Predigt von Nuntius Eterovic in der Hl. Messe bei der Mitgliederversammlung der Deutschen Ordensobernkonferenz
Vallendar, 10. Mai 2025
(Apg 14,19-28; Ps 144; Joh 14,27-31)
„Friede sei mit euch“ (Joh 20,19).
Liebe Brüder und Schwestern!
Am Sonntagabend, dem Tag seiner Auferstehung, trat der Herr Jesus durch die geschlossenen Türen des Abendmahlssaales, wo seine Jünger aus Angst vor den Juden versammelt waren, „in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch“ (Joh 20,19). Um seine menschliche Identität zu präsentieren, „zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite“ (Joh 20,20). Auf diese unerwartete Begegnung hin „freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20).
„Friede sei mit euch“ (Joh 20,19.21).
Die Auferstehung des Herrn Jesus wirft ihr Licht auf die ganze Bibel, vor allem auf das Neue Testament. Im Licht seines Sieges über Sünde und Tod verstehen wir das soeben verkündete Evangelium besser. Darin verheißt Jesus den Seinen schon vor dem Ostergeheimnis die Gabe des Friedens: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“ (Joh 14,27). Die wahre Natur dieses Friedens wird nach der Auferstehung klar. Denn im Abendmahlssaal von Jerusalem legt Jesus dar, worin sein Friede besteht. Er ist nämlich die Frucht der Liebe von Gottvater und das Werk des Heiligen Geistes. Um im Frieden zu sein, bedarf es der Reinigung des Herzens von jeder Sünde. Aus diesem Grund haucht der Auferstandene die Apostel an „und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Auf diese Weise vom Heiligen Geist erneuert, reihen sich die Jünger ein in den Heilsplan von Gottvater und nehmen teil an der Sendung: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Diese Mission umfasst die ganze Welt. Denn der auferstandene Herr hat diese Mission den Seinen vor seiner Himmelfahrt anvertraut: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden“ (Mk 16,15-16).
„Friede sei mit euch allen!“
Diesen österliche Gruß, mit dem ein Bischof gewöhnlich die Feier der Eucharistie beginnt, hat auch der neue Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche, der Heilige Vater Leo XIV. in seiner kurzen Botschaft benutzt, mit der er sich am Abend des 8. Mai 2025 an die Gläubigen und jeden Menschen guten Willens urbi et orbi, in der Stadt Rom und der ganzen Welt gewandt und dabei das Wort des Friedens zehnmal genannt hat. Auf diese Weise hat er gezeigt, wie sehr die Kirche und die Welt von heute den Frieden brauchen. Nachdem er den Gruß gesagt hatte: „Der Friede sei mit euch allen“, führte er aus: „Dies ist der erste Gruß des auferstandenen Christus, des guten Hirten, der sein Leben für die Herde Gottes hingegeben hat. Auch ich möchte, dass dieser Friedensgruß in eure Herzen eintrete, eure Familien und alle Menschen, wo immer sie sind, alle Völker und die ganze Erde erreiche. Der Friede sei mit euch“ (Erster Segen Urbi et orbi, 8. Mai 2025). Nach Papst Leo XIV. ist der Friede eine Gabe Gottes, der die Liebe ist. Denn dieser Friede „kommt von Gott, Gott, der alle bedingungslos liebt“. Die Natur dieses Friedens wird bestimmt als „der Friede des auferstandenen Christus, ein entwaffnender Frieden und ein entwaffnender, demütiger und beständiger Frieden“ (a.a.O., ebd.). Der Papst hat keine Truppen und verfügt weder über militärische Macht noch über finanzielle Mittel. Ihm steht aber die Kraft des Evangeliums zur Verfügung, die Macht des Wortes Gottes. In der Gnade des Heiligen Geistes wird dieses Wort „wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden“ (Hebr 4,12-13). Das Wort Gottes ist imstande, die Herzen der Mächtigen dieser Welt zu bekehren, damit sie von der Logik des Krieges und der Gewalt ablassen und den Weg des Dialogs einzuschlagen, um Streitigkeiten beizulegen und zu einem gerechten Frieden zu kommen, der in allen Konflikten tragfähig bleibt. Nachdem Papst Leo XIV. sagte, dass die Welt Jesus Christus und Sein Licht braucht, fügte er an: „Die Menschheit braucht Ihn als Brücke, um von Gott und seiner Liebe erreicht zu werden“. Sodann hat er alle ermuntert: „Helft auch uns und dann einander, durch Dialog und Begegnung Brücken zu bauen und uns alle zu einem Volk zu vereinen, das immer in Frieden lebt“ (a.a.O., ebd.). Um Friedensbringer in einer unruhigen und durch zahllose Gewalt, Terror und Kriegen geschundenen Welt zu werden, muss die Kirche selbst im Frieden sein. Daher hat Papst Leo XIV. den Mitbrüdern des Kardinalskollegiums gedankt, die ihn zum Nachfolger Petri gewählt haben, und bittet sie auch zukünftig um Unterstützung in der Ausübung seiner päpstlichen Mission. „Wir gehen gemeinsam mit euch als vereinte Kirche unseren Weg, immer auf der Suche nach Frieden und Gerechtigkeit, immer bemüht, als Männer und Frauen, die Jesus Christus treu sind, ohne Angst zu arbeiten, das Evangelium zu verkünden und Missionare zu sein“. Noch einmal wiederholt der Bischof von Rom: „An euch alle, Brüder und Schwestern aus Rom, aus Italien, aus der ganzen Welt: Wir wollen eine synodale Kirche sein, eine Kirche auf dem Weg, eine Kirche, die immer nach Frieden strebt, die immer Nächstenliebe übt, die immer versucht, besonders den Leidenden nahe zu sein“. Am Schluss hat er sich an die Gottesmutter Maria gewandt und Ihr, unserer Mutter, die Erfüllung dieser guten Vorsätze anvertraut. „Beten wir gemeinsam für diese neue Mission, für die ganze Kirche und für den Frieden in der Welt“ (a.a.O., ebd.).
„Friede sei mit euch“ (Joh 20,19.21).
Als Vertreter des Heiligen Vaters Leo XIV. in Deutschland möchte ich diesen österlichen Gruß gerne an Euch alle richten, verehrte Ordensleute, und hoffe, dass jeder von Euch dabei mithilft, den Frieden in den Gemeinschaften, in denen ihr lebt und arbeitet, in den Orden, Kongregationen und religiösen Instituten, denen ihr angehört, aufzurichten und zu bewahren. Wir alle brauchen den Frieden, der an erster Stelle eine Gabe Gottes ist, jedoch auch von uns abhängt, von unserem Willen, ihn anzunehmen und daran mit der Gnade Gottes mitzuwirken, um ihn fruchtbar zu machen. Wie gut wäre es, wenn unsere christlichen Gemeinschaften Oasen des Friedens und Beispiele der Solidarität und geschwisterlichen Liebe seien. Das gilt vor allem für das monastische Leben, wie für das Ordensleben überhaupt. Wir wissen, dass es nicht nur in der Welt, sondern auch im christlichen Leben und im Ordensleben viele Schwierigkeiten und Herausforderungen gibt. In der ersten Lesung haben wir die Beschreibung der Leiden des heiligen Apostel Paulus gehört, der trotz Verfolgung den Mut nicht verlor, sondern seine Mission fortsetzte und gemeinsam mit dem heiligen Barnabas die Christen ermahnte, „treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen“ (Apg 14,21-22).
Der auferstandene Herr hat seiner Kirche ein wirksames Mittel des Friedens hinterlassen: das Sakrament der Versöhnung. In der Kraft des Heiligen Geistes konnten die Apostel und vermögen ihre Nachfolger die Sünden vergeben und den Frieden in die Herzen der sündigen Menschen zurückbringen. Daher ist es vor allem in unserer säkularisierten Welt notwendig, die Bedeutung der Beichte wiederzuentdecken, die Umkehr und das Zurückkehren zum guten und barmherzigen himmlischen Vater, der Quelle des wahren Friedens. Als mit Gott Versöhnte sind wir dazu gerufen, uns mit dem Nächsten zu versöhnen, damit wir den Frieden in die Welt tragen können. Dabei handelt es sich nicht um reine Utopie. Es mag hilfreich sein, an die Versöhnungsformel zu erinnern, die zwischen zwei Völkern, Polen und Deutschen, nach tiefen Wunden, die im Zweiten Weltkrieg geschlagen wurden, den Frieden aufzurichten suchte und mit den Worten beginnt: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Diese vor 65 Jahren gebrauchten Worte haben christliche Wurzeln und waren imstande, die Tragödie der Vergangenheit zu überwinden und eine Zukunft des besseren Miteinanders aufzubauen. Die Formulierung war dem heiligen Johannes Paul II. sehr teuer, doch wurde sie auch von seinen Nachfolgern auf dem Stuhl Petri, Benedikt XVI. und Franziskus verwendet, weswegen sie bis heute aktuell ist. Nur in der Bereitschaft zur gegenseitigen Vergebung wird es möglich werden, die Konflikte im Heiligen Land oder in von der Aggression seitens der Russischen Föderation leidenden Ukraine zu überwinden. Christliche Vergebung aber setzt voraus, dass Gerechtigkeit aufgerichtet wird und jene bestraft werden, die sich mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit besudelt haben.
Liebe Schwestern und Brüder, vertrauen wir diese Überlegungen der seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Himmels, damit die Christen auf ihre Fürsprache den Frieden in den Herzen, in den Familien, den Gemeinschaften und vor allem in den Orden, Kongregation und religiösen Instituten wiederfinden. Wenn wir den Frieden, den allein der auferstandene Herr geben kann, leben, so werden wir immer mehr zu Zeugen und Missionaren „des Evangeliums des Friedens“ (Eph 2,14), welches die Kirche und unsere Welt so dringend nötig hat. Amen.