Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest der Gottesmutter Maria - Weltfriedenstag
Apostolische Nuntiatur, 1. Januar 2021
(Num 6,22-27; Ps 67; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21)
„Der HERR segne dich und behüte dich“ (Num 6,24).
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Liebe Schwestern und Brüder,
an diesem ersten Tag des Jahres 2021 tauschen die Menschen gute Wünsche für das neue Jahr aus. Es handelt sich um einen guten Brauch, der unsere gemeinsame Zugehörigkeit zu jener kleinen Gemeinschaft von Familie und jener großen im nationalen oder internationalen Sinn unterstreicht, aber auch unser Bedürfnis, einen Beitrag zum Aufbau einer besseren Welt leisten zu wollen. Die Neujahrswünsche haben in der gegenwärtigen Zeit besondere Bedeutung, denn die Menschheit kämpft gegen die Corona-Pandemie, was einen großen Einfluss auf die Beziehungen von Menschen hat, die einander nicht, wie traditionell üblich, die Hände reichen oder umarmen können.
1. „Der Herr segne dich“ (Num 6,24).
Auch wir Christen tauschen Neujahrswünsche aus, die unserem Glauben eigen sind. Wir sprechen in diese aktuelle Zeit das priesterliche Gebet, das der Herr über Mose den Priestern des erwählten Volkes anvertraut hat. Zu Beginn des neuen Jahres nehmen wir diesen Segen mit offenen Herzen an – für uns, für unsere Familien und alle Menschen guten Willens weltweit: „Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden“ (Num 6,24-26). Dieser Segen stärkt unsere grundlegende Beziehung mit Gott. Auf diesem starken Fundament muss sich unser ganzes christliches Leben gründen. Der Glaube an Gott gibt unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben eine klare und sichere Orientierung, ein Licht, das auch in der Finsternis dieser Welt leuchtet. Es öffnet unser Herz, um die Liebe Gottes zu uns zu entdecken und gibt uns die Kraft, auch den Nächsten zu lieben, alle Menschen, auch die Feinde. Jesus Christus hat dieses Fundament des christlichen Lebens erneut bestärkt und feierlich die Bedeutung der Liebe zu Gott und zum Nächsten wiederholt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,37-39).
2. Maria, die Mutter Gottes
Die Kirche beginnt dieses neue Jahr, indem sie es unter den Schutz der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu stellt. Nach dem Willen des Herrn Jesus ist Maria, die „voll der Gnade“ (Lk 1,28) ist, auch die Mutter der Kirche und somit auch unsere Mutter. Die Jungfrau Maria hat am Heilswerk Gottes mitgewirkt, wie der Heilige Paulus schreibt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Im heutigen Evangelium wird beschrieben, wie Maria und Josef die Gesetze achten und deswegen Jesus acht Tage nach seiner Geburt zur Beschneidung in den Tempel von Jerusalem bringen (vgl. Lk 2,21). Im gleichen Abschnitt erfassen wir die Liebe, die Maria zu ihrem Sohn Jesus hat. Das zeigt sich auch in dem warmen Empfang der Hirten, die gekommen waren, um Jesus in der Grotte von Bethlehem zu sehen. Hierbei handelte es sich um eine besondere Begegnung, bei dem die Herzen der Hirten verwandelt werden, die bei ihrer Rückkehr zu ihren Herden Gott lobten und priesen „für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (Lk 2,20). Maria dagegen „bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Maria hat Jesus geboren, dessen Name „Gott rettet“ bedeutet. Sie hört nicht auf, alle Gläubigen und die Menschen auf die Suche nach der Wahrheit zu lenken, zu ihrem Sohn hin, der als einziger in der Lage ist zu sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 6,14). Jesus, der Sohn Gottes und Mariens, hat uns die wahre Natur des dreieinen Gottes offenbart, eins im Wesen, drei in den Personen von Vater, Sohn und Heiligem Geist. So ist auch der Segen Gottes, den wir zu Beginn dieses Jahres zu empfangen bitten, ein trinitarischer. Es segnet uns Gott, der Vater durch seinen Eingeborenen Sohn im Heiligen Geist. Dies ist ein unerwartetes Geschenk der göttlichen Barmherzigkeit, die Gott uns gewährt, weil wir Kinder Gottes sind, Kinder in seinem geliebten Sohn (vgl. Mk 1,11).
3. Weltfriedenstag
Unter den Jesus zugesprochenen Attributen kommt dem Titel Fürst des Friedens oder Friedefürst besondere Bedeutung zu. Und so hat der Heilige Vater Franziskus auch in diesem Jahr eine Botschaft zum 54. Weltfriedenstag an die „Staatsoberhäupter und Regierungschefs, die Verantwortlichen der internationalen Organisationen, die geistlichen Führern und die Gläubigen der verschiedenen Religionen sowie alle Männern und Frauen guten Willens“ gerichtet. Das Thema seiner Botschaft ist sehr aktuell: „Die Kultur der Achtsamkeit als Weg zum Frieden“. Nach den Nöten, die im vergangenen Jahr entstanden sind, führt Papst Franziskus die Gründe aus, die ihn beim Verfassen der Botschaft geleitet haben: „Diese und andere Ereignisse, die den Weg der Menschheit im vergangenen Jahr geprägt haben, lehren uns, wie wichtig es ist, füreinander und für die Schöpfung Sorge zu tragen, um eine Gesellschaft aufzubauen, die auf Beziehungen der Geschwisterlichkeit beruht. Deshalb habe ich als Thema dieser Botschaft Die Kultur der Achtsamkeit als Weg zum Frieden gewählt. Es geht um eine Kultur der Achtsamkeit, um die heute oft vorherrschende Kultur der Gleichgültigkeit, des Wegwerfens und der Konfrontation auszumerzen“ (1). Für eine kurze Vorstellung des Dokumentes erlaube ich mir, die Untertitel zu nennen, welche die Struktur der päpstlichen Botschaft aufzeigen können. „Gott der Schöpfer, Ursprung der Berufung des Menschen zur Achtsamkeit; Gott der Schöpfer, Vorbild der Achtsamkeit; die Achtsamkeit im Wirken Jesu; die Kultur der Achtsamkeit im Leben der Nachfolger Jesu; die Prinzipien der Soziallehre der Kirche als Grundlage der Kultur der Achtsamkeit; Kompass für einen gemeinsamen Kurs; Erziehung zu einer Kultur der Achtsamkeit; es gibt keinen Frieden ohne eine Kultur der Achtsamkeit.
Die Corona-Pandemie hat die ernsten Probleme unserer Welt noch komplizierter gemacht. „So hat sie Krisen verschärft, die eng miteinander zusammenhängen, wie die Klima-, Ernährungs-, Wirtschafts- und Migrationskrisen, und schweres Leid und Not verursacht“ (1). Mit Blick auf die Dringlichkeit des Friedens weist der Bischof von Rom darauf hin: „Der Kompass der sozialen Prinzipien, der zur Förderung der Kultur der Achtsamkeit notwendig ist, zeigt auch die Richtung für die Beziehungen zwischen den Nationen an, die von Geschwisterlichkeit, gegenseitigem Respekt, Solidarität und der Einhaltung des Völkerrechts inspiriert sein sollten. In diesem Zusammenhang müssen der Schutz und die Förderung der grundlegenden Menschenrechte, die unveräußerlich, allgemeingültig und unteilbar sind, bekräftigt werden“ (7). Der Papst fordert im Anschluss die Achtung des humanitären Rechts, „besonders in dieser Zeit unaufhörlich aufeinanderfolgender Konflikte und Kriege. Leider haben viele Regionen und Gemeinschaften keine Erinnerung mehr an eine Zeit, in der sie in Frieden und Sicherheit lebten. Viele Städte sind zu Epizentren der Unsicherheit geworden: Ihre Bewohner haben damit zu kämpfen, ihre normalen Tagesabläufe beibehalten zu können, weil sie wahllos mit Sprengstoff, Artillerie oder leichten Waffen angegriffen und bombardiert werden. Kinder können nicht zur Schule gehen. Männer und Frauen können nicht arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Es herrscht Not an Orten, wo sie einst unbekannt war. Die Menschen sind gezwungen zu fliehen und lassen damit nicht nur ihre Heimat zurück, sondern auch ihre Familiengeschichte und ihre kulturellen Wurzeln“ (ebd.). Seine Heiligkeit ist sich der vielen und unterschiedlichen Gründe von Konflikten bewusst, doch er unterstreicht: „Das Ergebnis ist immer dasselbe: Zerstörung und humanitäre Krisen. Wir müssen innehalten und uns fragen: Was hat dazu geführt, dass Konflikte in unserer Welt zur Normalität geworden sind? Und vor allem: Wie können wir unsere Herzen bekehren und unsere Mentalität ändern, um in Solidarität und Geschwisterlichkeit wirklich Frieden zu suchen?“ (ebd.).
Der Heilige Vater beschließt seine Botschaft, indem er auf die selige Jungfrau Maria Bezug nimmt: „In dieser Zeit, in der das Boot der Menschheit, vom Sturm der Krise gebeutelt, auf der Suche nach einem ruhigeren und friedlicheren Horizont mühsam vorankommt, ermöglichen uns das Ruder der Menschenwürde und der „Kompass“ der sozialen Grundprinzipien einen sicheren und gemeinsamen Kurs. Blicken wir als Christen auf die Jungfrau Maria, Stern des Meeres und Mutter der Hoffnung. Gemeinsam arbeiten wir daran, auf dem Weg zu einem neuen Horizont der Liebe und des Friedens, der Geschwisterlichkeit und Solidarität, der gegenseitigen Unterstützung und Annahme voranzuschreiten. Geben wir nicht der Versuchung nach, den anderen, insbesondere den Schwächsten gegenüber, gleichgültig zu sein; gewöhnen wir uns nicht daran, den Blick abzuwenden, sondern setzen wir uns jeden Tag konkret dafür ein, eine Gemeinschaft zu bilden, die aus Geschwistern zusammengesetzt ist, die einander annehmen und füreinander sorgen“ (9).
Liebe Brüder und Schwestern, nehmen wir den Segen des guten und barmherzigen Gottes an, den Segen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes am Beginn des neuen Jahres, was allein vermag, die Herzen der Menschen zu verwandeln und aus ihnen die Leuchtfeuer der Friedensstifter zu machen. Es ist der Friede, den nur Gott zu geben vermag (vgl. Joh 14,27), den aber die Welt so dringend nötig hat. Amen.