Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum 100. Jubiläum der Verleihung des Ehrentitels "Basilica minor"

Basilika St. Marcellinus und St. Petrus zu Seligenstadt, 1. Juni 2025

(Jer 20,7-9; Ps 8; Offb 7,9-17; Mt 16,24-27)

Wallfahrt zu Ehren der heiligen Märtyrer Marcellinus und Petrus

„Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24).

Liebe Brüder und Schwestern!

Dieser Satz gibt uns einen Schlüssel zur Interpretation des ganzen Evangeliums. Somit können wir aus dem kurzen Abschnitt des Evangeliums die Bedingungen herausfinden, die nötig sind, ein Jünger Jesu Christi zu werden. Wir können sagen, dass die Worte Jesu im Kern zeigen, worin das Christ sein besteht.

„Wenn einer hinter mir hergehen will“.

Jesus Christus lädt uns ein, ihm nachzufolgen. Aus Seiner Lehre im Evangelium wissen wir aber, dass der Ruf zur Nachfolge Jesu vor allem eine Gabe des Heiligen Geistes ist, den der auferstandene Herr in Fülle allen schenkt, die an Ihn glauben (vgl. Joh 3,36). Also ist für das Hinterhergehen Jesu nötig, von Gottvater berufen zu sein, wie es der Herr selbst gesagt hat: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht“ (Joh 6,44).

Liebe Schwestern und Brüder, Ihr seid in diese schöne Basilika minor der heiligen Märtyrer Marcellinus und Petrus in Seligenstadt zur traditionellen Wallfahrt gekommen, denn Ihr seid von der Liebe Gottes angezogen worden durch die Gnade des Heiligen Geistes, der in Euren Herzen ausgegossen ist, vor allem im Sakrament der Taufe. Bei der Berufung hat aber der Herr Jesus die Initiative, denn er hat uns zuerst gerufen, wie er gesagt hat: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Bereit zu sein, Jesus zu folgen, ist der erste Schritt im christlichen Leben.

„Er verleugne sich selbst“.

Der Weg des christlichen Lebens verlangt sodann, eine nur weltliche Gesinnung abzulegen und den Willen Gottes anzunehmen. Um gut zu verstehen, was es bedeutet, sich selbst zu verleugnen, muss man den Zusammenhang des Abschnitts aus dem Matthäusevangelium sehen. Der Aussage Jesu war ein Gespräch mit Simon Petrus vorausgegangen. Darin wurde seine wahre Identität kundgetan, als Petrus sagte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Für dieses Bekenntnis wurde der Apostel Petrus vom Herrn Jesus gelobt. Doch als Jesus gleich danach sein Ostergeheimnis verkündete, wonach er „von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden, er müsse getötet und am dritten Tag auferweckt werden“ (Mt 16,21), wollte Petrus ihn von diesem grausamen Schicksal abbringen. Er ging so weit, dass der Meister ihn hart zurechtweisen musste: „Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23).

Liebe Schwestern und Brüder, auch wir verhalten uns oft so wie der erste der Apostel: wir wollen Gott unseren Willen aufzwingen, anstatt den Seinen anzunehmen. Auch wenn wir das Handeln des allmächtigen und barmherzigen Gottes nie ganz zu verstehen in der Lage sind, so müssen wir doch in solchen Situationen die Haltung Jesu annehmen. Er hat, als er aus Angst vor der Passion Blut schwitzte, gebetet: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Es ist anstrengend, die gewohnte Mentalität aufzugeben, die nicht selten von falschen Werten der Welt geprägt ist, wie beispielsweise Geld, Macht oder Vergnügen. In Offenheit für die Gnade des Heiligen Geistes müssen wir alle einsehen, dass Selbstverleugnung heißt, sein eigenes Leben für den Herrn Jesus zu verlieren, um es in Wirklichkeit zu bewahren, wie Er es selbst gesagt hat: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ (Mt 16,25).

„Er nehme sein Kreuz auf sich“.

Wie jedes menschliche Leben, so bringt auch das christliche unterschiedliche Schwierigkeiten mit sich. Es genügt, an die Leiden, die Krankheiten und den Tod zu denken. Manchmal scheinen uns die Herausforderungen das Leben unerträglich zu machen. Und das wäre es auch tatsächlich ohne die Hilfe des Herrn und die göttliche Gnade. Jesus schenkt uns die Kraft, das Kreuz, mag es klein oder groß sein, mit Mut und geistlichem Gewinn zu tragen, denn er hat verheißen: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28-30).

Daher, liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir dem Herrn Jesus unser ganzes Leben an, unsere Freuden ebenso wie unsere Verletzungen, Leiden und Kreuze. Mit der Hilfe seiner Gnade wird das Schwere dieser Kreuze nicht nur leicht, sondern bekommt einen heilbringenden Wert für uns, für die Kirche und die Welt, wie auch das Beispiel der heiligen Märtyrer Marcellinus und Petrus zeigt, die in Rom im Jahr 304 getötet wurden und seit langem in Seligenstadt verehrt werden.

„So folge er mir nach“!

Jesus nachzufolgen, das ist die Berufung der Christen als Personen und als Glieder der Kirche. Auch die heutige Wallfahrt soll unsere Lebensentscheidung unterstreichen: lebendige Glieder des mystischen Leibes Christi der Kirche zu bleiben, dessen Haupt Jesus Christus ist (vgl. Kol 1,18). Die diesjährige Wallfahrt findet zugleich im Heiligen Jahr 2025 statt, das überschrieben ist mit: Pilger der Hoffnung.

Mit diesem Jubeljahr lädt die Kirche alle Gläubigen ein, den Weg des Glaubens und der geistlichen Erneuerung einzuschlagen. Dabei wird die Bedeutung der Hoffnung im Kontext der heutigen Gesellschaft unterstrichen, die voller Herausforderungen ist, von denen der Friede in der Welt von ganz besonderer Bedeutung ist. Wir dürfen die Leiden der Bevölkerung in Ukraine, dem Nahen Osten und anderen Teilen der Welt nicht vergessen, die Opfer eines Dritten Weltkrieges in Stücken sind, wie es Papst Franziskus zu nennen wagte.
Die Erinnerung daran, dass die schöne und geschichtsträchtige Kirche hier in Seligenstadt vor einhundert Jahren zur Basilika minor erhoben worden ist, erinnert uns daran, Glieder der Katholischen Kirche zu sein, an dessen Spitze seit dem 08. Mai dieses Jahres der Heilige Vater Leo XIV. steht. Sein Wappen, das jede Basilika (maior et minor) schmückt, erinnert an die besondere Verbindung mit dem Heiligen Stuhl in Rom, der den Vorsitz der Liebe in der Weltkirche und den Teilkirchen hat, die über die ganze Welt verteilt sind. Als sein Repräsentant in der Bundesrepublik Deutschland freue ich mich, Euch alle im Namen von Papst Leo XIV., dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche zu grüßen. Er ist das sichtbare Zeichen der Einheit der Katholischen Kirche, der großen Familie von mehr als 1,4 Milliarden Gläubigen. Wir entsprechen seinem ausdrücklichen Wunsch und bitten den dreieinen Gott, dass er in guter Weise seine wichtige Mission für die Einheit der Kirche und den Frieden in der Welt verfolgen kann. Am Ende der Heiligen Messe gebe ich Euch gerne den Apostolischen Segen, Euch, die Ihr hier gegenwärtig seid, aber auch allen Menschen, die Euch lieb sind, vor allem die Kinder, die Alten und die Kranken, die nicht an dieser festlichen Eucharistiefeier teilnehmen können.

Liebe Schwestern und Brüder, vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der Seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Himmels und Mutter der Kirche, damit wir in rechter Weise das Wort des Lebens verstehen und in die Tat umsetzen, das der Herr Jesus an jeden von uns persönlich und zu uns allen als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft richtet:

„Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst,
nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Amen.

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