Predigt von Nuntius Eterovic am Pfingstsonntag

Berlin, 9. Juni 2019

(Apg 2,1-11; Ps 104; Röm 8,8-17; Joh 14,15-17.23-26)

„Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe.“

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit dieser Antiphon zum Evangelium danken wir dem dreieinen Gott für das Geschenk des Heiligen Geistes am Hochfest von Pfingsten, das den Anfang der Kirche anzeigt, unserer Mutter. Zugleich wenden wir uns mit diesen Worten im Gebet an Gottvater, er möge uns in Fülle die Gabe des Geistes senden, wie es der Herr Jesus vor seiner Auferstehung versprochen hat. Jeder von uns hat die Geistesgabe bereits mit den Sakramenten von Taufe und Firmung empfangen, weswegen der Apostel sagt, die Christen seien der Tempel des Geistes (vgl. 1 Kor 6,19). Doch oft verhindern wir durch die Art zu denken und zu handeln, mit unserem Egoismus und besonders wegen unserer Sünden, daß der Heilige Geist in uns und durch uns wirken kann, oder wir ziehen Seinem Handlungsradius enge Grenzen. Daher erflehen wir am heutigen Hochfest die erneuerte Gabe des Geistes, damit er uns von Sünden und der Begrenztheit in den verschiedenen Ausprägungen befreie und uns zu überzeugten Zeugen Gottes und eifrigen Missionaren des Evangeliums mache. Das, was wir für jeden von uns erbitten, das erflehen wir auch für unsere Gemeinschaften und vor allem für die ganze Kirche: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe“. Komm, Heiliger Geist, der du in den heutigen Lesungen mit dem Bild des Sturmes beschrieben wirst (I), des Feuers (II), der Zungen (III) und als Tröster (IV).

1. Komm, Heiliger Geist, Gottes Sturmes Braus.

Am Pfingsttag hast du dich den Jüngern Jesu in der Gestalt des Sturmes offenbart, die mit Maria und den übrigen Frauen im Gebet im Obergemach von Jerusalem versammelt waren (vgl. Apg 1,13). Zeige deine Gegenwart auch uns mit diesem Symbol. Das hebräische Wort rûaḥ (רוּחַ) bezeichnet Geist und Wind. In der Apostelgeschichte lesen wir: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen“ (Apg 2,2). Der Sturm bezeichnet ein Brausen, das dem Geist eigen ist. Denn tatsächlich: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Sturm bedeutet Kraft, Macht, Dynamik. Wir alle, persönlich und als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft, haben eine neue Dynamik des christlichen Lebens nötig. Schenke uns, himmlischer Vater, die Gabe des Geistes, um auf überzeugende Weise mit dem Beispiel, den Worten und Werken die aktuelle Neuheit und stete Anziehungskraft Jesu Christi und seines Evangeliums zu verkünden, das die Gute Nachricht auch für jeden zeitgenössischen Menschen ist.

2. Komm, Heiliger Geist, Feuer Gottes.

In der Apostelgeschichte wird der Geist auch unter dem Symbol des Feuers beschrieben: „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder“ (Apg 2,3). Jesus selbst sagte einmal: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Das Feuer steht unter anderem für die innere Kraft, eine Dynamik, die aus der Tiefe des Menschen kommt, die Liebe. Der Geist dringt in die Tiefe des Menschen vor und leitet ihn an, nach dem Wort Gottes zu leben, besonders, daß die Gebote in die Tat umgesetzt werden, vor allem das größte unter ihnen, das darin besteht, Gott und den Nächsten zu lieben (vgl. Mt 22,37-38). Wir alle haben dieses Feuer der Liebe Gottes nötig, denn es ist das Fundament der christlichen Hoffnung. Diese braucht insbesondere unsere heutige Welt, wo der Mensch so sehr von den materiellen Dingen besetzt ist, so daß er die geistlichen Werte vergisst, die Kostbarkeit der Transzendenz und der Offenheit für Gott und zur Begegnung mit dem Herrn Jesus im Heiligen Geist. Gott, belebe in uns die Gabe des Heiligen Geistes, das Feuer deiner Liebe, damit wir Überbringer deiner Hoffnung sein können, welche unser Leben und das der ganzen Welt begründet. Unter der Eingebung des Geist lasse die Worte des Heiligen Paulus zu unseren Worten werden: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5).

3. Komm, Heiliger Geist, du Zunge Gottes.

Am Pfingsttag, dem fünfzigsten Tag nach der Auferstehung des Herrn Jesus, erscheint der Heilige Geist unter der Gestalt von Zungen. „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,3-4). Der Heilige Geist verwandelt die Herzen der Apostel. Sie, die Angst hatten, das gleiche Schicksal wie ihr Meister Jesus zu erleiden, befanden sich im Abendmahlssaal und hatten die Türen verschlossen. Mit dem Kommen des Heiligen Geistes gehen sie hinaus und beginnen voll Mut und in Freiheit, das Evangeliums Jesu Christi in allen Sprachen zu verkünden. Der Geist lässt die Hürden überwinden und erreicht eine neue Kommunikation unter den Menschen. Als Fundament hat sie die eine und dieselbe Wahrheit, die in der Verschiedenheit von Sprachen ausgedrückt wird. Das zu Pfingsten in Jerusalem versammelte Volk hörte, wie die Apostel in jeder Sprache die „großen Taten Gottes“ (Apg 2,11) verkündet haben. Durch die Gnade des Heiligen Geistes wurde das möglich, der die Verkündigung der Guten Nachricht inspiriert und harmonisiert. Sende uns, Gott, den Heiligen Geist, der uns lehrt, wie wir beten sollen, gemäß der Erfahrung des Völkerapostels: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist. Denn er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein“ (Röm 8,26-27). Vater, sende aus den Heiligen Geist, auf daß er uns die angemessene Sprache lehre, Jesus Christus und seine Heilsbotschaft dem Menschen von heute zu verkünden.

4. Komm, Heiliger Geist, du Tröster.

Im heutigen Evangelium verspricht Jesus Christus seinen Jüngern „einen anderen Beistand, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Das Wort Tröster stammt vom Griechischen Parakletos (Παράκλητος) und bezeichnet einen Anwalt, Verteidiger, Beistand und Fürsprecher. Alle diese Bedeutungen beziehen sich auf die Idee der großen Gabe, die der auferstandene Herr seiner Kirche und jedem von uns im Kommen des Heiligen Geistes geschenkt hat. Jesus selbst war der Tröster der Apostel. Nach seiner Verherrlichung ist er in den Himmel zurückgekehrt und sitzt zur Rechten des Vaters. Doch er wollte seine Jünger nicht alleine zurücklassen. In seiner Sorge um sie hat der auferstandene Herr den Vater gebeten, und er hat einen anderen Tröster gesandt, der für immer bei ihnen bleiben soll (vgl. Joh 14,16). Der Paraklet, der Tröster, hat nach der Verheißung des Herrn Jesus eine sehr bedeutsame Rolle: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Der Heilige Geist ist der innere Meister. Er lässt die Lehre Jesu verstehen und sich ihr angleichen; und er führt die Christen zur vollen Wahrheit, indem er sie an alles erinnert, was Jesus gesagt und getan hat. Der Heilige Geist ist nach einem Wort des Heiligen Basilius der unsichtbare Begleiter Jesus Christi. Jesus Christus schenkt den Geist in Fülle (vgl. Joh 3,34) und der Geist legt Zeugnis ab für Jesus Christus (vgl. 1 Joh 5,6).

Liebe Brüder und Schwestern, im Abendmahlssaal war zusammen mit den Jüngern auch die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter, die Mutter der Kirche (vgl. Apg 1,14). Sie, die voller Gnade war, das heißt voll des Geistes (vgl. Lk 1,28), empfing aufs Neue an Pfingsten den Heiligen Geist. Auf diese Weise ermuntert sie auch uns, daß wir uns der Gnade des Heiligen Geistes öffnen und aufs Neue seine Gaben empfangen. Vertrauen wir uns ihrer mächtigen Fürsprache an, damit jeder von uns und die ganze Kirche immer wieder den Tröster empfange, den Heiligen Geist, und mit ihm die Gaben des Sturmes, des Feuers, der Zungen, so daß wir an der Neuschöpfung mitarbeiten und die babylonische Spaltung überwinden können, in der Kirche, dem Ort der Gemeinschaft mit Gott und der Liebe zu Ihm und zu den Menschen. Amen.

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