Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum Neusser Bürger Schützenfest

Basilika St. Quirinus zu Neuss, 27. August 2023

(Jes 55,1-11; Jes 12; 1 Joh 5,1-9-38; Mk 1,7-11)

21. Sonntag im Jahreskreis – LJ A

„Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16).

„Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

Sehr geehrter Herr Präsident Flecken und verehrte Mitglieder des Neusser-Bürgerschützen-Vereins!

Verehrter Herr Bürgermeister Breuer und geehrte Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft und Kultur!

Verehrter Herr Oberpfarrer Süß, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonischen Dienst, verehrte Ordensleute!

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Gespräch zwischen dem Herrn Jesus und dem Apostel Petrus, von dem wir im Evangelium gehört haben, geht jeden an, vor allem uns, die wir in dieser ehrwürdigen Basilika des heiligen Quirinus in Neuss versammelt sind. Wir feiern die Heilige Messe am 21. Sonntag im Jahreskreis und zum 200. Jubiläum des Neusser Bürger Schützenfest-Vereins. Jesus Christus stellt jedem von uns jene Frage, die er vor zweitausend Jahren seinen Jüngern gestellt hat: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15). Nehmen wir die Gnade des Heiligen Geistes an, um wie Simon Petrus antworten zu können: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Mit dieser Antwort ist die Verheißung des Herrn verbunden, die sich nicht nur an Petrus richtet, sondern an die ganze Kirche: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

Liebe Brüder und Schwestern, nach besonderen Grüßen, die ich an Euch richten möchte (I), bedenken wir die Bedeutung des Dialogs zwischen Jesus und Petrus (II), wie auch seiner Aktualität in unserem persönlichen wie gemeinschaftlichen Leben (III).

  1. Grüße von Papst Franziskus, dem Nachfolger des heiligen Petrus.

Jesus Christus hat seine Kirche auf den Glauben der Apostel gründen wollen und hat dem heiligen Petrus eine besondere Rolle zugedacht. Das zeigt auch der Namenswechsel, den der Herr Jesus vollzieht, als er ihn anblickt und sagt: „Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels“ (Joh 1,42). Der heilige Petrus wurde der erste Bischof von Rom und Papst. Der Heilige Vater Franziskus ist sein 265. Nachfolger. Als sein Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland übermittle ich Euch seine herzlichen Grüße und danke für das Gebet, das den Heiligen Vater kontinuierlich begleitet, damit er seine Mission für die Einheit der Katholischen Kirche in Liebe und in der ganzen Welt gut erfüllen kann.

Liebe Brüder und Schwestern, sehr gerne habe ich die Einladung, dieser Eucharistiefeier vorzustehen, und als Ehrengast beim Neusser Bürger Schützenfest angenommen, um den Segen Gottes auf diese Stadt und ihre Bewohner, sowie auf die Mitglieder der Neusser Bürger Schützen, die ihr 200. Jubiläum in diesem Jahr begehen, und alle Gäste des Schützenfestes herabzurufen. Das ist ein besonderer Anlass, und ich freue mich, heute bei Euch zu sein. Auf Antrag des verstorbenen Erzbischofs von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hat Papst Benedikt XVI. das spätromanische Neusser Quirinus-Münster am 06. Oktober 2009 zur Basilica minor erhoben. Jede dieser Basiliken ist mit päpstlichen Zeichen ausgestattet: mit dem Wappen des regierenden Papstes, dem seidenen Basilika-Schirm und dem Tintinnabulum, dem Glockenstab. Darüber hinaus werden in einer Basilika mit besonderer Feierlichkeit das Fest der Kathedra Petri am 22. Februar, das Hochfest der Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni und der Jahrestag der Papstwahl - im Falle von Papst Franziskus am 13. März – begangen. Es versteht sich also von selbst, dass sich der Päpstliche Vertreter in dieser Basilica minor wie zuhause fühlt.

Es gibt noch ein anderes Element, das uns geistlich verbindet: nämlich die Verehrung des Heiligen Quirinus. Es gibt verschiedene Überlieferungen, die Parallelen aufweisen, jene des römischen Tribuns Quirinus, der unter Kaiser Hadrian in Rom im 2. Jahrhundert das Martyrium erlitt und jene des Tribuns Quirinus von Siscia, der am 4. Juni 303 in Sambotel (Ungarn) bei der diokletianischen Christenverfolgung unter Kaiser Galerius zum Märtyrer wurde. Bei meiner Ernennung im Jahre 1999 zum Apostolischen Nuntius in Ukraine hat mir der heilige Papst Johannes Paul das Titularbistum von Sisak (Siscia) in Kroatien anvertraut, dessen Bischof eben der Märtyrer Quirinus gewesen war. Teile seiner Reliquien wurden nach Rom gebracht. Der Überlieferung nach schenkte sie Papst Leo IX. im Jahr 1050 seiner Schwester Gepa, die Äbtissin im Kanonissenstift zu Neuss war, so dass möglicherweise hier am Rhein die parallelen Überlieferungen zusammenfließen zu dem heiligen Quirinus von Neuss, der an diesem Ort seit fast 1.000 Jahren verehrt wird. Es sind jedenfalls gute Gründe, Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist mit der Gemeinschaft aller Heiligen zu preisen, die uns am Herzen liegen, vor allem mit der Gottesmutter Maria und dem Heiligen Quirinus.

  1. „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16).

Auf die Frage des Herrn nach seiner Identität antwortet Simon Petrus vom Heiligen Geist inspiriert und bekennt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Diese Antwort findet Gefallen bei Jesus, und der Meister lobt ihn: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Jesus Christus war nicht zufrieden mit den Meinungen, die über ihn im Umlauf waren, nach denen er Johannes der Täufer sei, Elia oder Jeremia oder sonst einer der Propheten (vgl. Mt 16,14). Jesus ist Gott, ist Sohn Gottes, das Wort, das in der Fülle der Zeit Mensch geworden ist (vgl. Joh 1,1), weswegen er in derselben Person Gott und Mensch ist. Aus diesem Grund offenbart Jesus den Menschen die Geheimnisse Gottes, aber offenbart dem Menschen auch den Menschen selbst, seine große Würde als Kind Gottes, das gerufen ist, durch die Taufe in seinen geheimnisvollen Leib eingegliedert zu werden, der die Kirche ist, und auf diese Weise zum ewigen Leben bestimmt zu sein. Diese Wahrheit hat der bekannte Wissenschaftler, französische Literat und Philosoph Blaise Pascal (1623 bis 1662) tief erfasst, an dessen 400. Jahrestag seiner Geburt wir in diesem Jahr denken. Das Apostolische Schreiben Sublimitas et miseria hominis – Die Größe und das Elend des Menschen – hat der Heilige Vater Franziskus zu diesem Anlass verfasst. Der Bischof von Rom übernimmt die Überzeugung des französischen Gelehrten: „Wir erkennen nicht allein Gott nur durch Jesus Christus, sondern wir erkennen auch uns selbst nur durch Jesus Christus; wir erkennen Leben und Tod nur durch Jesus Christus. Ohne Jesus Christus wissen wir nicht, was unser Leben und unser Tod, was Gott und wir selbst sind. So erkennen wir nichts ohne die Heilige Schrift, die nur Jesus Christus zum Gegenstand hat, und sehen nur Dunkelheit“ (ebd.). Diese Wahrheit ist sehr wichtig für uns alle, denn nur im Licht Jesus Christi erkennen wir, wer Gott ist, aber auch, wer der Mensch ist. Und in diesem Licht erfassen wir die wahre christliche Anthropologie.

  1. „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

Der Petrus unserer Zeit, Papst Franziskus, ging auf die Antwort des Herrn Jesus an Simon Petrus ein und dachte vor allem über die Bedeutung des Wortes Stein (Kephas) ​​im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des heiligen Petrus nach. Laut Papst Franziskus bedeutet dieses Wort „Fels, Stein und einfach kleiner Steinbrocken“ (Angelus vom 29. Juni 2023). Petrus ist wie der Fels, denn „in vielen Momenten ist er stark und standhaft, aufrichtig und großherzig. Er verlässt alles, um Jesus zu folgen (vgl. Lk 5,11);  er erkennt ihn als den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16); er taucht ein in den See, um schnell dem Auferstandenen entgegenzueilen (vgl. Joh 21, 7). Dann verkündet er Jesus freimütig und mutig im Tempel, sowohl vor wie auch nach seiner Verhaftung und Geißelung (vgl. Apg 3,12-26; 5,25-42). Die Überlieferung berichtet uns auch von seiner Standhaftigkeit angesichts des Martyriums, das genau hier stattfand (vgl. Clemens Romanus, Brief an die Korinther, V, 4)“ (ebd.).

Aber Petrus ist auch ein Stein, „der geeignet ist, den anderen Halt zu bieten: ein Stein, der, auf Christus gegründet, seine Brüder beim Aufbau der Kirche unterstützt (vgl. 1 Petr 2,4-8; Eph 2,19-22). Das finden wir auch in seinem Leben: er folgt zusammen mit seinem Bruder Andreas und mit Jakobus und Johannes dem Ruf Jesu (vgl. Mt 4,18-22); er bestätigt die Bereitschaft der Apostel, dem Herrn zu folgen (vgl. Joh 6,68); er kümmert sich um die Leidenden (vgl. Apg 3,6); er fördert und ermutigt die gemeinsame Verkündigung des Evangeliums (vgl. Apg 15,7-11). Er ist »Stein«, er ist ein verlässlicher Bezugspunkt für die ganze Gemeinde“ (ebd.).

Petrus ist außerdem ein kleiner Steinbrocken und „seine Kleinheit wird oft ersichtlich. Manchmal versteht er nicht, was Jesus tut (vgl. Mk 8,32-33; Joh 13,6-9); angesichts der Verhaftung des Herrn lässt er sich von der Angst überwältigen und verleugnet ihn, dann bereut er und weint bitterlich (vgl. Lk 22,54-62), aber er bringt nicht den Mut auf, unter dem Kreuz zu stehen. Er versteckt sich mit den anderen im Abendmahlssaal, aus Angst, ertappt zu werden (vgl. Joh 20,19). In Antiochia ist es ihm sichtlich peinlich, bei den bekehrten Heiden zu sein - und Paulus fordert ihn auf, diesbezüglich einfach überzeugend und schlüssig zu sein (vgl. Gal 2,11-14); schließlich versucht er gemäß der Tradition des »Quo vadis« vor dem Martyrium zu fliehen, begegnet unterwegs aber Jesus und findet den Mut, zurückzukehren“ (ebd.).

Die Tatsache, dass sich in Petrus alle diese Charaktereigenschaften finden, „die Kraft des Felsens, die Widerstandsfähigkeit des Steins und die Kleinheit des einfachen Steinbrockens“, bedeutet, dass er kein Übermensch ist, sondern ein Mensch, der den Ruf Jesu großherzig bei aller Unzulänglichkeiten angenommen hat. „Aber gerade so zeigt sich an ihm, wie auch an Paulus und allen Heiligen, dass es Gott ist, der uns mit seiner Gnade stark macht, der uns mit seiner Liebe vereint und uns mit seiner Barmherzigkeit vergibt. Und gerade mit dieser wahren Menschlichkeit bildet der Geist die Kirche. Petrus und Paulus waren echte Menschen, und wir brauchen heute mehr denn je echte Menschen“ (ebd.).

Nach Papst Franziskus sollte jeder Christ, jeder von uns fragen, ob wir uns im Glaubensleben wie ein Fels verhalten, also mit Eifer und Leidenschaft für den Herrn und Sein Evangelium, oder wie ein Stein beim Aufbau der Kirche, indem wir an der Einheit arbeiten und für andere sensibel sind, vor allem für die Schwächsten, oder verhalten wir uns wie ein kleiner Steinbrocken, also im Bewusstsein für unsere Kleinheit und vor allem in der Frage: „Vertrauen wir uns in unseren Schwächen dem Herrn an, der mit jemandem, der demütig und aufrichtig ist, große Dinge tut?“ (ebd.).

Bitten wir den dreieinen Gott auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche, wie auch aller Heiligen, vor allem des Heiligen Quirinus, damit der Dialog des Heils zwischen den Nachfolger des Heiligen Petrus, Papst Franziskus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16) und dem Herrn Jesus: „Du bist Petrus und auf diese Kirche werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18) sich auch in unseren Tagen zur größeren Ehre Gottes und für das Heil der Welt fortsetzen möge. Amen.

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