Predigt von Nuntius Eterović am 1. Fastensonntag in Bad Soden-Salmünster

(Gen 9,8-15; Ps 25; 1 Petr 3,18-22; Mk 1,12-15)

Bad Soden-Salmünster, 17. Februar 2018

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15).

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Proklamation Jesu Christi: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) bleibt immer aktuell, aber sie ist es in besonderer Weise zu Beginn der österlichen Bußzeit, die wir am vergangenen Mittwoch begonnen haben. Ihr erlebt diese Fastenzeit in besonderer Weise, insofern die ganze Pfarrgemeinde von St. Peter und Paul in die Vorbereitung der Darstellung der Passion unseres Herrn einbezogen ist. Heute erleben wir die erste Aufführung (I). Wir wollen sie im Licht des soeben gehörten Gotteswortes erleben. Vom Heiligen Geist geführt wollen wir die Bedeutung der Versuchungen Jesu entdecken (II), wie auch seine Botschaft über die Gegenwart des Reiches und über die Notwendigkeit zur Umkehr (III). Über diesen Inhalt und über dessen Aktualität wollen wir kurz gemeinsam nachdenken.

1. Die Darstellung der Passion in Salmünster.

Das, was wir im Evangelium lesen, was der Kern der Berichte im Neuen Testament ist, das Geheimnis der Passion und des Todes des Herrn Jesus, das werden wir durch die Darstellung im Passionsspiel sehen. Dies kann uns nicht gleichgültig lassen. Im Gegenteil, das Hören des Wortes Gottes und seine konkrete Präsentation durch lebende Personen, Gesten und Handlungen, fordert auch unsere persönliche und gemeinschaftliche Anteilnahme am Ostergeheimnis, was das Geheimnis des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus ist.
Ich bin der göttlichen Vorsehung dafür dankbar, mit Euch an diesem großen und bedeutsamen Ereignis teilnehmen zu können, das in Eurer Pfarrgemeinde im 1983 angefangen hat, von Messdienern in Szene gesetzt zu werden und sich seitdem zu diesem Ereignis entwickelte, das über Pfarrei und Stadt hinausragt. Ich danke Eurem Hochwürdigen Herrn Pfarrer Dr. Michael Müller und dem Vorstand des Vereins der Passionsspiele Salmünster herzlich für die Einladung, nicht nur zur Teilnahme an der heutigen Premiere, sondern auch dafür, Schirmherr dieser Aufführungen zu sein. Ich habe gerne diese Einladung angenommen, weil es mir die Gelegenheit gibt, Euch zu begegnen, liebe Brüder und Schwestern, und auch, Euch allen die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus zu übermitteln, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche. Er ist das sichtbare Prinzip der Einheit der Katholischen Kirche, der großen Gemeinschaft von über die ganze Erde verteilten Gläubigen. Papst Franziskus bittet oft darum, für ihn und seine wichtige Mission zu beten. In seinem Namen danke ich für Euer beständiges Gebet, vor allem heute, wo der Apostolische Nuntius, der Vertreter des Heiligen Vaters in der Bundesrepublik Deutschland, unter Euch ist. Als Zeichen Eurer Gemeinschaft mit dem Papst werde ich am Ende dieser Heiligen Messe den Apostolischen Segen erteilen.

2. Der in Versuchung geführte Jesus.

Bevor er sein öffentliches Wirken aufnehmen konnte, mußte Jesus Christus die Versuchungen in der Wüste besiegen. Der Evangelist Markus ist sehr nüchtern in der Beschreibung der Erfahrung des Herrn. „Sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm“ (Mk 1,12-13). Das Adverb sogleich bezieht sich auf die Taufe Jesu, die in den vorausgegangenen Versen geschildert wird (vgl. Mk 1,9-11), währenddessen Gottvater seine Nähe und Hilfe zum Ausdruck brachte: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Mk 1,11). Sogleich nach diesem Zeugnis führt der Heilige Geist Jesus in die Wüste, wo er in Versuchung geführt wurde. Jesus hat den Weg seines Volkes, das vierzig Jahre durch die Wüste zog, nachempfunden. Verschiedene Propheten haben auch in der Wüste gelebt. Mose verbrachte 40 Tage auf dem Berg Sinai (vgl. Ex 24,18), Elija wanderte 40 Tage zum Berg Horeb (1 Kg 19,8). Die Wüste ist der Ort der Versuchung, im Falle Jesu jedoch auch des Sieges über den Satan, der ein „Lügner und der Vater der Lüge“ ist (Joh 8,44), „Herrscher der Welt“ (Joh 14,30), was also in der Konsequenz der Sieg über das Böse und all seine Erscheinungsweisen ist. Gott der Vater hat zugelassen, dass Jesus in Versuchung geführt wird. Die Versuchungen bilden einen Teil seiner Vorbereitung auf das öffentliche Wirken, wo es ebenfalls eine Reihe von Versuchungen gab. Die dramatischste war jene im Garten Gethsemane, als Jesus betete: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Indem er die Versuchungen besiegt, stellt Jesus die Harmonie zwischen Himmel und Erde wieder her, die durch die Ursünde der ersten Menschen Adam und Eva zerbrochen war, weil sie der Versuchung durch den Teufel erlegen waren (vgl. Gen 3,1-24). Die Harmonie wird nicht allein durch die Engel symbolisiert, die Jesus dienten, sondern auch durch sein Leben mit den wilden Tieren (vgl. Mk 1,13). Diese Beschreibung lässt uns an die Erfüllung der Prophezeiung des Jesaja denken, denn für die messianischen Zeiten gilt: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie“ (Jes 11,6).
Im Unterschied zu Adam und Eva, wie auch zum jüdischen Volk in der Wüste, hat Jesus die Versuchungen besiegt. Sein Sieg ist auch wichtig für uns. Er zeigt, daß die Versuchungen zum Glaubensleben gehören, daß Gott die Versuchungen zu unserem Heil zulässt, um die Wahl zum Guten zu stärken und den Hass auf das uns umzingelnde Böse anzustacheln. Dank des Sieges Jesu sind wir in den Momenten der Versuchungen nicht allein. Er, der Sieger, steht uns zur Seite und hilft uns zu kämpfen und zu siegen. Daher beten wir im Vaterunser: Gott „führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ (Mt 6,13). Auch wenn wir in diesem Kampf erliegen sollten, der gute und barmherzige Gott ist bereit, durch das Sakrament der Versöhnung unsere Sünden zu verzeihen. Besonders in dieser Fastenzeit sollten wir das Bußsakrament erneut entdecken.

3. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.

Jesus Christus hat die Versuchungen in der Wüste besiegt und das öffentliche Wirken begonnen, in dem es nicht an anderen Versuchungen und Schwierigkeiten gemangelt hat. Das kündigt die Beschreibung des Schicksals von Johannes an, von dem uns im heutigen Evangelium berichtet wird: „Nachdem Johannes ausgeliefert worden war“ (Mk 1,14). Das Böse existiert in der Welt, der Fürst der Finsternis hört nicht auf, gegen Jesus, das Licht der Welt (vgl. Joh 8,12), und gegen seine Jünger zu kämpfen. Aber Jesus lässt sich nicht entmutigen. Vom Heiligen Geist geführt erfüllt er den Willen des Vaters. Das zeigt die synthetische Weise des Markusevangeliums auf einfach zu merkende Weise: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Das Wort Gottes richtet sich an jeden von uns und fordert dazu auf, es in die Praxis umzusetzen.
Liebe Brüder und Schwestern, Ihr erlebt eine erfüllte Zeit im Leben der Pfarrgemeinde, wenn die Passion unseres Herrn Jesus dargestellt wird. Das Ereignis, das jeden betrifft, möge Euch helfen, leichter die erwähnten Worte des Herrn zu erfassen:
Die Zeit ist erfüllt. Mit dem Kommen Jesu im Fleisch (vgl. Joh 1,14)
ist die Fülle der Zeit erreicht (vgl. Gal 4,4). In der Person Jesu hat Gott allen sein Geheimnis, das über die Zeiten hinweg verborgen geblieben war (vgl. Eph 1,9), zu unserem Heil geoffenbart. Man braucht nicht mehr auf einen anderen Messias zu warten, einen anderen Heiland, um von ihm das Heil und das ewige Leben zu erhalten.
Das Reich Gottes ist nahe. In der Person Jesu ist das Wirklichkeit ge-
worden. In seiner Person ist das Reich Gottes in der Welt gegenwärtig. Er selbst sagt: „das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lk 17,21); „Wenn ich aber im Geist Gottes die Dämonen austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Jesus Christus ist mitten unter uns. Sein Reich ist bei uns, denn der, der gestorben ist und auferstand, ist in jedem von uns gegenwärtig, die wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind. Er ist in besonderer Weise im Wort und in den Sakramenten, vor allem in der Heiligen Eucharistie gegenwärtig. Nehmen wir freudig diese Heilsgegenwart für jeden von uns an, für unsere Familien, für unsere Gemeinde, für die Gesellschaft und die ganze Welt.
Kehrt um. Um zu glauben, in Jesus ist Sein Reich unter uns gegen-
wärtig, ist auch unsere Umkehr nötig. Es braucht den Wechsel in der Geisteshaltung und also des Lebens. Umkehr ist ein Prozess, der mit unserer ganzen Existenz verknüpft ist. Sie besteht in der Annäherung an Gott und der Absage an die Verführungen des Satans und der Welt, die uns beständig angreifen und, das müssen wir erkennen, großen Einfluss auf uns haben. Es handelt sich um die Versuchungen des Materialismus, der auf Kosten der spirituellen Werte geht, um das Verlangen nach Macht über andere um jeden Preis und nicht, wie es sein müsste, um den Dienst für das Gemeinwohl, besonders für die, die der materiellen und geistlichen Hilfe bedürfen. Es geht um den Missbrauch von Religion mit dem Ziel der Selbstdarstellung oder leider oft, um die anderen materiell und spirituell auszunutzen.
Glaubt an das Evangelium. Die Heilige Schrift ist die Sammlung des
Wortes Gottes. Daher müssen wir die Bibel gut kennen, die Bücher des Alten und des Neuen Testamentes. Sie sprechen zu uns von Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft, die auch für unsere heutige Welt sehr aktuell ist. Die Darstellung der Passion hier in Salmünster ermuntere uns, mit größerer Aufmerksamkeit, von Jesu Leben in den Evangelien zu lesen.

Liebe Brüder und Schwestern, bei der Passion Jesu, wie wir sie bald dargestellt bekommen, ist die selige Jungfrau Maria dabei, die Mutter Jesu und unsere Mutter. Ihrer Fürsprache vertrauen wir unsere guten Vorsätze an, die Fastenzeit, diese Zeit der Gnade, gut zu leben, damit wir im Vertrauen auf Jesus Christus die Versuchungen besiegen können und in Ihm die Gegenwart des Reiches Gottes erfahren, uns bekehren und an das Evangelium glauben. Amen.

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