Predigt von Nuntius Eterovic bei der Deutschen Ordensobernkonferenz - DOK
Vallendar, 21. Mai 2019
(Apg 14,19-28; Ps 145; Joh 14,27-31)
„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27).
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Vollversammlung der Konferenz der Ordensoberen in Deutschland (DOK) ist fällt in diesem Jahr in die Osterzeit, genauer in den Abschnitt der Erwartung der Ankunft des Heiligen Geistes. Nach dem Johannesevangelium hat Jesus seinen Geist den Aposteln am Ostertag zugehaucht (vgl. Joh 20,22). Die Kirche respektiert jedoch die in der Apostelgeschichte beschriebene Tradition, wonach dieses Ereignis von Pfingsten 50 Tage nach dem Sonntag der Auferstehung stattfand (vgl. Apg 2,1-13). Für uns sind diese Geschehen bedeutsam. Wir alle haben schon den Heiligen Geist empfangen. Doch alle erwarten wir ihn aufs Neue, auf daß er unsere Herzen mit der göttlichen Liebe erfülle und uns zu eifrigen Zeugen und Missionaren seiner Guten Nachricht verwandle. Im Übrigen empfangen wir vom guten und barmherzigen Gott ohne Unterlass „Gnade über Gnade“ (Joh 1,16) oder Geist über Geist.
Wir wollen gemeinsam und mit einem für die Gnade des Heiligen Geistes bereitem Herzen, den der auferstandene Herr in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), zwei Themen erwägen, welche das Wort Gottes, das eben verkündet wurde, nahelegen: Dem Christen widerfährt Verfolgung (I) und der auferstandene Herr schenkt uns seinen Frieden (II).
1. „Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen“ (Apg 14,22).
Diese Feststellung passt gut zur Missionstätigkeit des Heiligen Paulus und seines Mitarbeiters Barnabas. Sie waren mit der Predigt des Evangeliums erfolgreich, denn sie hatten „viele Jünger gewonnen“ (Apg 14,21), mussten sich aber auch den Gegnern stellen, die versuchten, den Völkerapostel zu steinigen. Indem man sich dieser dramatischen Situation bewußt bleibt, versteht man gut die Worte des Evangelisten Lukas, mit denen die beiden Apostel die Jünger aufrichteten und „ermahnten, treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen“ (Apg 14,22).
Der Kirche als Gemeinschaft, wie auch den einzelnen Christen begegnen im Laufe ihres Glaubenslebens Drangsale verschiedener Art. Die Verfolgungen, die der Heilige Paulus in der ersten Lesung beschreibt, erinnern uns an die Verfolgungen vieler Christen heute. Nach Angaben der World Watch List 2019 von Open Doors beträgt die Zahl der wegen ihres Glaubens verfolgten Christen weltweit mehr als 245 Millionen. Das bedeutet, einer von neun Christen wird verfolgt.
Im Jahr 2018 wurden 4.305 Personen aus Hass auf den christlichen Glauben umgebracht.
Leider gibt es gegenüber diesen äußeren Verfolgungen auch jene im Inneren, die deswegen besonders schmerzhaft sind, weil sie von Männern und Frauen der Kirche verursacht werden. Insbesondere weise ich auf den Mißbrauch von Minderjährigen hin, der uns mit Schande und tiefem Schmerz erfüllt. In seiner Ansprache vor der Römischen Kurie hat der Heilige Vater Franziskus am 21. Dezember 2018 unter anderem betont: „Seit einigen Jahren bemüht sich die Kirche ernsthaft um die Beseitigung des Übels des Missbrauchs, das zum Herrn nach Vergeltung schreit, zu Gott, der nie das Leid vergessen wird, das viele Minderjährige durch Geistliche und Gottgeweihte erfahren haben: Missbrauch von Macht, Missbrauch des Gewissens und sexueller Missbrauch“. Der Papst sprach von „drei verschiedenen Arten von Missbrauch, die jedoch gemeinsam auftreten und sich überschneiden“. Der Bischof von Rom hat daher alle Verantwortlichen in der Kirche, in den Staaten und Gesellschaften, sowie alle Menschen guten Willens dazu ermuntert, dieses Geschwür zu bekämpfen. In erster Linie betrifft das die Personen des geweihten Lebens, die sich in kohärenter Weise bemühen, die in Deutschland gültigen allgemeinen Normen und Sonderregeln anzuwenden, um die von Minderjährigen aufgesuchten Orte im Ganzen sicher zu machen. Mit seinem Apostolischen Schreiben als Motu Proprio Vos estis lux mundi vom 09. Mai dieses Jahres hat Papst Franziskus weitere Regeln erlassen, um diese Verbrechen in der Kirche auszurotten. Gestatten wir dem Heiligen Geist, dem Geist des Lebens, die Herzen der Menschen zu verwandeln und bereit zu machen, diese traurige Situation zum Stimulus einer Reinigung und des Wachstums im Glauben, in der Hoffnung und der Liebe werden zu lassen, was mit allen geteilt werden möge, insbesondere mit den Jugendlichen.
2. „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27).
Im Verlauf des letzten Abendmahles hat der Herr Jesus seinen Jüngern den Frieden verheißen und sie so darauf vorbereitet, das Ostergeheimnis anzunehmen, das heißt sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung. Es handelt sich um einen Frieden eigener Art, den die Welt nicht geben kann (vgl. Joh 14,27), den Frieden, der die Angst und Verzagtheit wegnimmt (vgl. Joh 14,27). Am Tag der Auferstehung, „als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Die vorösterliche Verheißung wird Wirklichkeit. Jesus Christus schenkt den Jüngern seinen Frieden. Es handelt sich um einen sakramentalen Frieden, der sich mittels der Vergebung ereignet, wie der auferstandene Herr aufzeigt: „Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Diese Botschaft des Friedens und der Versöhnung sollen die Jünger über die ganze Welt verbreiten. Denn darin besteht die Sendung der Jünger Jesu durch alle Zeiten. Und so sagt er auch uns aufs Neue: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21).
Der auferstandene Herr gibt seinen Frieden in besonderer Weise den Personen des geweihten Lebens. In diesen schwierigen Zeiten voller Herausforderungen, Unsicherheiten und Verwirrungen bringt der Geist des auferstandenen Herrn den Frieden den großen wie den kleinen religiösen Gemeinschaften in der Kirche. In der tiefen Einheit mit dem Auferstandenen bekommt das religiöse Leben seine wahre Bedeutung, seine ideale christliche Bestimmung, was zu leben und den anderen zu verkünden ist. Der auferstandene Jesus Christus schenkt den Ordensleuten den Frieden, der in und durch Ihn zur Quelle des Lebens wird. Auch in Krisenzeiten, vor allem aufgrund des sexuellen Mißbrauchs, in Zeiten mangelnder Berufungen, wird das Gott durch Gehorsam, Keuschheit und Armut geweihte Leben für viele Menschen anziehend, welche die Wahrheit suchen und sie nicht in den falschen Idolen der Welt und in einer Gesellschaft, die immer stärker säkularisierter wird, finden. Das geweihte Leben ist daher gerufen, immer mehr zu einer geistlichen Oase zu werden und zu einem Licht auf dem Berg, das den heutigen Menschen dazu einlädt, die Augen zu erheben und reich zu werden in der personalen Begegnung mit Jesus Christus durch die Gnade des Heiligen Geistes zur Ehre Gottes, des Vaters.
In diesem Zusammenhang erfassen wir die Botschaft des Heiligen Vaters Franziskus, wenn er sagt: „Das gottgeweihte Leben ist nicht Überleben, es ist keine Vorbereitung zur „ars bene moriendi“: dies ist die Versuchung heute angesichts des Rückgangs der Berufungen. Nein, es ist nicht Überleben, es ist neues Leben. „Aber … wir sind doch wenige …“ – Es ist neues Leben. Es ist lebendige Begegnung mit dem Herrn in seinem Volk. Es ist Ruf zum täglichen treuen Gehorsam und zu den unbekannten Überraschungen des Heiligen Geistes. Es ist Schau dessen, was man wirklich ergreifen muss, um die Freude zu haben: Jesus“ (Heilige Messe für die Personen des geweihten Lebens, Vatikan, 02. Februar 2019).
Möge die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu und Mutter des geweihten Lebens, vom dreieinen Gott das Durchhaltevermögen in Zeiten von Drangsal erflehen, wie auch die Gnade des Friedens des auferstandenen Herrn für alle Ordensleute in Deutschland und der ganzen Welt. Amen.