Predigt von Nuntius Eterovic am Karfreitag

Apostolische Nuntiatur, 10. April 2020

(Jes 52,13-53,12; Ps 31; Heb 4,14-16.5,7-9; Joh 18,1-19,42)

Karfreitag

„Frau, siehe dein Sohn …. Siehe deine Mutter“ (Joh 19,26-27).

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir sind dem Herrn Jesus auf seinem Kreuzweg (via crucis) gefolgt, so wie er vom Heiligen Johannes geschildert wird. Der Lieblingsjünger war Zeuge des dramatischen Ereignisses und zeigt dessen erlösende Bedeutung. Der Tod Jesu, seine tiefe Erniedrigung, ist zugleich der Beginn seiner Verherrlichung. Der Apostel Johannes überliefert die Worte Jesu Christi: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Der über die Erde erhöhte Gekreuzigte hat uns alle an sich gezogen. Das betrachten wir voller Mitgefühl und Schmerz, jedoch auch mit Dankbarkeit und Hoffnung. Denn im sterbenden Herrn sehen wir die Erfüllung der Prophezeiung des Jesaja zum Gottesknecht: „Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht“ (Jes 53,2-3). Angesichts dessen und des großen Leidens des Gerechten, der „unsere Schmerzen auf sich geladen hat“ (Jes 53,4) und der „wegen unserer Vergehen durchbohrt und wegen unserer Sünden zermalmt wurde“ (Jes 53,5), müssen wir tiefe Solidarität und Dankbarkeit empfinden. Im Hebräerbrief wird das große Leiden Jesu Christi prägnant beschrieben, das fruchtbar und zur Quelle des Heils für die Menschen wird. Zu Lebzeiten auf Erden hat Jesus „mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört worden aufgrund seiner Gottesfurcht. Obwohl er der Sohn war, hat er durch das, was er gelitten hat, den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden“ (Hebr 5,7-9). Diese Dimensionen von Erniedrigung und Erhöhung, von Leiden und Verherrlichung wird an verschiedenen Stellen der Johannespassion beschrieben. Verweilen wir bei zweien: bei den Worten, die Jesus an seine Mutter Maria und an den Jünger Johannes richtet (I) und bei der durchbohrten Seite Jesu (II).

1. „Frau, siehe dein Sohn ….. Siehe deine Mutter“ (Joh 19,26-27).

Der Heilige Johannes erinnert, daß die selige Jungfrau Maria unter dem Kreuz Jesu war, zusammen mit anderen Frauen: „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala“ (Joh 19,25). Diese einfache Bemerkung ist von tiefer Bedeutung. Sie bezeugt, daß Maria während der letzten Tage Jesu in Jerusalem war, ihm auf dem Kreuzweg gefolgt ist und bei ihm bis zum Ende blieb. Wir können uns ihren großen Schmerz vorstellen, der sie angesichts des Schicksals ihres Sohnes erfüllt hat. Am Beginn des Lebens Jesu hatte der greise Simeon vorausgesagt: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, und deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,34-35). Es konnte keinen größeren Schmerz als jenen geben, den Maria unter dem Kreuz ihres sterbenden Sohnes traf. Doch auch in dieser dramatischen Situation ist Jesus Herr der Lage und vertraut seiner Mutter Maria eine neue Aufgabe an, indem er sagt: „Frau, siehe dein Sohn!“ (Joh 19,26). Die Umstände und die weihevolle Stunde lassen Jesus jedes kindliche Gefühl übersteigen. Er nennt seine Mutter „Frau“, was in der Heiligen Schrift eine ganz besondere Bedeutung hat. Nach dem Willen Jesu wird Maria die neue Eva. Sie ist nicht nur die Mutter des Apostels Johannes, sondern vielmehr die Mutter aller Jünger Jesu zu jeder Zeit, wofür Johannes als Person und als Symbol steht. Diese Wahrheit wird von den nachfolgenden Worten an den treuen Jünger bestätigt: „Siehe deine Mutter“ (Joh 19,27). Und von dieser Stunde an nimmt er Maria in sein Haus auf. Nach dem Willen Jesu sind ihre Leben nunmehr miteinander verwoben. Auf der einen Seite sorgt Johannes für Maria auf materielle Weise, doch andererseits schenkt Maria dem Johannes ihre geistliche Mütterlichkeit. Somit haben wir ein Beispiel der Fruchtbarkeit des Opfers Jesu, der am Holze des Kreuzes gestorben ist, wovon wir alle profitieren und gesegnet werden. Als Maria, die Mutter Jesu, unter dem Kreuz stand, ist sie unser aller Mutter geworden und somit die Mutter aller Christen.

2. „Und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34).

Der Tod Jesu ist die Quelle der Gnade. Nach dem Evangelisten wurden Jesus die Beine nicht gebrochen, so wie die Soldaten es bei den mit ihm gekreuzigten Verbrecher getan hatten. Im Gegenteil, „als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,33-34). Das Blut symbolisiert die Eucharistie, den neuen Bund, den Gott endgültig mit seinem Volk durch das Opfer seines eingeborenen Sohnes geschlossen hat. Das Wasser weist auf den Heiligen Geist, wie Jesus selbst aufgezeigt hat: „Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt! Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“ (Joh 7,37-39). Die Gabe des Geistes bezieht sich insbesondere auf die Sakramente und vor allem auf die Taufe. Aus der geöffneten Seite Jesu kommen die Heilsgüter, welche die Kirche für das Heil der Menschen bewahrt und verwaltet. In jeder Eucharistiefeier wird das Opfer Jesu gegenwärtig, und wir erlangen seine unerschöpflichen Früchte. Daher danken wir dem Herrn Jesus beständig, vor allem am heutigen Karfreitag, dem Tag seines Opfers für uns und die ganze Welt.

Liebe Brüder und Schwestern, der gekreuzigte Herr ist jedem leidenden Menschen nahe, denn „der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (GS 22). Und mit seinem Tod teilt er unsere Schmerzen und Leiden. Das ist in diesen schwierigen Momenten im Kampf gegen die Corona-Pandemie, die viele Tote und unzähliges Leid verursacht hat, ein tiefer Trost. Die Einsamkeit der Kranken in den überfüllten Hospitälern oder Altenheimen ist dabei ein furchteinflößender Aspekt. Die Botschaft Jesu am Karfreitag ist vor allem an diese unsere Brüder und Schwester gerichtet. Jesus bleibt bei ihnen und verlässt sie niemals. Er hat das Leid der Verlassenheit und des Todes erfahren; er selbst ist in die Dunkelheit des Todes hinabgestiegen, um sie mit dem Licht der Auferstehung zu erhellen. Er hat dem guten Schächer Dismas das Paradies versprochen, als er kurz vor seinem Tod bereut hat. Er nimmt in sein Reich des Lichtes und des Friedens alle auf, die ihn anrufen und seine volle Gegenwart der Hoffnung und des Lebens annehmen.

Da der gekreuzigte Herr uns Maria zur Mutter gegeben hat, glauben wir auch, daß im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen gerade sie, die selige Jungfrau Maria, allen nahe ist, die ihren Schutz erflehen, vor allem die durch Krankheit Schwachen und die Sterbenden. Mit Maria und Johannes und allen unseren Namenpatronen beten wir den gekreuzigten Herrn voller Vertrauen als den Erlöser des Menschen an. An Ihn wenden wir uns mit der vertrauten Glaubensaussage: „Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich. Denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst“. Amen.

 

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