gottes des Vaters gesetzt. Das heutige Festgeheimnis erweckt in uns das gleiche Verhalten wie bei den Jüngern: 1. zum Himmel schauen und die Auffahrt Jesu verfolgen; 2. die Bereitschaft, die Mission zu erfüllen, die der Auferstandene uns aufgetragen hat. Bevor wir über diese Aspekte nachdenken, möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, daß ich als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland mit Euch dieses Hochfest feiern kann, mit der die XVI. Mettlacher Wallfahrt eröffnet wird und der Schrein mit den Reliquien des Heiligen Lutwinus erhoben worden ist (I). Besonders grüße ich Euren Hochwürdigen Herrn Pfarrer Hans-Thomas Schmitt und danke ihm für die freundliche Einladung, dieser Heiligen Messe zur Wallfahrtseröffnung vorzustehen.
1. Grüße im Namen von Papst Franziskus.
Der Heilige Paulus unterstreicht im Brief an die Epheser das Wunder, daß der Heilige Geist unaufhörlich Jünger Jesu Christi macht. Dank des Geistes, der Gabe des auferstandenen Herrn, werden wir, die wir verschieden sind, eins, zu Gliedern der Kirche, zur Gemeinschaft derer, die im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft worden sind. Der Völkerapostel ermahnt alle Christen, sich der Berufung, die sie erhalten haben, in Demut, Friedfertigkeit und Geduld würdig zu erweisen. Deswegen „bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3). Der Heilige Geist wirkt nach den inspirierten Worten des Heiligen Paulus das Wunder der Einheit in der Kirche: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,4-5). Der eine Leib ist der des Herrn Jesus. Die Kirche ist der geheimnisvolle Leib Jesu Christi. Wir Christen sind alle Glieder der Kirche, deren Haupt Jesus Christus ist (vgl. Eph 1,22; 5,23). Es handelt sich um eine spirituelle, unsichtbare Wirklichkeit. Jesus Christus aber wollte seine Kirche auf einen sichtbaren Felsen gründen, auf den Apostel Petrus, dem er versichert hat: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18-19). Selbst wenn der Herr ähnliche Vollmacht auch den anderen Aposteln gab (vgl. Mt 18,18), hat er dem Heiligen Petrus und seinen Nachfolgern eine besondere Mission anvertraut. Eine seiner grundlegenden Aufgaben ist es, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Das Petrusamt ist außerdem wesentlich für die Einheit der Kirche, wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, denn Jesus „hat in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt“ (LG 18). Ich danke der göttlichen Vorsehung, Euch die herzlichen Grüße von Papst Franziskus zu übermitteln, des 265. Nachfolger des Heiligen Petrus, und Euch in seinem Namen zu ermahnen, das einzigartige und hohe Gut der Einheit der Kirche zu bewahren. Öffnet Eure Herzen für die Gnade des Heiligen Geistes, damit der Glaube in Euch, in Euren Familienangehörigen und den Menschen, denen ihr im Verlauf des Lebens begegnet, gestärkt werden kann. Als Zeichen der Einheit mit dem Heiligen Vater Franziskus, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche, erteile ich Euch am Ende der Heiligen Messe den Apostolischen Segen.
2. Was steht ihr da und schaut zum Himmel?
Auch nach Seiner Auferstehung verstanden die Jünger die Lehre Jesu nicht wirklich. Sie sollten sich eigentlich darauf vorbereiten, den Heiligen Geist zu empfangen, den Er, der verherrlichte und zum Himmel heimgekehrte Herr, ihnen geben wollte. Sie aber stellten ihm eine Frage, die völlig fehl am Platz war: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6). Die Jünger verstanden die Verheißung des Meisters nicht: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Das zeigt sich auch an ihrer Reaktion angesichts seiner Himmelfahrt. Lange Zeit stehen sie unbeweglich da, völlig überrascht, und starren zum Himmel. Es brauchte das Eingreifen Gottes mittels zweier Gesandter, zweier Engel, um sie aus dieser Starre herauszureißen: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen“ (Apg 1,11). Nachdem die Engel das gesagt hatten, kehrten die Jünger nach Jerusalem in das Obergemach zurück. „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet“ (Apg 1,14).
Erst mit dem Kommen des Heiligen Geistes, den der auferstandene Jesus in Fülle schenkt, verstehen die Jünger endlich die Worte des Herrn Jesus. Der Geist verwandelt sie: aus den Furchtsamen werden Mutige bis hin zum Martyrium, aus Zweiflern werden solche, die sicher sind in der Einsicht der Heiligen Schrift und in der Verkündigung der Großtaten, die Gott durch seinen Jesus getan hat. Passive Menschen bewegen sich und werden zu Missionaren des Evangeliums Jesu Christi.
Für religiöse Menschen, wie es die Apostel waren, ist die Frage: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“ eine Aufforderung, zu den täglichen Pflichten zurückzukehren und insbesondere das zu tun, was Jesus ihnen gesagt hatte. Auch für den heutigen Menschen bleibt das Evangelium auf die gleiche Weise bedeutsam. In unserer säkularisierten Gesellschaft leben viele Männer und Frauen, unsere Brüder und Schwestern, weit entfernt von Gott, in einer religiösen Indifferenz, als ob es Gott nicht gäbe (etsi Deus non daretur). Diese Menschen haben immer wieder nötig, dazu ermuntert zu werden, die Augen zum Himmel zu erheben, um die Schönheit der Schöpfung zu entdecken und die Spuren des Schöpfers zu sehen. Den Menschen, die völlig von den materiellen Dingen besetzt sind, könnte der Blick zum Himmel den Weg zur Transzendenz, zu den geistlichen Werten eröffnen und zur Begegnung mit dem lebendigen Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus in der Gnade des Heiligen Geistes führen. Beten wir heute besonders, daß dies den Menschen geschehen möge, besonders denen, die wir kennen, damit sie die Schönheit eines christlichen Lebens (wieder)entdecken.
3. Geht in die ganze Welt und verkündet das Evangelium.
Vor der Himmelfahrt hat Jesus seine Jünger ausgesandt: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden“ (Mk 16,15-16). Die Verkündigung der Jünger wird begleitet von Zeichen und Wundern, wie es Jesus verheißen hat (vgl. Mk 16,17-18). Der Evangelist Markus merkt an, daß sie im Gehorsam vor der Weisung des Meisters „auszogen und überall verkündigten. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten“ (Mk 16,20). Die erste Lesung beschreibt die Geographie des Missionsweges der Apostel. Sie zogen von Jerusalem nach Judäa und Samaria und nach und nach in die ganze Welt „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Eine weitere wichtige Beobachtung betrifft den Heiligen Geist, der diese Mission grundlegend befördert. Denn der Herr Jesus hat versprochen: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Aus der Apostelgeschichte wissen wir, daß es der Geist war, der die Jünger Jesu führte, neue Wege der Evangelisierung eröffnete und die Herzen vieler Menschen zur Umkehr bewegt hat.
Liebe Brüder und Schwestern, das Wort Gottes, das wir gehört haben, richtet sich an jeden von uns. Wir alle haben den Heiligen Geist nicht nur für uns selbst empfangen, sondern auch, um anderen davon zu berichten, angefangen bei denen, die mit uns leben in unseren Familien, unseren Gemeinschaften, den Pfarreien, der Gesellschaft. Im Epheserbrief schreibt der Heilige Paulus: „Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat“ (Eph 4,7). Wenn alle also die Gnade empfangen haben, so sind alle gerufen, in der Kirche des auferstandenen Herrn, der zur Rechten des Vaters sitzt und unter uns gegenwärtig ist, aktiv zu werden. Der Völkerapostel erwähnt besonders einige Kategorien für die Christen und unterstreicht, daß ihre Sendung allen Gläubigen gilt: „Und er setzte die einen als Apostel ein, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,11-12).
Der Heilige Vater Franziskus nimmt diese Lehre für die Christen von heute auf und hat in seinem jüngsten Apostolischen Schreiben Gaudete et exultate unterstrichen, daß alle Christen dazu gerufen sind, Heilige zu werden. Heilig zu sein heißt, praktizierende Christen, eifrige Missionare des Evangeliums und überzeugte Zeugen Jesu Christus zu werden, wie Papst Franziskus häufig betont. Unter den vielen Heiligen, die in unserer Gemeinschaft verehrt werden, möchte ich unsere Aufmerksamkeit heute besonders auf den Heiligen Lutwinus lenken, der zwar vor vielen Jahrhunderten gelebt hat, dessen Beispiel an Heiligkeit aber immer aktuell bleibt. Er hat unter anderem bezeugt, daß ein Christ nicht passiv bleiben kann, also nur zum Himmel starren soll, sondern sich für die Verkündigung des Evangeliums und für die Förderung der menschlichen Person einsetzen soll. Der Heilige Lutwinus hat hier ein Kloster gegründet und ist damit auch der Gründer Eurer schönen Stadt. Und ihm ist diese eindrucksvolle Pfarrkirche geweiht, die seine Reliquien bewahrt.
Dem Heiligen Lutwinus, allen Heiligen, die in dieser Gemeinde verehrt werden, besonders der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und unsere Mutter, legen wir unsere Überlegungen vor und vertrauen auf ihre Fürsprache. Wir sind dazu entschieden, die Gnade des Heiligen Geistes anzunehmen, um authentische Christen zu werden, Missionare des Evangeliums und Zeugen des auferstandenen und in unserer Mitte gegenwärtigen Herrn. Amen.