Predigt von Nuntius Eterovic anlässlich der Feier zum 125-jährigen Bestehen des Päpstlichen Missionswerkes der Frauen
Koblenz, Jesuitenkirche, 9. September 2018
(Jes 35,4-7; Ps 146; Jak 2,1-5; Mk 7,31-37)
23. Sonntag im Jahreskreis – LJ B
„Effata!, das heißt: Öffne dich!“ (Mk 7,34).
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Einladung, dieser Eucharistiefeier aus Anlass des 125jährigen Bestehens des Päpstlichen Missionswerkes der Frauen vorzustehen, habe ich gerne angenommen. Herzlich grüße ich die Präsidentin, Frau Margaret Dieckmann-Nardmann und Sie alle, die zur dieser edlen Einrichtung gehören, sie fördern und unterstützen. Schon vielfältige Verdienste hat sich das Werk erworben, besonders auf den Gebieten des geistlichen Lebens und der materiellen Hilfe, sowie in der Unterstützung des weltweiten Missionswerkes, vor allem bei der Erstevangelisierung. Der Heilige Vater Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, spricht oft davon, daß jeder Christ ein Missionar Jesu Christi und seines Evangeliums sein soll. Diese Aufforderung gilt umso mehr Euch, liebe Schwestern, die ihr eine besondere missionarische Berufung in der Katholischen Kirche empfangen habt. Ich danke Euch im Namen des Obersten Hirten für all das Gute, das Ihr im Verlauf dieser 125 Jahre getan habt. Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich Euch als Zeichen der Einheit in Liebe mit dem Heiligen Vater, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche, den Apostolischen Segen.
Liebe Schwestern und Brüder, das Wort Gottes an diesem 23. Sonntag im Jahreskreis zeigt uns Jesus Christus als Messias, der die im Alten Testament gemachten Verheißungen Gottes erfüllt (I) und einen Taubstummen heilt (II). Die Gesten der Heilung wurden von der Kirche im Sakrament der Taufe bewahrt und rütteln so alle Christen auf, besonders jene, die gerufen sind, Missionare zu werden.
1. Die Verheißung des Messias.
In dem sehr schwierigen Abschnitt der Geschichte Israels, nämlich dem Babylonischen Exil, ermuntert der vom Heiligen Geist erleuchtete Prophet Jesaja die Juden zur Hoffnung, denn JHWH bereitet in seiner Güte und Barmherzigkeit einen neuen, einen zweiten Exodus zur Befreiung und zum Einzug in das gelobte Land vor. „Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten“ (Jes 35,4). Sein Kommen wird von wunderbaren Zeichen begleitet: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe. Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Wassern“ (Jes 35,5-7). Jesus selbst hat diese Prophezeiung auf die messianischen Zeiten bezogen. Auf die Frage der Jünger von Johannes dem Täufer: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ antwortet der Herr Jesus: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ (Mt 11,3-6). Vor diesem messianischen Hintergrund ist es leicht, die Bedeutung der Heilung des Taubstummen im heutigen Evangelium zu verstehen, das eben verkündet worden ist.
2. Die Heilung des Taubstummen.
Ein Mensch, der weder hören noch sprechen kann, findet sich in einer sehr schwierigen Lage; er kann nur sehr schwer kommunizieren und ist daher vom sozialen Leben mehr oder weniger abgeschnitten. Zurzeit Jesu gab es noch keine Techniken, welche diesen Personen bei einer gewissen Sozialisierung helfen. Die Erzählung des Evangeliums ist daher in seiner ganzen tragischen Wirklichkeit zu verstehen. Die Heilung durch Jesus hingegen führt den Kranken in das familiäre und normale soziale Leben zurück. Der Herr handelt diskret und mit besonderer Sorgfalt. Er möchte kein Aufsehen bei den Umstehenden erregen, indem er ein Wunder vollbringt. Die Diskretion wird noch von seiner Aufforderung unterstrichen, denn er „verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen“ (Mk 7,36). Das Interesse Jesu Christi an dem Kranken wird deutlich in der Weise, wie er an ihm handelt. Er hätte mit nur einem einzigen Wort heilen können. Doch die Weise, wie Jesus die betroffenen Stellen an dem Kranken berührte: „Er legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel“ (Mk 7,33), zeigt, wie der Herr den Weg der Menschwerdung verfolgte, und somit seine Menschheit am Wirken des Wunders beteiligt ist. Er wollte dem Taubstummen hierdurch zu verstehen geben, dass er die Absicht hatte, ihn zu heilen. Für die Menschen der Antike hatte der Speichel außerdem eine therapeutische Qualität. Das Ganze dient der Vorbereitung des Wunders, wofür Jesus das Eingreifen Gottes des Vaters erbittet. Denn nachdem er all das getan hatte, „blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich!“ (Mk 7,34). Trotz des Verbots Jesu, niemand von dem Wunder zu erzählen, kamen viele, die davon erfahren hatten, und staunten: „Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen“ (Mk 7,37).
3. Die Bedeutung der Taufe.
Im Sakrament der Taufe hat die Kirche die Zeichen der Heilung des Taubstummen gleichsam aufbewahrt. Der Priester oder ein anderer Taufspender wiederholt diese sprechenden Gebärden, wie Jesus es beim Taubstummen tat: er berührt die Ohren und den Mund des Täuflings und spricht das aramäische Wort Effata, was übersetzt heißt: Öffne dich! Durch das Sakrament der Taufe sind wir daher alle geheilt und in die Katholische Kirche eingegliedert. Wir haben die Möglichkeit, das Wort Gottes zu hören und in die Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten zu treten. Leider ergreifen viele Getaufte diese Möglichkeiten nicht. Es gibt leider nicht wenige, die körperlich gesehen alle Töne hören, imstande sind, Worte und Sätze zu bilden, und dennoch taub bleiben für die Bedeutung des Wortes Gottes. Auch wenn ihre Ohren hören, bleiben ihre Herzen für ein wahres und tiefes Verstehen des Gotteswortes verschlossen. Das Wort Gottes aber wäre als einziges imstande, die geistliche Taubheit des menschlichen Herzens zu heilen. Ohne angemessenes Hören des Wortes, das von Gott kommt, kann man auch nicht den anderen davon erzählen. Auf diese Weise wird das missionarische Wirken behindert. Leider geschieht das auch in solchen Fällen, wenn jemand fälschlicherweise meint, die Zeit der Mission im strengen Sinn sei vorbei. Offensichtlich handelt es dabei um eine weltliche Gesinnung, die den Willen Jesu Christi nicht akzeptiert. Vor seiner Himmelfahrt und bevor er sich zur Rechten des Vaters setzt, hat er seinen Jüngern befohlen: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden“ (Mk 16,15-16). Christen mit einer ablehnenden Haltung zur Mission werden also wirklich Taubstummen gleich. Um sie zu heilen, ist ein besonderes Eingreifen des Herrn durch seine Kirche nötig. Aber auch wir, die offene Ohren haben, um das zu hören, was uns durch die Bibel, die Sakramente, die lebendige Tradition der Kirche und über das Lehramt von Jesus Christus gesagt wird, auch wir müssen die Gnade der Heilung erbitten, damit wir das Wort Gottes nicht wie jedes menschliche Wort betrachten, das keine Heilkraft oder Kraft zur Veränderung hat. Wir erbitten die Gnade des Heiligen Geistes, denn unsere Verkündigung Jesu Christi und seines Evangeliums soll authentisch, überzeugend und vermittelnd sein. Das geschieht nur, wenn wir das zu leben suchen, was wir verkünden.
Hierzu passt auch die Lesung aus dem Jakobusbrief, der uns zu verstehen hilft, auf welche Weise wir den Herrn bitten sollen, uns von der Taubheit zu heilen, was nichts anderes bedeutet, als Glauben zu haben, der stark und mit der Liebe verbunden ist. Ohne Glauben können wir nicht wirklich das Wort Gottes hören und somit nicht anderen weitergeben. Aber das Wort muss immer von Liebe begleitet sein, damit es glaubwürdig und konkret ist. Der Heilige Jakobus fordert von uns, alle Brüder und Schwestern gleich zu behandeln, reiche wie arme. Die Armen aber sollen den Vorrang haben, weil Gott die Armen in der Welt erwählt hat, um sie reich im Glauben zu machen und zu Erben des Reiches, das er all denen verheißen hat, die ihn lieben (vgl. Jak 2,5). In unserer Welt gibt es viele Arme, die von uns Hilfe erwarten, sei sie geistlich oder materiell. Denken wir nur an die über 800 Millionen Menschen, die weltweit an Hunger leiden. Es gibt außerdem nach den jüngsten Statistiken etwa 64,5 Millionen Flüchtlinge in der ganzen Welt, die ihre Häuser aufgrund von Gewalt, Krieg, Naturkatastrophen etc. verlassen müssen. Mit der Macht, die ihr Jesus Christus anvertraut hat, steht die große Zahl an Menschen vor der Kirche und bittet darum, zuweilen ohne es ausdrücklich zu sagen, geheilt zu sein, um hören und sprechen zu können, damit sie ihre Menschenwürde zurückerhalten und um in die Gesellschaft wie in die Kirche eingefügt zu werden.
Liebe Schwestern und Brüder, vertrauen wir die Erfüllung unserer Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Königin der Missionare. Sie möge auf uns und auf das Päpstliche Missionswerk der Frauen die Fülle an Segen des dreieinen Gottes erflehen. Dieser Segen sei ein neuer Anfang, noch eifriger und dynamischer zu sein, das Wort Gottes zu hören und den Nahen und Fernen mit Werken der Liebe zu vermitteln. Auf diese Weise könnt auch Ihr das Werk der Heilung der Menschen im Namen des auferstandenen Herrn Jesus fortsetzen, der gegenwärtig in seiner Kirche ist, die seine Gesten und Worte aufgenommen hat und sagt: „Effata!, das heißt: Öffne dich!“ (Mk 7,34). Amen.