Grußwort von Nuntius Eterovic zur Eröffnung der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (deutsch)
Vierzehnheiligen, 7. März 2022
“Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.
Und es geschah, während sie redeten und ihre Gedanken austauschten,
kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen“ (Lk 24,14-15).
Eminenzen, Exzellenzen, liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!
Bei der Vorbereitung auf die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz habe ich über die Begegnung des auferstandenen Herrn Jesus mit den beiden Emmausjüngern nachgedacht. Die biblische Erzählung kann helfen, einige Aspekte des synodalen Prozesses auf der Ebene der Weltkirche zu unterstreichen. Bekanntermaßen befinden wir uns in der ersten Vorbereitungsphase für die 16. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode in Rom im Oktober des kommenden Jahres 2023 unter dem Leitwort: Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission. Ich hoffe, diese Überlegungen sind auch für den synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland in seiner Endphase nützlich.
Die Emmausjünger
Die Erzählung im Lukasevangelium ist allen bekannt, doch interessant ist, daraus eine synodale Betrachtung zu machen. Das Wort Synode (σύνοδος) setzt sich aus den griechischen Worten syn (σύν) und hodos (οδος) zusammen, was bedeutet, gemeinsam unterwegs sein. Im Abschnitt des Evangeliums sind zwei Jünger gemeinsam von Jerusalem aus unterwegs in das gut elf Kilometer entfernte Dorf Emmaus (vgl. Lk 24,13). Sie waren aber nicht nur gemeinsam unterwegs, sondern „sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte“ (Lk 24,14). Angesichts der Ereignisse war es sicher eine hitzige Diskussion, die jedoch zu keinem Schluss kam. Denn der Evangelist betont, dass sie redeten und ihre Gedanken austauschten, als „Jesus selbst hinzukam und mit ihnen ging“ (Lk 24,15). Die beiden aber erkannten ihn nicht und hielten ihn für einen Fremden. Auf die Frage jenes Fremden erschließen sich uns die Themen ihrer Diskussion und ihre Trostlosigkeit. Mit „traurigem Gesicht“ gab einer der beiden, Kleopas, die Gründe für ihr Verhalten an, die wir als „Zeichen der Zeit“ beschreiben können. Denn sie erwarteten einen Messias, der das jüdische Volk von der Fremdherrschaft befreien würde (vgl. Lk 24,21). Sie hoffen, diese Person könnte Jesus von Nazareth sein, denn er war „ein Prophet, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk“ (Lk 24,19). Ihre Enttäuschung verbargen sie nicht, denn er war drei Tage zuvor zum Tode verurteilt und gekreuzigt worden. Die Aussage einiger Frauen, sie hätten Engel gesehen, die sagten, „er lebe“ (Lk 24,23), hat sie verunsichert, doch die Überprüfung durch die Apostel blieb im Grunde ergebnislos, denn sie fanden zwar das Grab leer vor, „ihn selbst aber sahen sie nicht“ (Lk 24,24).
An diesem Punkt übernimmt Jesus, den sie immer noch nicht erkannten, die Initiative. Er beginnt darzulegen, "ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“ (Lk 24,27). Die beiden waren von seiner Schilderung angetan und baten ihn, über Nacht bei ihnen zu bleiben. Der Herr nahm die Einladung gerne an und während des Abendmahls gab er sich zu erkennen: „Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn“ (Lk 24,30-31). Nunmehr sagten sie vorwurfsvoll zu sich selbst: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ (Lk 24,32). Voller Freude kehrten sie als Zeugen der Auferstehung des Messias Jesus von Nazareth nach Jerusalem zurück (vgl. Lk 24,33-34).
Die Begegnung mit dem Auferstandenen verändert die Situation radikal. Er schließt sich den beiden an und geht den Weg gemeinsam mit ihnen. Jetzt wird das Gespräch konkreter und konzentriert sich auf die Bibel und die Propheten, die vom Messias sprechen. Die Heilige Schrift ist der Generalschlüssel für das tiefere Verständnis der Ereignisse im Leben, der Passion, von Tod und Auferstehung des Herrn Jesus. Hierin fügt sich wesentlich, wenn auch anders, die Feier der Eucharistie ein.
Im Licht des Osterereignisses, an dem wir durch den Glauben, über die Heilige Schrift und die Sakramente, vor allem die Eucharistie, teilhaben, müssen wir nicht nur die Zeichen der Zeit erkennen, sondern auch zur Unterscheidung der Geister beim synodalen Prozess kommen, zu dem alle gerufen sind, ihren Beitrag zu leisten. In seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019 hat der Heilige Vater Franziskus dazu ermuntert, diese Unterscheidung zu treffen: „So müssten wir uns also fragen, was der Geist heute der Kirche sagt (vgl. Offb 2,7), um die Zeichen der Zeit zu erkennen, was nicht gleichbedeutend ist mit einem bloßen Anpassen an den Zeitgeist (vgl. Röm 12,2). Alle Bemühungen des Hörens, des Beratens und der Unterscheidung zielen darauf ab, dass die Kirche im Verkünden der Freude des Evangeliums, der Grundlage, auf der alle Fragen Licht und Antwort finden können, täglich treuer, verfügbarer, gewandter und transparenter wird. Die Herausforderungen existieren, um überwunden zu werden. Seien wir realistisch, doch ohne die Heiterkeit, den Wagemut und die hoffnungsvolle Hingabe zu verlieren! Lassen wir uns die missionarische Kraft nicht nehmen“ (Nr. 8).
An diesem Prozess teilzuhaben sind alle Getauften eingeladen, die am gemeinsamen Priestertum der Gläubigen (LG 10.11.34) teilhaben, denn sie sind „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9).
Alle, einige, einer
Der Heilige Vater Franziskus spricht häufig von der Synodalität, um verschiedene Aspekte aufzuzeigen. Bei der Begegnung mit der internationalen und gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitsgruppe Sankt Irenäus hat er am 7. Oktober 2021 den Mitgliedern gedankt für die Veröffentlichung der Studie: Der Gemeinschaft dienen. Das Verhältnis von Primat und Synodalität neu denken (Bonifatius Verlag, Paderborn 2018). Unter anderem betonte er, dass „wir über den in Geduld geführten konstruktiven Dialog, besonders mit den orthodoxen Kirchen, besser verstehen, dass Primat und Synodalität nicht zwei miteinander konkurrierende Prinzipien sind, die im Gleichgewicht zu halten sind, sondern zwei Wirklichkeiten, die sich im Dienst an der Gemeinschaft begründen und gegenseitig unterstützen“. Seine Heiligkeit verweist sodann auf die harmonische synodale Beziehung zwischen allen Gliedern des Volkes Gottes: „Wie der Primat die Übung der Synodalität voraussetzt, so schließt die Synodalität die Übung des Primates ein“. Mit Verweis auf das Dokument der Internationalen Theologenkommission: Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche (Nr. 64) aus dem Jahr 2018 erinnert der Papst an die hierarchische Dimension der Synodalität: „Die Synodalität in der Katholischen Kirche kann im weiten Sinne als Artikulation dreier Dimensionen verstanden werden: alle, einige, einer. Denn die Synodalität impliziert die Ausübung des sensus fidei der universitas fidelium (alle), das leitende Amt des Bischofskollegiums, jeder mit seinem Presbyterium (einige) sowie das Amt der Einheit des Bischofs und des Papstes (einer)“ (Ansprache vom 07. Oktober 2021). In diesem Zusammenhang der synodalen Unterscheidung ist das erwähnte Dokument der Internationalen Theologenkommission mit Blick auf die Rolle der Bischöfe interessant, vor allem Teil 2.6: Teilhabe und Autorität im synodalen Leben der Kirche. Ich erlaube mir, die Synthese des Textes in Nr. 70.b zu zitieren: „Die Synodalität bezeichnet dann, in einem spezifischen und aus der theologischen und kanonischen Perspektive hergeleiteten Sinn, jene Strukturen und kirchlichen Prozesse, in denen das synodale Wesen der Kirche sich auf institutioneller Ebene ausdrückt, in analoger Weise auf den verschiedenen Ebenen ihrer Realisierung: der lokalen, der regionalen und der universalen. Diese Strukturen und Prozesse dienen der maßgebenden Unterscheidung für die Kirche, die dazu berufen ist, die Richtung zu bestimmen, die im Hören auf den Heiligen Geist zu verfolgen ist“.
Nach Papst Franziskus ist „in dieser Vision … das primatiale Amt der synodalen Dynamik eigen, ebenso wie der Gemeinschaftsaspekt, der das ganze Volk Gottes umfasst, und die kollegiale Dimension in Bezug auf die Ausübung des bischöflichen Amtes. Daher kann eine fruchtbare Herangehensweise an den Primat in theologischen und ökumenischen Dialogen nur auf einer Reflexion über Synodalität beruhen: Es gibt keinen anderen Weg. Tatsächlich habe ich wiederholt meine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass in einer synodalen Kirche sogar die Ausübung des petrinischen Primats mehr Licht erhalten kann“ (Ansprache vom 07. Oktober 2021). Der Heilige Vater drückt seinen Wunsch aus, „dass der synodale Weg, der in wenigen Tagen in allen katholischen Diözesen begonnen wird, mit Gottes Hilfe eine Gelegenheit sein möge, diesen wichtigen Aspekt gemeinsam mit anderen Christen zu vertiefen“ (ebd.).
Abschließende Bemerkungen
Alle Glieder der Kirche, alle Getauften sind eingeladen, am synodalen Weg gemäß ihrer kirchlichen Berufung in Ausübung des allgemeinen Priestertums oder des Amtspriestertums teilzunehmen. Hierzu führt die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium näherhin aus: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil“ (10).
Das Geheimnis des Erfolgs des synodalen Weges ist, sich vom Heiligen Geist führen zu lassen. Wie die beiden Emmausjünger muss man den Herrn in seine Mitte aufnehmen, möglicherweise eine Zeit lang als unbekannter Begleiter. Diese Gegenwart vermag auch die Vorbereitungsphase beleuchten, den Dialog mit vielen, nicht nur mit Christen oder den Gläubigen anderer Religionen, sondern generell mit allen Menschen guten Willens. Das ist wichtig, um ihre Freude und Trauer, ihre Erwartungen und Enttäuschungen zu kennen, insbesondere wenn es um die Fragen nach Gott, der Kirche und dem Sinn menschlichen Lebens geht.
Mit Jesus zu gehen, ihn also als „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) anzuerkennen, charakterisiert die christliche Dimension des synodalen Weges. Denn allein Jesus Christus, der Sieger über Sünde und Tod, kann den Heiligen Geist in Fülle schenken (vgl. Joh 3,34). Der Heilige Geist ist der Protagonist jeder synodalen Handlung. Seine Gegenwart als Geschenk des auferstandenen Herrn führt die Diskussionen der Jünger in die richtige Richtung.
Durch den Heiligen Geist führt der Herr Jesus die Mitglieder des synodalen Weges zur Erkenntnis der wahren Bedeutung der Heiligen Schrift. Wie der Herr verheißen hat, wird der Geist der Wahrheit uns „in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird“ (Joh 16,13). Daher hat die Bibel, das geschriebene Wort Gottes, einen fundamentalen Wert auf dem synodalen Weg.
Wie die Erfahrung der Emmausjünger zeigt, so ist auch für den synodalen Weg nicht nur die Bibel von Bedeutung, sondern über die Heilige Schrift hinaus sind die Sakramente wesentlich, vor allem die Eucharistie, denn sie bieten die Grundlagen für eine christliche Entscheidung. Sie fügen sich in die lebendige Tradition der Kirche ein, die auf authentische Weise vom lebendigen Lehramt der Kirche ausgelegt wird (vgl. DV 10).
Nach der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn brechen die beiden Jünger erneut auf und kehren voller Freude zurück nach Jerusalem, um den Zwölf und den anderen Jüngern zu berichten, dass sie dem lebendigen Jesus begegnet sind, dass sie mit Ihm gesprochen und gegessen haben. Unser synodaler Weg muss ebenso zu diesem Zeugnis führen. Nach der Begegnung mit dem Auferstandenen müssen wir seine Zeugen sein, Verkünder des Evangeliums, der guten Nachricht für alle Menschen guten Willens.
In unseren gemeinsamen Erörterungen, Diskussionen und Gebeten wollen wir somit, dass sich Jesus selbst uns nähere und mit uns auf dem Weg ist (vgl. Lk 24,14) und unseren synodalen Weg führt und leitet.