Predigt von Nuntius Eterovic zur Feier des Patronatsfestes der Vinzentiner-Kongregation

St. Clemens zu Berlin, 2. Oktober 2022

(Hab 1,2-3; 2,2-4; Ps 95; 2 Tim 1,6-8.13-14; Lk 17,5-10)

27. Sonntag im Jahreskreis – LJ C

„Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5).

Verehrte Mitglieder der Vinzentiner-Kongregation!

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes am heutigen 27. Sonntag im Jahreskreis stellt besonders den Glauben heraus (I), der Demut voraussetzt (II) und zum Dienst an den anderen anspornt, vor allem an den Armen. Es handelt sich nicht um ein abstraktes Ideal, das unerreichbar ist, wie uns der heilige Vinzenz von Paul zeigt, an den wir heute aus Anlass des Patronatsfestes der Vinzentiner-Kongregation erinnern.

Im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, grüße ich Euch alle, besonders Hochwürdigen Pater Joseph Peruvelil VC, der mich eingeladen hat, dieser Heiligen Messe vorzustehen. Ich danke herzlich für das Gebet für den Heiligen Vater, der gleichsam das Symbol der Einheit in Liebe der Katholischen Kirche ist. Am Ende der festlichen Eucharistiefeier, erteile ich gerne als Zeichen der Einheit mit dem Papst, jenem sichtbaren Zentrum unserer heiligen Mutter Kirche, den Apostolischen Segen, Euch, die Ihr hier anwesend seid, aber auch Euren Angehörigen, wie auch jenen, die nicht kommen konnten, aber geistlich im Gebet mit uns verbunden sind.

Wir öffnen uns dem Heiligen Geist und folgen der Lehre des Herrn Jesus, die wir in die Tat in unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben nach dem Beispiel des Heiligen Vinzenz von Paul umsetzen wollen.

1. „Der Gerechte bleibt wegen seiner Treue am Leben“ (Hab 2,4)

In der ersten Lesung beschreibt der Prophet Habakuk die Situation der Gewalt und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft seiner Zeit. Unter anderem schreibt er: „Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung, erhebt sich Zwietracht und Streit“ (Hab 1,3). Habakuk ist einer der zwölf kleinen Propheten. Er hatte den Eindruck, dass JHWH seinen Hilfeschrei nicht hört und er seinem leidenden Volk nicht zu Hilfe eilt. Gott aber lässt ihn durch eine Vision einsehen, dass Gebete erhört wurden und ER zur rechten Zeit eingreifen wird: „Wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus“ (Hab 2,3). Der Abschnitt endet mit einer Aussage voller Vertrauen: „Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben“ (Hab 2,4).

Die Klagen des Propheten Habakuk, der im sechsten Jahrhundert vor Christus lebte, sind uns sehr nahe. Auch wir haben angesichts von großer Ungerechtigkeit, Unordnung, Unterdrückung und Gewalt den Eindruck, Gott greift nicht ein und hört die Gebete und Bitten seines Volkes nicht. Es genügt, an die zahlreichen Kriege in der Welt zu erinnern, vor allem in Ukraine, einem europäischen Land, das unter der Aggression der Russischen Föderation leidet. Gott jedoch antwortet und durch sein Wort, das stets aktuell ist, auch wenn es vor vielen Jahrhunderten gesprochen worden ist. Trotz des gegenteiligen Eindrucks handelt Gott, und er wird zugunsten der Armen, der Überfallenen und der Opfer von Krieg und Gewalt handeln. Der Glaube an Gott, den Herrn der Geschichte, ist wesentlich. Im Glauben wird der Unterschied zwischen dem, der „nicht rechtschaffen ist“, und dem Gerechten deutlich. Während der erste dahinschwindet und seine Strafe erhält, weil er Gott nicht glaubt und Ihm die Treue gehalten hat, bleibt „der Gerechte aber wegen seiner Treue am Leben“ (Hab 2,4). Jene, die einen Krieg erlebt haben, wissen, wie wichtig der Glaube an einen Sieg ist, der aus dem Vertrauen auf Gott und aus dem moralischen Bewußtsein erwächst, für eine gute Sache zu kämpfen, für die Freiheit, für Demokratie und das Vaterland. Der Heilige Vater Franziskus hat gesagt: „Sich zu verteidigen, das ist nicht nur erlaubt, sondern Ausdruck der Liebe zum Vaterland“ (Pressekonferenz bei der Rückkehr aus Kasachstan, 15. September 2022).

Auch der heilige Paulus unterstreicht in der zweiten Lesung die Bedeutung des Glaubens im christlichen Leben. Der Völkerapostel ermuntert seinen Schüler die Gabe Gottes, die er aus seinen Händen empfangen hat, zu erneuern (vgl. 2 Tim 6,1). Timotheus soll sich nicht der Furcht ergeben, sondern mutig sein, weil Gott hat ihm nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, „sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). Und so soll man in Bedrängnis und auch im Gefängnis die Gewissheit bewahren, für das Evangelium zu leiden und im Bewußtsein leben, „dass er die Macht hat, das mir anvertraute Gut bis zu jenem Tag zu bewahren“ (2 Tim 2,12). Mit dieser Art zu leben, werden ihm die Worte des Lebens helfen, die er vom heiligen Paulus „in Glaube und Liebe in Christus Jesus“ (2 Tim 2,13) empfangen hat. Timotheus ist auf diese Weise gefordert, Glauben zu haben und durch diesen die Liebe zu üben. Die erste Liebe als Frucht des Glaubens ist jene, den guten Schatz des Glaubens mit Hilfe des Heiligen Geistes zu bewahren und ihn den anderen zu verkünden, vor allem den Armen (vgl. Lk 6,20).

2. „Wir sind unnütze Knechte“ (Lk 17,10).

Auch die Jünger Jesu waren sich der Bedeutung des Glaubens bewußt. Sie kannten das Alte Testament und hierin die Verheißung Gottes, dass der Gerechte aufgrund seiner Treue am Leben bleibt (vgl. Hab 2,4). Zugleich waren sie Zeugen zahlreicher Wundertaten, die ihr Meister an Menschen getan hat, die Glauben hatten. Es genügt, an jene Frau zu erinnern, die zwölf Jahre an Blutungen litt und glaubte, allein die Berührung von Jesu Mantel würde sie heilen, und zu der Jesus sagte: „Hab keine Angst, meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet“ (Mt 9,22). Im Gegensatz dazu hörten die Jünger, sie seien „Kleingläubige“ (Mt 8,26) und bitten daher den Meister: „Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5). Aus der Antwort des Herrn leuchtet erneut die Kraft des Glaubens, der imstande ist, Wunder zu tun: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen“ (Lk 17,6). Der Herr weist aber auch darauf hin, dass Glauben zu haben bedeutet, demütig zu sein. Das macht er an einem Beispiel aus dem Leben jener Zeit deutlich, wenn er die Haltung eines Knechtes beschreibt. Nach einem Tag harter Arbeit auf dem Feld, kehrt er nachhause zurück, bereitet zunächst das Essen für den Herrn und bedient ihn. Danach erst isst er selber und weiß, er hat nichts Außergewöhnliches getan, sondern vielmehr seine Pflicht erfüllt (vgl. Lk 17,7-9). Die Bedeutung dieser Erzählung wendet Jesus auf uns Gläubige an. Auch wir befinden uns in einer ähnlichen Situation, wenn wir Gott dienen. Von ihm haben wir alles: das Leben, die Talente, die geistlichen und materiellen Güter. Daher hat Gott das Recht, von uns Gläubigen zu verlangen, Seinen Willen zu tun. In dieser Lebenshaltung müssen wir nicht mit einer Belohnung rechnen, denn wir tun nach dem Wort Jesu Christi nichts anderes als unsere Pflicht: „So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10). Das Bewußtsein darüber, unnütze Knechte zu sein, will sagen, dass wir anerkennen, für Gott nicht unverzichtbar zu sein, dass Er auch mit anderen Menschen seinen Willen erfüllen kann. Um das anerkennen zu können, braucht es Demut, was bedeutet, seinen Egoismus zu bekämpfen und sich erfüllen zu lassen von der Gnade Gottes.

Aus der Heiligen Schrift wissen wir außerdem, dass Gott die demütigen Menschen schätzt und großherzig zu ihnen ist. In seiner Erniedrigung in der Menschwerdung hat Jesus die Gestalt des Knechtes angenommen und so beim letzten Abendmahl die Füße seiner Jünger gewaschen (vgl. Joh 13,4-15). Bei anderer Gelegenheit hat er das Bild des Knechtes gebraucht, um zu verheißen, dass der wachsame Diener belohnt werde: „Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen“ (Lk 12,37).

Liebe Brüder und Schwestern, wie das Beispiel des heiligen Vinzenz von Paul zeigt, sind die Heiligen Vorbilder an Demut und Glaube, was sich in der Liebe zu Gott und zu den Armen konkretisiert. Unter den Heiligen ragt aber die selige Jungfrau Maria heraus. Die Mutter Jesu und unsere Mutter hat diese Erfahrung im Magnifikat zum Ausdruck gebracht, wenn sie sagt: „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter …. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,48.52). Möge der allmächtige Gott auf die Fürsprache der heiligen Clemens und Vinzenz von Paul und vor allem der Königin des Friedens die Gabe der Demut und des Glaubens schenken, nicht um Berge und Hügel zu verändern, sondern die harten Herzen in uns und in den anderen Menschen. Amen.

 

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