Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest der Gottesmutter Maria - Weltfriedenstag

Apostolische Nuntiatur, 1. Januar 2022

(Num 6,22-27; Ps 67; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21)

Berlin, 1. Januar 2022

Hochfest der Gottesmutter Maria
Weltfriedenstag

„Man gab ihm den Namen Jesus“ (Lk 2,21)

Liebe Schwestern und Brüder,

„Gruß dir, heilige Mutter, du hast den König geboren, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde.“ Die Worte der Antiphon zum Eingang der heutigen Heiligen Messe deuten den Grund an, warum die Kirche das neue Jahr mit der Feier des Hochfestes der Gottesmutter Maria beginnt. Maria hat Jesus zur Welt gebracht, den Menschen und Gott, der uns nicht nur am ersten Tag des neuen Jahres, sondern jederzeit und an allen Tagen unseres christlichen Lebens begleiten soll. Unter dem Schutz der Gottesmutter, die auch unsere Mutter ist, beginnen wir das Jahr 2022 mit dem Segen des allmächtigen Gottes, der uns in der Fülle der Zeit Seinen Eingeborenen Sohn gegen hat, „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4) (I). Die Kirche erinnert heute außerdem an die Beschneidung Jesu im Tempel von Jerusalem (II). Er ist „der Friedefürst“ (Jes 9,5), der allein der Welt den wahren Frieden geben kann, woran wir ebenfalls heute am 55. Weltfriedenstag erinnern (III).

Öffnen wir unsere Herzen der Gnade Gottes, um das Wort Gottes, das zu Beginn des Kalenderjahres 2022 an uns gerichtet wird, zu verstehen und jeden Tag leben zu können. Natürlich befinden wir uns in schwierigen Zeiten, vor allem aufgrund der Covid19-Pandemie. Wir wollen daher für alle Schwestern und Brüder beten, die darunter leiden, und hoffen, der Herr möge uns bald von dieser Geisel befreien, nicht zuletzt mit Hilfe der Wissenschaftler und allen Frauen und Männern, die das Corona-Virus bekämpfen.

1. „Geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt“ (Gal 4,4).

Im Galaterbrief finden wir die älteste Beschreibung der Geburt des Herrn Jesus, den der Völkerapostel in den Jahren 56/57 verfasst hat. Es handelt sich um eine theologische Beschreibung ohne detaillierte Angaben zur Geburt des Messias, wie sie in den synoptischen Evangelien der Heiligen Matthäus und Lukas zu finden sind. Der Heilige Paulus hat das Geheimnis, das wir betrachten, in einer schönen Synthese zusammengefasst. Als erstes setzt er die Präexistenz des Sohnes Gottes voraus, wenn er schreibt: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal 4,4). Jesus ist der Sohn Gottes und zugleich Gott. Für seine Menschwerdung brauchte er die Hilfe einer Frau, die zu einer bestimmten geschichtlichen und religiösen Zeit lebte, welche der Apostel mit den Worten beschreibt: „Geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt“ (Gal 4,4). Der Gott Jesus ist auch wahrer Mensch, vom ersten Moment seiner Empfängnis an, die durch das Wirken des Heiligen Geistes und unter Mitwirkung Marias geschah (vgl. Lk 1,35). In der kurzen Beschreibung finden sich sowohl die Kennzeichen der Erniedrigung wie auch der Verherrlichung Jesu, insbesondere in seiner menschlichen Geburt von einer Frau und unter dem Gesetz. In der Bibel weist der Ausdruck „geboren von einer Frau“ auf die menschliche Gebrechlichkeit, die Vergänglichkeit des Fleisches hin, wie es zum Beispiel im Buch Hiob heißt: „Der Mensch, vom Weib geboren, knapp an Tagen, unruhevoll, er geht wie die Blume auf und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht bestehen“ (Hiob 14,1-2). Jesus wurde in Bethlehem in Judäa geboren. Er ist Jude und untersteht daher dem mosaischen Gesetz. Nach Paulus handelt es sich um ein eher äußeres Gesetz, dem man sich unterwerfen muss. Jesus tat dies bereitwillig, um uns in allem ähnlich zu sein, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15). Gleichzeitig wird die Erniedrigung Jesus zum Anlass seiner Verherrlichung und zu unserer Befreiung und Brüderlichkeit. Denn er wurde von einer Frau geboren und dem Gesetz unterstellt, „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen (Gal 4,5). Durch die Menschwerdung hat Jesus ein der Sünde ähnliches Fleisch angenommen (vgl. Röm 8,3), doch er vermochte, die Realität der Sünde in die Logik der Liebe verwandeln. Er bot allen an, durch den Heiligen Geist, den wir in der Taufe empfangen haben, Kinder Gottes zu werden. „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Lasst uns dem dreieinen Gott für dieses große Geschenk danken, denn wir sind nicht mehr Sklaven, sondern Kinder im Sohn, mit dem wir auch „Erbe durch Gott“ werden (Gal 4,7). Das dem Sohn ureigene Gebet, wo er den Vater auf Aramäisch Abba ruft, wird zu unserem Gebet, mit dem wir uns an unseren Vater im Himmel wenden.

2. Man gab ihm den Namen Jesus (Lk 2,21).

Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium bezeugt die bereits von Paulus angedeutete Wahrheit, dass Jesus von einer Frau geboren und dem Gesetz unterstellt war. Deshalb brachten Maria, die Mutter Jesu, und sein Pflegevater Josef das Jesuskind nach jüdischem Gesetz acht Tage nach seiner Geburt zur Beschneidung in den Tempel. Hierbei bekam das Kind den Namen Jesus, was bedeutet: Gott rettet, wie es der Engel verkündet hatte (vgl. Lk 1,31). Dieser Name entspricht wahrhaftig dem Heilswerk, das Jesus, der Sohn Gottes und Menschensohn, in seinem Leiden, durch seinen Tod und mit seiner Auferstehung vollbringen wird. Viele Kirchenväter sahen dieses Geheimnis schon im Ritus der Beschneidung symbolisch vorhergesagt, denn Blut und Schmerzen waren mit der Entfernung der Vorhaut verbunden.

Gott brauchte nicht nur eine Frau, eine Mutter, um geboren zu werden, sondern auch einen rechtmäßigen Vater, also den Heiligen Josef, um so vom Hause David abzustammen, aus welcher der Messias kommen musste. Darüber hinaus gab der gesetzmäßige Vater Jesus das Recht der Volkszugehörigkeit, wie auch das Recht, öffentlich zu sprechen. In der jüdischen Welt dieser Zeit war das Kindern verboten, die ohne legitimen Vater geboren wurden.

Auch später brauchte Gott die Mitwirkung von Menschen bei seinem Heilswerk. Jesus selbst hatte die Apostel und deren Nachfolger nötig, um seine Mission der Evangelisierung und der menschlichen Förderung fortzusetzen.

3. Der Weltfriedenstag

In einer schon längeren Tradition hat der Heilige Vater Franziskus auch in diesem Jahr eine Botschaft zum mittlerweile 55. Weltfriedenstag an alle Verantwortlichen in Politik, Militär und den Religionen gerichtet, um den Frieden zu fördern und Krieg zu vermeiden. Der aber ist leider in vielen Ländern gegenwärtig, auch auf dem europäischen Kontinent, wie beispielsweise in der Ukraine. „Trotz der vielfachen Anstrengungen, die auf einen konstruktiven Dialog zwischen den Nationen hinzielen“, - so Papst Franziskus - „verstärkt sich der ohrenbetäubende Lärm der Kriege und Konflikte, während sich Krankheiten im Ausmaß von Pandemien verbreiten, sich die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltschäden verschlimmern, sich das Drama des Hungers und des Durstes verschärft. Zugleich herrscht weiterhin ein Wirtschaftssystem vor, das mehr auf dem Individualismus als auf einer solidarischen Teilhabe beruht“ (Botschaft zum 55. Weltfriedenstag, 01. Januar 2022). Das Thema in diesem Jahr lautet: Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit – Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen. Das Dokument gliedert sich in vier Punkte. Nach der Einführung, die unter dem Schriftwort steht: Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt (Jes 52,7), schlägt der Heilige Vater drei Wege zum Aufbau eines dauerhaften Friedens vor: Dialog führen unter den Generationen, um den Frieden aufzubauen; Bildung und Erziehung als Motor des Friedens; Schaffung und Sicherung von Arbeit ist friedensstiftend. Dies sind drei große Zusammenhänge, die sich im raschen Wandel befinden und einer innovativen Anstrengung bedürfen, um auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu reagieren. In seiner Botschaft weist Papst Franziskus darauf hin, wie Bildung und Erziehung, Arbeit und Dialog dazu beitragen, einen dauerhaften Frieden in Gerechtigkeit und Freiheit zu schaffen, welcher die Solidarität zwischen den Menschen respektiert. Zu diesem Projekt sind alle Menschen aufgerufen, denn „alle können zusammenarbeiten, um eine friedvollere Welt aufzubauen: angefangen vom eigenen Herzen und von den Beziehungen in der Familie, in der Gesellschaft und mit der Umwelt, bis zu den Beziehungen unter den Völkern und zwischen den Staaten“ (ebd.).

Liebe Brüder und Schwestern, Gott segne alle zu Beginn dieses neuen Jahres. Öffnen wir unsere Herzen, um den Segen aufzunehmen, der uns in der ersten Lesung aus dem Buch Numeri zugesprochen worden ist: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden“ (Num 6,24-26). Der gute und barmherzige Gott, der Vater, Sohn und Heiliger Geist behüte uns und alle Menschen guten Willens vor aller Gefahr, insbesondere vor der Sünde, auf dass die Tage des Jahres 2022 auch inmitten aller Schwierigkeiten glücklich werden und uns zum wahren Frieden führen. Amen.

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