Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt auf der BKU Bundestagung 2021

Kathedrale St. Sebastian zu Magdeburg, 8. Oktober 2021

(Joel 1,13-15; 2,1-2; Ps 126; Lk 11,14-26)

„Jedes Reich, das in sich selbst gespalten ist, wird veröden und ein Haus ums andere stürzt ein“ (Lk 11,17).

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Worte der Heiligen Schrift, die wir gehört haben und uns heute von der Kirche für die Liturgie der Eucharistiefeier vorgelegt werden, können wir zusammenfassen mit dem Wort des Propheten Joel als „Tag des Herrn“ (Joel 1,15; 2,1), wo Gottes Gericht über das Menschengeschlecht kommt, oder „die letzten Dinge“ jedes Menschen, wie es der Evangelist Lukas beschreibt (Lk 11,26). Joel wendet sich an das Volk von Juda im Süden von Israel, um es auf den Pfad des Glaubens an JHWH zurückzuführen und um durch Umkehr und Buße erneut Gnade zu finden. Joel erlebt im neunten Jahrhundert vor Christus eine Zeit, wo nicht nur schreckliche Dinge bei den Herrschenden geschehen, sondern auch der Tempelkult verödet ist und sich die Menschen anderen Göttern zugewandt haben. In dieser Situation ersteht die Gestalt des Joel, dessen Name (יוֹאֵל) wie ein Glaubensbekenntnis ist: JHWH ist Gott (I). Das öffentliche Wirken Jesu beginnt ebenfalls mit einem Weckruf, wenn er sagt: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Die Fülle der Zeit ist also eine Zeit der Umkehr, um teilzuhaben an der Sendung des Herrn Jesus (II).

Gerne habe ich die Einladung Ihres verehrten Herrn Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel angenommen, diese Eucharistie bei der Bundestagung der Katholischen Unternehmer mit Ihnen zu feiern. Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland übermittle ich Ihnen seine herzlichen Grüße und besten Wünsche für Sie und Ihre Familien und alle, die Ihnen durch Ihr Wirken verbunden sind. Der Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche schätzt die Arbeit von Unternehmern. Hierfür braucht es nach seinen Worten eine Wertegerüst, „nicht irgendeine Ethik, sondern eine Ethik, die den Menschen und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt. Heute erteile ich euch erneut den Auftrag, euch gemeinsam für dieses Ziel einzusetzen; und ihr werdet in dem Maße Früchte tragen, in dem das Evangelium in euren Herzen, in eurem Verstand und in eurem Handeln lebendig und gegenwärtig sein wird“ (Ansprache an die Union christlicher Unternehmer UCID, 31. Oktober 2015). Diesem Ziel dienen auch meine Überlegungen, und ich möchte kurz bei zwei Aspekten verweilen.

1. Der eine Gott und die Hinwendung zum Menschen

Umkehr im Sinne der Heiligen Schrift ist nicht einfach nur eine bestimmte Richtungsänderung oder Kurskorrektur. Viel eher ist sie umschrieben als Hinwendung zu Gott und Zuwendung an den Menschen. Kein Mensch kann sich selbst anschauen. Er sieht und erkennt sich am besten im Angesicht eines anderen, das ihm gleichsam als Spiegelbild erscheint. Im anderen spiegelt sich meine eigene Würde. Die ist nicht materiell oder durch die irdischen Güter auszudrücken, sondern in der geschenkten Gnade als lebendiges Wesen (vgl. Gen 2,7), denn „als Bild Gottes erschuf Er ihn“ (Gen 1,27). Umkehr ist gleich einer Münze, wo auf der einen Seite die Treue zu Gott zu sehen und auf der anderen Seite eingeprägt ist, wie sehr sich dieser Gott wünscht, dass wir einander wie Brüder und Schwestern behandeln, als ebenbürtige Ebenbilder des liebenden Schöpfergottes. In der Enzyklika Fratelli tutti schreibt Papst Franziskus, „dass Gott alle Menschen mit gleichen Rechten, gleichen Pflichten und gleicher Würde geschaffen und sie dazu berufen hat, als Brüder und Schwestern miteinander zusammenzuleben“ (Nr. 5). Für die Propheten des Alten Testamentes gehört beides zusammen: der treu verrichtete Kult im Tempel strahlt hinaus in eine menschliche Kultur, die nicht anfällig ist, sich anderen Götzen anzudienen, was nichts anderes bedeutet, als Macht, Besitz und Ausbeutung an die erste Stelle zu setzen. Hieraus folgt eine Gottvergessenheit, die sodann im anderen Menschen auch nicht mehr Gottes Abbild erblickt, sondern einen, den es zu gebrauchen und auszunutzen gilt. Deswegen ist die Hinwendung zum Menschen, vor allem zu denen, die in materieller oder geistlicher Hinsicht Unterstützung benötigen, kein schmückendes Beiwerk zum Glauben an Gott, sondern die Verkündigung unseres Glaubens mit anderen Mitteln und die Teilhabe an der Sendung Christi, der unser Lehrer und Heiland ist.

2. Teilhabe an der Sendung Christi

Der Bund Katholischer Unternehmer sieht sich als Gemeinschaft von Frauen und Männern und nicht als Einzelkämpfer. Jede Gesellschaft, nicht nur die damals in Juda, sondern auch eine demokratische heute braucht mehr als nur die Summe von Individuen, die nur noch um sich selbst kreisen. Das Verbindende ist bei den Katholischen Unternehmern der Glaube und die daraus erwachsende Haltung. In aller Verschiedenheit bietet der Bund so etwas wie das einigende Band, das über eine Interessenvertretung hinausgeht und sich dem zuwendet, der in der Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt – Jesus Christus. Noch mehr als für Ihren Bund ist ihm die Einheit der Gläubigen das Herzensgebet an den himmlischen Vater: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Der Herr weiß um die vielen Dämonen in und um uns. Es sind zunächst jene, die Leib und Seele krank machen und schwächen. Die Krankheiten der Psyche sind vielgestaltig. Es gibt daneben auch die Dämonen, die eine Gesellschaft im Griff haben und sie krank macht. Das Recht des Stärkeren ist ebenso zu nennen, wie ein Diktat der vielfältigen Modeerscheinungen, die vorgeben, modern zu sein, letztlich jedoch eine Gesellschaft auseinandertreiben.

Auch die kirchliche Gemeinschaft ist davor nicht sicher. Sie muss sich davor hüten, sich allzu sehr auf das zu verlassen, was von außen an sie herangetragen wird, um die Dämonen, deren Bosheit und die Verbrechen auszutreiben. So kann geschehen, dass sie sauber und geschmückt aussieht, aber die Dämonen zurückkehren und alles nur noch schlimmer machen (vgl. Lk 11,26). Das Selbstvertrauen von Kirche wie auch Ihres Bundes von Unternehmerinnen und Unternehmern sollte aus dem Vertrauen erwachsen, das wir in den Herrn Jesus haben, zu dem wir uns bekehren und in das Evangelium, das wir glauben. Alles andere hat keinen Bestand.

Die Sendung Christi ist keine Selbstverwirklichung, sondern ist die Offenbarung Gottes, die der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist den Menschen mitteilt, mehr noch, sie in diese Mitteilung einbezieht, weil hier nicht Informationen ausgetauscht werden, sondern der Weg zum Heil erschlossen wird. Hierzu braucht es die Umkehr des Herzens, die Hinwendung der Existenz zum Meister, der sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Unsere Teilhabe ist, diesem Weg zu folgen, der Wahrheit zu dienen und das Leben hier als christliches zu gestalten und für die Ewigkeit zu bewahren.

Liebe Brüder und Schwestern, sowohl der Prophet Joel, wie auch der Herr Jesus sind mit ihrer Botschaft der Zukunft zugewandt, einer Zukunft, die man gottgefälliger nennen kann. Wenn Menschen meinen, alles selbst machen zu können, dann sind sie zwar anpassungsfähig und auch fähig, werteorientiert zu leben und nachhaltig zu wirtschaften. Ähnlich der Mehrwertsteuer aber muss es auch in der Wirtschaft, gerade auch beim BKU um den Mehrwert des christlich Guten gehen. Die soziale Marktwirtschaft mit ihrem Blick auf das Gemeinwohl ist hierfür ein gelungenes Beispiel. Sie zu bewahren und neu auf die heutigen Gegebenheiten anzupassen, ist eine große Herausforderung, die es in Deutschland, in Europa und weltweit anzunehmen gilt. Der Heilige Vater Franziskus ermuntert, hierfür eine „Kultur der Begegnung“ zu pflegen, wo „die Achtung des Gemeinwohls ins Zentrum allen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Handelns gestellt werden“ (FT 232). Die Zukunft wird zeigen, ob wir heute den nötigen Mut haben, Veränderungen anzugehen und dabei das Gute zu bewahren. Dies möge gelingen, wenn wir uns alle bewußt bleiben: „Jedes Reich, das in sich selbst gespalten ist, wird veröden und ein Haus ums andere stürzt ein“ (Lk 11,17). Die selige Jungfrau Maria, die Knotenlöserin, möge mit ihrer mächtigen Fürsprache bei Gott dafür eintreten, dass wir bei all dem uns selbst nicht verlieren und Gott und den Nächsten nicht aufhören zu lieben. Amen.

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