Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Fastensonntag
Apostolische Nuntiatur, 28. Februar 2021
(Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18; Ps 116; Röm 8,31b-34; Mk 9,2-10)
„Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7).
Liebe Schwestern und Brüder,
Wie einst den Jüngern, so hilft die Verklärung Jesu Christi auch uns, dem Herrn über den Kreuzweg hin zur glorreichen Auferstehung zu folgen. Wir öffnen uns der Gnade des Heiligen Geistes und steigen hinauf zum hohen Berg Tabor, um dabei zu sein, wie unser Erlöser verklärt wird (I), gemeinsam mit den drei Jüngern (II) und den beiden Vertretern des Alten Testamentes (III). Das Zeugnis Gottvaters enthüllt das große Geheimnis seiner Liebe, die im Tod und in der Auferstehung Seines Eingeborenen Sohnes Jesus ihren Höhepunkt gefunden hat.
1. „Er wurde vor ihren Augen verwandelt“ (Mk 9,2).
Der Evangelist Markus beschreibt das Ereignis der Verklärung mit Begriffen aus der menschlichen Erfahrung, wenn er die Kraft des strahlenden Weiß betont oder das Licht, das Jesus überstrahlt und das von ihm ausgeht: „Seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann“ (Mk 9,3). Die Verklärung geschieht auf einem hohen Berg, einem abgelegenen Ort, der wie geschaffen ist für das Gebet und die Begegnung mit Gottvater. Jesus hat sich oft an einsame Orte zurückgezogen, um zu beten. Das geschah vor allem bei wichtigen Momenten seines Lebens, vor großen Entscheidungen, die er zu treffen hatte. Auch in diesem Moment und bevor er den Weg nach Jerusalem fortsetzte, zu seinem Leidensweg und Tod, verlangte es den Herrn, im Geist und in seiner Überzeugung bestärkt zu werden, den Willen des Vaters zu erfüllen. Er selbst hat versichert: „Ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38). Und es war der Vater, der Zeugnis für Seinen Sohn Jesus abgelegt hat. Die bei diesem Geschehen dabei waren, sie wurden in den Schatten einer Wolke gehüllt, aus der eine Stimme sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7). Jesus ist der geliebte Sohn des Vaters. Er ist Gott und Mensch zugleich. In seiner Menschennatur ist auch seine Göttlichkeit verborgen, die während der Verklärung auf dem Berg Tabor kurz aufleuchtet. Nicht nur der Mensch Jesus nimmt Leiden und Tod an, sondern auch der geliebte Sohn Gottvaters. Darum hat sein Opfer unendlichen Wert. Die Apostel und alle seine Jünger, die Christen, sollen Jesus, den Messias, hören, der allen den Zugang zum ewigen Leben eröffnet. Denn Jesus hat zugesagt: „Das ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben hat und dass ich ihn auferwecke am Jüngsten Tag“ (Joh 6,40).
2. „Jesus nahm Petrus, Jakobus und Johannes beiseite“ (Mk 9,2).
Verschiedene Male nimmt Jesus die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes mit, und sie werden auch im heutigen Evangelium erwähnt. Diese drei sind die bevorzugten Zeugen seines Wirkens. Als erstes wird Petrus genannt. Die Verklärung geschieht nach seinem Bekenntnis zu Jesus: „Du bist der Christus“ (Mk 8,29). Doch in der Folge sucht Petrus, den Meister vom Kreuzweg abzubringen. Hierfür verdient Petrus die starke Zurechtweisung Jesu: „Tritt hinter mich, du Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mk 8,33). Der Apostel Petrus steht auch für die übrigen Jünger Jesu, die Schwierigkeiten haben, einen leidenden, gedemütigten, verurteilten und gekreuzigten Messias anzunehmen. Auch seine Worte auf dem Berg: „Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija“ (Mk 9,5) zeigen, wie gerne er in der vorweggenommenen Herrlichkeit des Herrn bleiben wollte, um zu verhindern, dass Jesus nach Jerusalem geht, dem Ort seiner Demütigung und seines Todes. Erst nach der Auferstehung und der Herabkunft des Heiligen Geistes versteht Petrus die wahre Bedeutung des Ostergeheimnisses, wie auch der Verklärung, an die er eine starke Erinnerung behalten hatte. So schreibt er als einer der Zeugen in seinem zweiten Brief: „Denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Denn er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen, als eine Stimme von erhabener Herrlichkeit an ihn erging: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“ (2 Petr 1,16-18).
3. „Da erschien ihnen Elija und mit ihm Mose und sie redeten mit Jesus“ (Mk 9,4).
Der Evangelist hat die beiden großen Gestalten des Alten Testaments, Mose und Elija, erwähnt, die bei der Verklärung Jesu anwesend waren. Sie blieben dabei nicht stille Beobachter, sondern „sie redeten mit Jesus“ (Mk 9,4). Aus dem Kontext können wir ableiten, dass es sich bei diesem Gespräch um die Natur des Messias und dessen Mission handelte. Mose hatte dem jüdischen Volk verkündet: „Einen Propheten wie mich wird dir der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören“ (Dtn 18,15). Nach der lebendigen Tradition des erwählten Volkes sollte der große Prophet Elia zurückkehren, bevor der Messias kommt. Diese gläubige Erwartung durchscheint auch die Evangelien und war auch Jesus bewußt, der seinen Jüngern versicherte: „Elija ist schon gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm gemacht, was sie wollten“ (Mt 17,12), wobei er sich auf Johannes den Täufer bezog.
Die beiden Gestalten des Alten Testaments, Mose und Elia, richten unseren Blick spontan auf den Patriarchen Abraham und das Opfer seines Sohnes Isaak im Gebiet von Morija (vgl. Gen 22,1-18). Dieses Opfer erinnert stark an das des Herrn Jesus. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass JHWH die Opferung des Isaak im letzten Moment verhinderte, während er dies im Fall Seines geliebten Sohnes nicht getan hat. Das unterstreicht auch der Heilige Paulus im Brief an die Römer, indem wir ermuntert werden, gläubiges Vertrauen in den guten und barmherzigen Gott zu haben: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm 8,31-32). Das Ostergeheimnis steht für den tiefen Grund der Liebe Gottes. Im Licht dieses Ereignisses verstehen wir die Worte des Apostels Johannes besser: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3,16). In seiner unendlichen Liebe hat der allmächtige Gott das Opfer seines geliebten Sohnes angenommen, um es zur Quelle ewigen Segens zu verwandeln. Wenn schon das Opfer des Abraham der Grund für Gottes Verheißung war: „Segnen werden sich mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast“ (Gen 22,18), um wieviel mehr wird er Seinen Segen ausbreiten dank des Opfers Jesu, Seines geliebten und eingeborenen Sohnes. Im Bewußtsein dieser Wirklichkeit von Gnade und erleuchtet vom Heiligen Geist danken wir gemeinsam mit dem Heiligen Paulus: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3).
Liebe Brüder und Schwestern, auch für uns hat die Verklärung des Herrn große Bedeutung auf unserem Weg durch die Fastenzeit. Wie die Apostel, so haben auch wir Schwierigkeiten, das Opfer Jesu Christi, der ohne Sünde und der einzig Gerechte der Menschen war, zu verstehen und anzunehmen. Entsprechend schwer fällt uns deshalb, eine angemessene Antwort angesichts so vieler Schmerzen und großen Leids in unserer Welt zu finden, vor allem mit Blick auf die Leiden unschuldiger Menschen, wie es die Kinder sind. Daher haben wir die Gabe des Heiligen Geistes nötig, um die lichtvolle Fruchtbarkeit des Opfers Jesu Christi zu entdecken, die Gottvater in der Gnade des Heiligen Geistes zur Quelle des Segens und des ewigen Lebens verwandelt hat. Folgen wir dem Beispiel der Gottesmutter Maria, die unter dem Kreuz ihres Sohnes gelitten hat und sich dennoch dem Willen Gottes vollständig anvertraute. Auch im Licht der Schmerzen des Kreuzes bleibt ihre Hingabe ungebrochen: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Darum vereinen wir unsere kleinen und großen Opfer, wie auch alles Leid dieser Welt mit dem einzigartigen Opfer des Herrn Jesus, dem Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, was wir auch in dieser Heiligen Messe feiern, damit Gott sie als unseren Schmerzensschrei, unser Leidensgebet annehme und in die Quellen der Gnade, des Segens und des ewigen Lebens verwandele. Amen.