Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum 125-jährigen Bestehen des Karmelitinnen-Klosters in Aufkirchen
Aufkirchen, 18. September 2018
(Ex 17,8-13; Eph 6,14-18; Lk 2,41-51)
125 Jahre Karmel St. Josef
„Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49)
Verehrte Karmelitinnen!
Königliche Hoheit Herzog Franz von Bayern!
Liebe Brüder und Schwestern!
Mit diesen Worten eröffnet der erst zwölfjährige Jesus seinen „Eltern“, die ihn „mit Schmerzen“ gesucht hatten (Lk 2,48), die Natur seiner Sendung: in dem sein, was seinem Vater gehört. Die Anmerkung des Evangelisten Lukas überrascht nicht: „Doch sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte“ (Lk 2,50). Maria und Josef mussten einen noch langen Weg mit Jesus gehen, um seine einzigartige Personalität als Mensch und Gott zu erkennen, wie auch seine Sendung für sein Volk Israel und die ganze Welt zu begreifen.
Liebe Schwestern, mit Freude habe ich die Einladung Eurer verehrten Priorin Maria Veronika vom Heiligen Geist angenommen, mit Euch das 125-jährige Bestehen Eures Karmels, der im Jahre 1896 kanonisch errichtet wurde, zu feiern. Danken wir dem guten und barmherzigen Gott für diese lange Zeit, die voller Segen und Lobpreis war, selbst wenn es schwierige Zeiten im Konvent oder der karmelitanischen Gemeinschaft gegeben hat. Über das 125-jährige Jubiläum Eures Klosters St. Josef hinaus feiern wir diesen freudigen Tag in dem Jahr, das der Heilige Vater Franziskus dem Nährvater Jesu Christi und Patron der Katholischen Kirche mit dem Apostolischen Schreiben Patris corde vom 08. Dezember 2020 geweiht hat. So bin ich froh darüber, Euch die herzlichen Grüße Seiner Heiligkeit zu überbringen, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Er hat oftmals seine große Nähe zum geweihten Leben hervorgehoben und insbesondere von den Ordensleuten das Gebet für seine Person und seine Mission zur Einheit in Liebe in der Katholischen Kirche erbeten. Ich danke Euch im Namen des Papstes für Euer Gebet und erteile am Ende dieser Heiligen Messe den Apostolischen Segen, der sich auch auf Eure Familienangehörigen, Freunde und Personen erstrecke, die Euch helfen und nahe sind, wie auch auf jene, welche diese festliche Eucharistie mitfeiern.
Liebe Schwestern, wenn wir uns das Wort Gottes ins Bewußtsein rufen, das verkündet worden ist, so sind wir eingeladen, über folgende Aspekte des heutigen Evangeliums nachzudenken, das sich auf jedes Christenleben anwenden lässt, vor allem aber Euch als Mitglieder dieses ehrwürdigen Karmels betrifft.
1. In dem sein, was dem Vater gehört
Die Worte des zwölfjährigen Jesus im Tempel von Jerusalem nehmen seine Mission vorweg. Alle, die ihn hörten, einschließlich der Gesetzeslehrer, „waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk 2,47). Das öffentliche Wirken des Herrn aber wird er viel später beginnen, nachdem Jesus das volle Mannesalter von 30 bis 33 Jahren erreicht hatte. Daher sind viele Jahre von der Ankündigung, er müsse in dem sein, was dem Vater gehört, bis zum Beginn seiner Predigt im Heiligen Land vergangen, die wir als Zeit der Vorbereitung auf Seine Mission beschreiben können. Von Jerusalem kehrt der Herr Jesus nach Nazareth zurück und war, wie der Evangelist bemerkt, seiner Mutter Maria und dem Ziehvater Josef gehorsam (vgl. Lk 2,51). Es war eine gnadenhafte Situation für Jesus und seine Eltern. Mit Blick auf Jesus, gab ihm seine Unterordnung, wir können sagen, sein Gehorsam gegenüber den Eltern, die Möglichkeit zu wachsen, „und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Seine Mutter Maria reifte ebenfalls und erlangte eine Tiefe des Verständnisses von Gottes Willen in den Heiligen Schriften und durch die Ereignisse. Deshalb „bewahrte (sie) all die Worte in ihrem Herzen“ (Lk 2,51).
Liebe Schwestern, auch das Ordensleben setzt den Gehorsam gegenüber Gott voraus, auch mittels des Gehorsams zu den Oberen und mit Blick auf das ordenseigene Charisma. Jedoch darf er nie einfach passiv sein, wie wir am Beispiel Jesu und seiner Mutter Maria gesehen haben. Das Wort Gottes im Herzen bewahren, verlangt, es zu kennen, braucht die Reflexion über dessen Inhalt, meint das immer tiefere Durchdringen zu seiner Bedeutung, was erlaubt, Gefallen zu finden bei Gott und den Menschen. Es handelt sich um einen menschlichen, christlichen und religiösen Prozess der Reife. Das zeigt sich deutlich zu Beginn Eurer Berufung, beim Eintritt in das Kloster, in den Jahren der Vorbereitung vor den ersten und weiter bis zu den ewigen Gelübden. Doch der Prozess muss auch danach weitergehen durch das Gebet, die Meditation, das Studium, den täglichen Liebesdienst an den Mitschwestern und den nahen und fernen Menschen, wie all derer, die der geistlichen und materiellen Unterstützung bedürfen. Indem sie dem Beispiel Jesu folgen und gestärkt vom Heiligen Geist, den der auferstandene in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), sind auch die Christen gerufen, vor allem aber die Menschen des geweihten Lebens, in dem zu sein, was dem Vater gehört und herausgerufen, zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen. Und Gott wird allen, die Ihm und Seinem Evangelium den Vorrang geben, alles Übrige dazugeben (vgl. Mt 6,33). Ihr, verehrte Karmelitinnen, seid gerufen, Gott ohne Unterlass zu suchen und in dem zu sein, was dem Vater gehört. Tut dies stets tiefer und besser und sprecht davon zu den anderen, wenn es nötig ist oder hilfreich.
2. Die erhobenen Hände
In der ersten Lesung aus dem Buch Exodus wird der Kampf zwischen Israel und Amalek beschrieben. Moses beauftragt Josua, die Truppen militärisch zu organisieren. Uns aber interessiert mehr der geistliche Kampf, den Mose mit Hilfe von Aaron und Hur bestritten hat, als sie gemeinsam auf den Hügel hinaufgingen. Die Beschreibung des Gebets um Hilfe durch Mose ist sehr bezeichnend: „Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker; sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker“ (Ex 17,11). Mose brauchte Hilfe, um weiterhin seine Hände zum Himmel erheben zu können. „Als dem Mose die Hände schwer wurden, holten sie einen Steinbrocken, schoben den unter ihn und er setzte sich darauf. Aaron und Hur stützten seine Arme, der eine rechts, der andere links, sodass seine Hände erhoben blieben, bis die Sonne unterging“ (Ex 17,12-13), was letztlich zum Sieg Josuas und Israels führte.
Liebe Schwestern, das Gebet ist die Stärke der Christen. Der Herr Jesus ermuntert uns zum Gebet ohne Unterlass und ohne müde zu werden (vgl. Lk 18,1). Das Gebet ist in besonderer Weise die Kraft des geweihten Lebens. Die Ordensleute weihen dem Gebet die wichtigen Zeiten jedes Tages. Die zum Himmel erhobenen Hände stehen für dieses Gebet für die Kirche und die ganze Welt. Sie weisen auf das Herz des christlichen Lebens, dessen kostbarstes Zentrum die Heilige Messe ist. Der Herr Jesus gab uns nicht nur ein Beispiel als Beter, sondern lehrt uns auch das schönste aller Gebete, das Vaterunser. Das Leben jedes Christen ist vom Gebet gekennzeichnet. Es muss vor allem jenes des Ordensleben ausmachen, Euer Leben hier im Karmel von St. Josef, liebe Schwestern. Die Hilfe von Aaron und Hur, die sie Mose leisten, zeigt die Bedeutung der Unterstützung beim Gebet durch die Gemeinschaft. Darin wird wahr, dass aus den vielen Ich das Wir wird, das sich zu Gott erhebt und die ganze Kirche umfasst. Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus danke ich Euch nochmals für Eure Gebete für Ihn und für die Kirche, die schwere Zeiten erlebt und vor neuen und alten Herausforderungen bei ihrer Sendung zur Evangelisierung und der menschlichen Förderung steht.
3. Der geistliche Kampf
Das Gebet ist die mächtige Waffe der Kirche im geistlichen Kampf, der die menschlichen Kräfte übersteigt. Der Evangelist Johannes unterscheidet zwei Begriffe von Welt: jener guten, die von Gott geschaffen und erhalten wird und die Menschen einschließt, und jener bösen, die in der Sünde verharrt und in der jener „Fürst dieser Welt“ (Joh 16,11; 21,31) seine Herrschaft übt. Satan lehnt die Werte des Geistes ab: die Wahrheit, das Gute, die Gerechtigkeit, die Liebe. Diese Welt ist gegenüber Jesus Christus und der Kirche feindlich gesinnt, und ihre Vertreter nutzen jede sich bietende Gelegenheit, sie anzugreifen und zu bekämpfen. Wir alle sind uns bewußt, gewisse Verbrechen und ideologische Einstellungen können allein durch diabolische Mächte geschehen, die menschliche Kräfte überragen. Wir alle haben schon erfahren, wie wahr jene Worte sind, die vor etwa 2.000 Jahren aufgeschrieben wurden: „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen“ (Eph 6,12). In seiner großen Güte lässt uns Gott nicht allein, verlassen und überwältigt. Er gibt uns nicht nur die Möglichkeit zum Kampf, sondern auch zum Sieg. Daher ermahnt uns der Völkerapostel: „Zieht an die Waffenrüstung Gottes, um den listigen Anschlägen des Teufels zu widerstehen“ (Eph 6,11). Diese Rüstung ist Jesus Christus selbst, mit dem wir in der Taufe bekleidet worden sind (vgl. Gal 3,27). Wir haben den alten, faulenden Leib abgelegt und wurden mit dem neuen Menschen bekleidet, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Lassen wir den Heiligen Geist in uns die Taufgnade erneuern, wodurch wir Kinder Gottes wurden, was uns erlaubt, die Ermahnung des Heiligen Paulus zu erfüllen: „Steht also da, eure Hüften umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit, die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes“ (Eph 6,14-17). Das ist das Programm des christlichen Lebens, insbesondere des geweihten Lebens, ehrwürdige Schwestern. Dieses Programm braucht die ständige Begleitung durch das Gebet. Getreu der Lehre des Herrn Jesus, wiederholt auch der Heilige Paulus: „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen“ (Eph 6,18).
Vertrauen wir diese Überlegungen der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, wie auch der des Heiligen Josef, Eures Patrons, damit sie Euch im Prozess des geistlichen Wachsens und Reifens in Eurer karmelitanischen Gemeinschaft leiten. Wir rufen auch Eure anderen heiligen Patrone an, insbesondere die Heilige Theresia von Jesus, die Ordensgründerin, wie auch die heilige Gestalt unserer Tage: die Heilige Theresia Benedicta a Cruce (Edith Stein). Ich freue mich, dass ihr kürzlich eine Assoziation gegründet habt, die unter dem Patronat dieser Heiligen steht und vom Heiligen Stuhl anerkannt worden ist.
Ich schließe mit den Worten des Heiligen Vaters Franziskus aus dem Apostolischen Schreiben Patris corde: „Angesichts des Beispiels so vieler heiliger Männer und Frauen fragte sich der heilige Augustinus: Du solltest es nicht vermögen wie diese Männer, diese Frauen? Und so gelangte er zur endgültigen Bekehrung und rief aus: Spät hab ich dich geliebt, du Schönheit, ewig alt und ewig neu! So wollen wir nun vom heiligen Josef die Gnade aller Gnaden erflehen – unsere Bekehrung“. Amen.