Predigt von Nuntius Eterović im Studienhaus St. Lambert in Lantershofen

3. Sonntag im Jahreskreis – LJ B

(Jona 3,1-5.10; Ps 25; 1 Kor 7,29-31; Mk 1,14-20)

Studienhaus St. Lambert Lantershofen, 21. Januar 2018

Beauftragung zum Lektorat

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,14).

 

Verehrtes Kollegium der Leitung und der Dozenten,
liebe Seminaristen,
Brüder und Schwestern in Christus!

Wir stehen noch am Beginn eines neuen Jahres und hören im heutigen Evangelium vom Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. Nach seiner Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer und den 40 Tagen in der Wüste hört die Welt von damals die ersten Worte aus dem Mund dessen, von dem die Stimme Gottvaters vom Himmel her bezeugt hat, er sei sein „geliebter Sohn“ (Mk 1,11). Als die Machthaber dieser Welt den Vorläufer Johannes zum Schweigen gebracht haben, weil sie ihn ins Gefängnis warfen, erhebt Jesus Christus die Stimme, die auch heute noch das Wort ist. „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,3). Jesus Christus ist also das schöpferische Wort des Vaters und der Hauch des Heiligen Geistes. Jenseits von aller Theorie ist es mächtiger als jedes Menschenwort (I). Wir erleben das Wort Jesu im heutigen Evangelium jedoch auch als einen drängenden Aufruf zu Umkehr und Glaube (II), nicht nur an die Menschen damals in Galiläa, sondern an uns heute. Das Wort, das unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,13), erfahren wir als ein rufendes, als ein berufendes Wort: „Kommt her! Mir nach!“ (Mk 1,17), das den ersten Aposteln Simon und Andreas gilt, aber seit dem um die Welt geht und in jeder Generation von neuem danach sucht, „Menschenfischer“ (Mk 1,17) zu finden (III).

Bevor ich mit Euch über diese drei Punkte reflektieren möchte, darf ich meine Freude ausdrücken, heute hier im Priesterseminar St. Lambert und bei Euch zu sein, um dieser festlichen Eucharistie vorzustehen, in der ich vier Eurer Brüder aus der verehrten Erzdiözese Hamburg und den ehrwürdigen Diözesen Augsburg und Rottenburg-Stuttgart die Beauftragung zum Lektorat erteilen darf. Ich danke dem Hochwürdigen Herrn Regens Dr. Volker Malburg für die freundliche Einladung und der ganzen Hausgemeinschaft für die herzliche Aufnahme. Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland überbringe ich die liebevollen Grüße des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, der in seinem apostolischen Dienst, der ihm anvertraut ist, nicht müde wird, Zeugnis zu geben von der „Freude am Evangelium“ (Evangelii gaudium). Seine wiederholte Bitte, für ihn zu beten, möchte ich gerade hier in Erinnerung rufen. Durch das Gebet sind wir in besonderer Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, der in seiner Gestalt das Symbol der Einheit der ganzen Kirche ist. Gerade die Ausbildung zu Priestern und die Priesterbildung liegt dem Heiligen Vater am Herzen, denn es ist „von entscheidender Bedeutung für die Sendung der Kirche: die Erneuerung des Glaubens und die Zukunft der Berufungen ist nur möglich, wenn wir gut ausgebildete Priester haben“ (Ansprache beim Kongress der Kleruskongregation, 7. Oktober 2017). Daher möchte ich die Herren Seminaristen ermutigen, in der Kraft des heutigen Evangeliums dem Herrn Jesus ganz und gar zu vertrauen. „Es ist ein Werk, das den Mut erfordert, sich vom Herrn formen zu lassen, damit er unser Herz und unser Leben verwandelt“ (ebd.) und auch uns wie Simon und Andreas zu „Menschenfischern“ (Mk 1,17) macht. Zur Stärkung auf dem Weg zum Priestertum oder zur Vertiefung Eurer priesterlichen Existenz erteile ich Euch am Ende der Heiligen Messe den Apostolischen Segen.

1. Gottes Wort, nicht Menschenworte.

Nie war es leichter als heute, Worte zu machen und zu verbreiten. Fluten von Wörtern überschwemmen uns Tag für Tag. Und ginge ein Jona wie einst in Ninive heute durch eine Stadt, würden sie seinem Ruf zur Umkehr folgen, ohne nicht vorher gründlich zu recherchieren, wer das ist, der ihr Leben stört? Sie würden alles über ihn herausfinden und verbreiten, was seine Botschaft relativiert und letztlich unglaubwürdig zu machen scheint. Selbst wenn sie nichts fänden, blieben noch die „alternativen Fakten“, seinen starken Worten die Kraft zu nehmen. In diese Situation hinein sind wir Christen heute gestellt. Es gilt der Auftrag des auferstandenen Herrn, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Viele Christen aber sind leider stumm geworden, weil sie den Mut nicht finden, den Menschen die Frohe Botschaft anzubieten. Verkündigung ist aber weniger eine Angelegenheit der Worte, als vielmehr eine Weise, Zeugnis zu geben vom Evangelium. Darauf weist der Heilige Vater Franziskus hin, wenn er meint, wir sollten das Evangelium durch das Leben bezeugen und erst dann, wenn es nötig ist, mit Worten. Das ist logisch, denn das Gotteswort muss erst in mir selber Fleisch werden, ins Leben treten, in mir und mit mir wohnen. Nur dann, wenn es mir durch und durch vertraut geworden ist, sollte es öffentlich als das verkündet werden, was es in Wahrheit ist: Gottes Wort. Die lateinische Liturgie sagt am Ende der beiden Lesungen in der Sonntags- und Festtagsmesse: verbum Domini, das Wort des Herrn. In den Ländern deutscher Sprache heißt es: Wort des lebendigen Gottes. Damit soll unterstrichen werden, daß im Menschenwort der Lesungen das Wort Gottes als lebendiges und wirksames in unser Leben und Handeln Einzug hält. Und wie der Heilige Apostel Paulus können auch wir nur dankbar sein, wenn „ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit ist - als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Glaubenden, wirksam“ (1 Thes 2,13). Diese Wirksamkeit ist es, die das Leben der Menschen verändert, sie umkehren und erkennen lässt, „lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Weil das wirklich so ist, werden viele der Menschenworte als das empfunden, was sie sind: eintönig und leer. Gottes Wort ist der Dialog der Liebe, ansprechend und lockend, lenkend und Weisung gebend. Aus der ursprünglichen Inspiration des Heiligen Geistes an die Verfasser der biblischen Texte wird gleichsam eine Symphonie des Glaubens, denn das Wort Gottes kehrt nicht leer zu Ihm zurück (vgl. Jes 55,1), sondern bringt die Antwort des Menschen mit, denn die Antwort des Hörens ist der Gehorsam. Wie das geht, können wir an den Heiligen ablesen, die sich vom Wort Gottes gestalten ließen. In der seligen Jungfrau Maria haben wir das Urbild des Hörens auf Gottes Wort und der Antwort des Menschen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38).

2. Der Ruf zur Umkehr.

Wenn Jesus sein Wirken in Galiläa mit dem Ruf zur Umkehr beginnt, so setzt er damit das Werk eines Johannes des Täufers und aller Propheten fort, die allesamt die Menschen davor warnen wollten, ihr Heil und ihre Rettung in dieser Welt zu sehen. Doch es gilt: „Die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31). Zwar vergeht sie nicht so rasch, wie es der Heilige Paulus und die ersten Christen erwartet haben, aber mit Blick auf die Menschen bleibt bestehen: „Die Zeit ist kurz!“ (1 Kor 7,29). Der Ruf des Jona zur Umkehr der Bewohner Ninives hat Erfolg, denn der König befiehlt, „jeder soll umkehren von seinem bösen Weg und von der Gewalt, die an seinen Händen klebt“ (Jona 3,8). Würde man aber heute einem solchen Befehls eines Herrschers folgen?
In Galiläa tritt Jesus zwar auf wie Jona und der Menschensohn ist wie jener ein Zeichen, aber „hier ist mehr als Jona“ (Lk 11,32). Jesus Christus ist mehr, weil er Gottes Wort selber ist und nicht nur eine prophetische Stimme, die in der Wüste ruft. Die Gestalt Jesu ist das Mehr im Bekenntnis des Glaubens: „Jesus Christus ist der Herr!“ (Phil 2,11). Insofern fügt sich zusammen, daß dem Ruf zur Umkehr an alle die besondere Berufung von Simon und Andreas zu Menschenfischern folgt. Der Herr Jesus verlangt nicht nach weltlicher Macht, die seinem Wort Geltung verschafft, sondern sein Ruf zur Umkehr ist stets eine Berufung an jeden einzelnen von, mit seinem Leben dem Reich Gottes zu dienen, indem man dem Evangelium glaubt und danach handelt.

3. „Ich werde euch zu Menschenfischern machen“ (Mk 1,17).

Die Berufung der ersten Apostel wird im Markusevangelium äußerst knapp geschildert. Und umso eindrücklicher ist der eine Satz, den Jesus zu ihnen und später wohl auch zu Jakobus und Johannes und den übrigen Aposteln sagt: „Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen“ (Mk 1,17). Die Angesprochenen folgen „sogleich“ (Mk 1,18), ohne Zögern oder lange Überlegungen. Die Berufung Jesu ist der Maßstab des Evangeliums, nicht das Leben bisher oder früher. Jetzt beginnt das neue Leben in und mit Christus.

Wir leben nicht mehr in dieser Ursprünglichkeit der Berufung, sondern es braucht heute zuweilen länger, bis der Ruf des Herrn das Herz der Menschen erreicht. Hier im Priesterseminar Lantershofen, wo viele Männer aus den unterschiedlichen Diözesen deutscher Sprache leben und studieren, kann man aber heute noch sehen, daß der Herr in das Leben von Menschen eintritt und sie ruft. Und wie Simon und Andreas habt auch Ihr, liebe Mitbrüder, einen Beruf gehabt, das Leben lief in vertrauten Bahnen, auch der christliche Glaube womöglich. Doch wer von Jesus Christus gerufen wird, der wird aus seiner Vertrautheit geholt, manchmal regelrecht herausgerissen. Um dem Ruf Jesu zu folgen, braucht es den Mut des Vertrauens. An Christi statt wird die Kirche helfen, Eure Berufung zu prüfen und Euch auf den priesterlichen Dienst vorzubereiten. „Gott ist der geduldige und barmherzige »Handwerker« unserer priesterlichen Formung und Ausbildung und diese Arbeit dauert das ganze Leben lang“ (Franziskus, Ansprache beim Kongress der Kleruskongregation, 7. Oktober 2017). Das ganze Leben werden wir damit zu tun haben, unsere menschliche Schwäche, unsere irdenen Gefäße der Gnade des guten und barmherzigen Gottes hinzuhalten, damit wir diesen Schatz hinaustragen können in die Welt, die darauf wartet, die Gute Nachricht zu hören und zu begreifen. In Deutschland gibt es schon weite Gegenden, wo der christliche Glaube keine Heimat mehr hat. Viele Menschen auch in diesem Land kennen Jesus Christus nicht mehr oder wissen nur noch wenig von ihm. Es wird Eure Aufgabe sein, die Netze auszuwerfen und mit der Gnade des Heiligen Geistes Menschen für Christus zu begeistern. Und diese Mission ist die schönste, die es geben kann, denn es drängt uns den Menschen, zu denen wir gesandt sind, zu sagen: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,14).

Vertrauen wir unsere Vorhaben und Vorsätze und dieses verdienstvolle Priesterseminar St. Lambert der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria an, der Mutter Kirche. Heute empfehlen wir unsere vier Mitbrüder, die zu Lektoren beauftragt werden, ihrem mütterlichen Schutz, damit sie wie Maria mit frohem Herzen und Hingabe das Wort Gottes hören, es im Herzen bewahren, in Treue verkünden und im Leben bezeugen. Amen.

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